Aufruf zu weltweiten Aktionen gegen das globale Agrobusiness während des G8-Gipfels im Juni 2007

Im Juni 2007 wird sich die politische Elite der wirtschaftlich stärksten Länder der Welt (die Gruppe der G8-Staaten) in Deutschland (Heiligendamm bei Rostock) treffen um ihre Politik aufeinander abzustimmen. Eine Grundlinie ihrer Politik ist es, bessere Profitbedingungen für die transnationalen Konzerne des Norden zu schaffen und auszubauen. Zeitgleich werden sich Tausende Menschen versammeln um dem weltweiten Widerstand gegen Ausbeutung, Unterdrückung und Kapitalismus Ausdruck zu verleihen. Ein Thema wird dabei die globale Landwirtschaftspolitik und insbesondere die grüne Gentechnik sein.

Die Konzerne des Nordens – Hand in Hand mit IWF, Weltbank und WTO

Seit Jahren versuchen transnationale Konzerne wie Monsanto, Syngenta, DuPont, Bayer und BASF die Agrotechnik weltweit durchzusetzen. Dabei geht es um nicht weniger als die vollständige Kontrolle der landwirtschaftlichen Produktion. Mit Biopiraterie, Patenten, Aufkäufen, Sortenschutzabkommen, WTO-Schiedsverfahren und Terminatortechnologie soll den BäuerInnen die Freiheit genommen werden, darüber zu entscheiden, was sie auf ihren Feldern anbauen. Die globalisierte Landwirtschaft hat zu einer weltweiten Angleichung der Nahrungs-mittelgewohnheiten und vor allem der industrialisierten Anbau- und Pflanzenzüchtungs-methoden geführt. Die Gentechnik treibt das auf die Spitze: Monokulturanbau und totale Abhängigkeit von der Saatgut- und Düngemittelindustrie. Hinzu kommt die systematische Zerstörung kleinbäuerlicher und indigener Existenzgrundlagen, mit katastrophalen Konsequenzen insbesondere im globalen Süden. Hintergrund sind die Strukturanpassungs-programme des IWF genauso wie die Freihandelsabkommen im Rahmen der WTO oder die Agrar-Exportsubventionen durch die Regierungen der USA und der EU. Die Konsequenzen dieser Landwirtschaft sind global spürbar: mehr als die Hälfte der Menschheit lebt von der Landwirtschaft, sei es als Kleinbäuerinnen und -bauern oder als LandarbeiterInnen.

Der Widerstand im Süden

Die kleinbäuerlichen Bewegungen im Süden tragen den Widerstand gegen diese Politik der Industrialisierung der Landwirtschaft . Über vielfältige Widerstandsformen wird – wenn auch noch zu wenig – berichtet: In Indien stürmten tausende Baumwolle-BäuerInnen in den letzten Jahren immer wieder lokale Monsanto-Filialen, in Südbrasilien zerstörten im März 2006 1500 BäuerInnen 5 Millionen Eukalyptusbäume, die ihnen das Grundwasser wegsaugen. In Brasilien, Ghana, Malawi oder Zimbabwe gehören Landbesetzungen bereits seit Jahren zum politischen Alltag. Gefordert wird insbesondere das „Recht auf Ernährungssouveränität“, unter anderem von ‚Via Campesina’, einem weltweiten Zusammenschluss von Kleinbauern und -bäuerinnen, LandarbeiterInnnen und Landlosen mit über 200 Mio. Mitgliedern. Ernährungssouveränität meint mehr als das Recht auf freien Zugang zu einer ausreichenden Menge gesunder, nahrhafter und kulturell üblicher Lebensmittel. Vielmehr ist auch das Recht gemeint, Nahrung in bäuerlicher, d.h. nicht-industrialisierter Produktion herstellen zu können und somit das Recht, über die hierfür erforderlichen Produktionsmittel zu verfügen, insbesondere Land, Wasser und Saatgut. Die grundlegenden Eigentums- und Verteilungsfragen sind demnach durch das Recht auf Ernährungssouveränität ebenfalls neu zu beantworten.

Widerstand im Norden?

In Europa, im industrialisierten Norden spielt das Thema bisher nur eine geringe Rolle. Es kommt nur in Extremfällen an die Oberfläche, z.B. bei der Unterstützung misshandelter hyperausgebeuteter migrantischer LandarbeiterInnen auf den Gemüseplantagen in Südspanien oder bei Aktivitäten gegen den Anbau von Genpflanzen. Im Jahr 2004 zerstörten z.B. 1500 „freiwillige MäherInnen“ in Südfrankreich Genmaisfelder. Jetzt wollen einige AktivistInnen in der Mobilisierung gegen den G8-Gipfel auch den Widerstand im Norden stärken: der weltweite Widerstand gegen die globalisierte Landwirtschaft und die grüne Gentechnik soll nicht nur sichtbarer sondern auch größer werden. Das ist nicht einfach, weil sich das Problem in verschiedenen Kontinenten der Welt in sehr unterschiedlichen Formen zeigt: „Im Süden“: durch Hunger, Vertreibung, und somit irrsinnig schnell wachsende Slum-Cities, Ausbeutung in den ländlichen Regionen, weltweite Verschlechterung der sozialen Situation besonders von Frauen, katastrophale Naturzerstörungen. „Im Norden“: durch massenhaftes Höfesterben und Verödung von Dörfern zugunsten hochkapitalisierter Agrarexport-Monokulturen, wachsende Entfemdung von Stadt und Land. In Nord und Süd zeigt sich die Tendenz, dass immer mehr Land von immer weniger Akteuren, von Großgrundbesitzern und den transnationalen Konzernen, kontrolliert wird.

Erste Erfolge der Zusammenarbeit

Im Widerstand gegen die Agro-Gentechnik gibt es erste Erfolge in der Zusammenarbeit von Süd und Nord: weltweite Proteste und Aktionen haben deren Ausbreitung bisher stark behindern können. Immer wieder mussten sich die Gentechnikkonzerne aus einigen Ländern und Regionen zurückziehen, natürlich immer verbunden mit einem erneuten Anlauf. Die Gentechnikkonzerne agieren global, ihre Politik ist Teil der kapitalistischen Globalisierung. Ein auf Dauer erfolgreicher Widerstand muss daher global vernetzt und Teil der weltweiten Bewegung gegen den Neoliberalismus sein!

Ein hoffentlich breites Bündnis aus BäuerInnen, VerbraucherInnen, GewerkschafterInnen und GlobalisierungsgegnerInnen wird rund um den G 8 Gipfel im Frühsommer 2007 mit Aktionen gegen das globale Agrobusiness an die Öffentlichkeit treten. Geplant ist, unterschiedliche Punkte innerhalb der landwirtschaftlichen Produktionskette anzugehen: Zum Beispiel auf einem Genfeld den Anbau verhindern, bei dem Lebensmittelmulti ‚Lidl’ die unverschämten Arbeitsbedingungen der Beschäftigten und die ruinösen Preisdiktate der Chefeinkäufer skandalisieren, vor einer Schweinemastfabrik die hochgezüchtete EU-Agrarpolitik kritisieren und an der Universität Rostock die Kollaboration einzelner Fachbereiche mit der Agroindustrie denunzieren – mit diesen vielfältigen Aktionen dürfte deutlich werden, wer die Profiteure und wer die Verlierer der globalisierten Landwirtschaft sind. Wir werden der in Rostock versammelten Weltpresse deutlich machen, dass wir diesen Irrsinn nicht länger widerstandslos hinnehmen! Auch in der Landwirtschaft ist eine andere Welt ohne Profit, ohne Ausbeutung und ohne Naturzerstörung möglich! Wir hoffen auf breite Beteiligung in anderen Teilen Europas.

Außerdem möchten wir an die Bewegungen des Südens appellieren, unser Projekt zu unterstützen. Wir hoffen auf abgestimmten Aktionen während des G 8 – Gipfels 2007: beispielsweise gegen die Saatgutmultis. Ihnen muss nicht nur in Europa und Nordamerika, nicht nur in Indien oder Brasilien sondern in allen Länder der Erde mit massivem Widerstand klar gemacht werden, dass sie mitverantwortlich sind für Hunger, Ausbeutung und Vertreibung. Sie haben einfach zu verschwinden - und zwar weltweit!

Dieser Vorschlag wird gegenwärtig in Deutschland und einigen europäischen Bewegungen diskutiert. Wir bitten Euch, ihn auch global bekannt zu geben, ihn zu diskutieren, zu verändern. Wir bitten Euch auch, uns mitzuteilen, warum er Eure Unterstützung nicht finden kann.

Kontakt: herhan@gmx.net und g8_landwirtschaft@yahoo.de

23.7.06