Kommunen überfordert mit Gipfel-Gegnern

Ostsee Zeitung 15. Februar 2007

Nicht nur das Land zahlt für G8. Auch die Kommunen. Sie müssen Wasser, Klos und Zeltplätze für die Demons- tranten stellen.
Heiligendamm (OZ/kw) Gerade war Ruhe eingekehrt im Streit um die Kosten des G8-Gipfels im Juni in Heiligendamm. Die Landesregierung hat die bittere 68-Millionen-Euro-Kröte geschluckt. Insgesamt sollen das Treffen der Staatschefs und ihr polizeilicher Schutz 92 Millionen Euro kosten. 24 Millionen trägt der Bund. Doch jetzt entwickelt sich ein neuer Konflikt: Für die Unterbringung der Gipfel-Gegner sollen offenbar Landkreise und Kommunen zahlen. Bis zu 200 000 Menschen – so viele waren es beim Gipfel in Gleneagles (Schottland) – wollen schlafen, brauchen Wasser und Toiletten.

Das Camp für 15 000 Menschen, das bei Bützow errichtet werden soll (OZ berichtete), haben Gewerkschaftsbund und die Globalisierungsgegner von Attac abgelehnt. „Zu weit weg“, sagt Adolf Riekenberg vom Attac-Koordinierungskreis. Gebe es keine anderen Angebote, werden wohl wilde Camps entstehen, kündigt er an: am Strand, in Dünen, in Parks. Wie groß die Gefahr ist, die von unzufriedenen Gipfelgegnern ausgeht, kann niemand einschätzen.

Auch nicht das Innenministerium von MV. Der Abteilungsleiter Polizei, Frank Niehörster, sagte gestern beim 10. Europäischen Polizeikongress in Berlin: „Wir brauchen die Hilfe der Bundespolizei und des Bundeskriminalamtes.“ Ob aber 10 000 Polizisten – laut Niehörster kann MV nur 5000 davon stellen – reichen, um neben den Staatschefs auch noch wilde Dünen-Camps zu sichern, ist fraglich. Denn ob wild oder genehmigt: Mindestens Trinkwasser, Dixie-Klos und Müllentsorgung werden die betroffenen Kommunen oder der Katastrophenschutz der drei betroffenen Landkreise bereitsstellen müssen. Im Rahmen der „Gefahrenabwehr“, wie es im Kommunalgesetz heißt.

Und die Kosten?
Keine der betroffenen Kommunen hat Geld für Gipfelgegner auf der hohen Kante. Das wäre eine zusätzliche „freiwillige Aufgabe“, sagt Rostocks Stadtsprecher Ulrich Kunze. So etwas dürfe sich die Hansestadt gar nicht leisten. Er verweist an die Aufbauorga- nisation „Kavala“ bei der Polizeidirektion Rostock, die Genehmigungsbehörde für alle Versammlungen zum G8-Gipfel ist.
Edgar Schmidt, stellvertretender Bürgermeister in Bad Doberan, könnte nicht einmal die Turnhallen für die G8-Gegner räumen. „Wir haben Unterricht“, begründet er. Auch er setzt auf Katastrophen- schutz und Feuerwehr. Die machten sicher schon Einsatzpläne.
Paul Schlutow (parteilos), Bürgermeister von Kröpelin, trifft sich Montag mit Gipfelgegnern. Geld oder Flächen für ein Camp hat er nicht. „Das ist zu spät“, sagt der Bürgermeister. „Was wir hatten, hat die Landwirtschaft gepachtet.“ Kühlungsborns Bürgermeister Rainer Karl (CDU) hofft, dass die Gipfelgegner vielleicht gar nicht mehr nach Kühlungsborn wollen. Offen sei nämlich, ob das Ostseebad wegen der vielen Journalisten hermetisch abgeriegelt werde. Seit er darüber mit den Gipfelgegnern gesprochen habe, habe sich niemand mehr gemeldet, sagt Karl.