Wo sollen all die Demonstranten hin?

Ostseezeitung 10. Februar 2007

Rostock (OZ) „Ich habe den Eindruck, dass den Kommunalpolitikern nicht klar ist, was da auf sie zukommt“, sagt Frauke Distelrath, Sprecherin des globalisierungskritischen Netzwerks Attac. Distelrath meint auch: „Die Politiker versprechen sich vom Gipfel nur Imagegewinn für ihre Region. Aber die andere Seite, die Gipfelgegner, nehmen die kaum wahr.“ Wie viele Demonstranten zum G8-Gipfel anreisen werden, ist völlig unklar. Auch, wo die bleiben sollen.

Der Landrat des Kreises Bad Doberan, Thomas Leuchert (SPD), bietet keinen Platz: „Auf wen oder was soll ich mich denn vorbereiten? Ob 10 000 kommen oder eine Million – reine Spekulation. Wir haben keine Flächen für Camps.“ Leuchert meint, wer an die Ostsee reise, müsse sich schon selbst um Quartiere kümmern. „Ich fahre auch nicht in den Urlaub und frage den Bürgermeister, ob ich in der Turnhalle schlafen darf.“ Diese Rechnung könnte zulasten der Region gehen. Zum G8-Gipfel 2005 im schottischen Gleneagles kamen 200 000 Gipfelgegner, in Genua 2001 waren es 250 000. Mit diesen Zahlen muss auch MV rechnen.

Touristiker befürchten schlimme Bilder verwahrloster Camps. Daher bringt der Tourismusverband eine Info-Broschüre für alle, die zum Gipfel kommen, heraus. So skurril das klingen mag: mit Hotel-Guide für Demonstranten. Denn wenn die Menschen keine Unterkünfte finden, werden sie am Strand oder in Parkanlagen nächtigen. Auch die Polizei möchte vermeiden, „dass übermüdete, frustrierte Demonstranten durch die Straßen irren“, wie aus der Polizeieinsatzzentrale Kavala verlautete.

Attac hat ein Camp bei Rostock für 10 000 Leute beantragt. In Bützow wurde ein Camp für 15 000 Leute genehmigt, das von Attac und vom Deutschen Gewerkschaftsbund abgelehnt wird. „Zu weit weg,“ sagt Adolf Riekenberg vom Attac-Koordinierungskreis. Riekenberg rechnet damit, dass sich von Kühlungsborn bis Rostock wilde Camps ansiedeln werden. Am Strand. Die Hansestadt Rostock hat zwei Plätze in Aussicht gestellt. Im Fischereihafen und in Evershagen. Gestern bot die Stadt Attac drei weitere Plätze an: einen Sportplatz im westlichen Stadtteil Marienehe, sowie Sportplätze in den östlichen Stadtteilen Dierkow und Toitenwinkel.
MICHAEL MEYER