G-8-Gegner: Polizei befürchtet weitere Anschläge

Hamburger Abendblatt 27. Januar 2007

Linksextremisten Täter zündeten Auto von Herbert A. an, schleuderten Farbbeutel gegen das Haus von Walter K.

Die Sonderkommission der Polizei hat inzwischen rund 40 linke Aktivisten im Visier, doch die Beweise reichen nicht aus. Behörden rechnen mit weiteren solchen "symbolischen Aktionen".

Von Christian Denso

Groß Flottbek, 4.33 Uhr am Freitagmorgen. Lodernd schlagen die Flammen aus dem Motorraum des schwarzen E-Klasse-Mercedes. Feuerwehrmänner öffnen die Haube und versuchen, mit Schaum den Brand zu ersticken. Machtlos steht Herbert A., Vorstand bei ThyssenKrupp Marine Systems und Besitzer der Limousine, neben dem Feuer.

Nienstedten, zweieinhalb Stunden zuvor. Walter K. wird durch ein Geräusch geweckt. Der Blohm & Voss-Manager vermutet Einbrecher an der Terrassentür, macht sofort Licht im Haus der Familie an - und schreckt so möglicherweise die Unbekannten ab, die sich auch an seinem Dienst-BMW vor dem Haus zu schaffen machen. Die eingeschlagene Frontscheibe des Wagens sowie die Farbbeutel-Flecken an der Hausfassade entdeckt der 55-Jährige erst Stunden später.

Szenen aus Hamburg, 19 Wochen vor dem G-8-Gipfel in Heiligendamm. Wieder Anschläge, wieder die Hansestadt - auf den Tag genau nur einen Monat, nachdem im Dezember in Winterhude der Mini der Ehefrau von Thomas Mirow, dem Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, in Flammen aufging. Waren es auch diesmal militante Gegner des Treffens der Führer der wichtigsten Industrienationen?

Vieles deutet darauf hin, auch wenn sich die Polizei offiziell noch zurückhält. Vor allem, weil sich noch niemand zu den neuen Taten bekannt hat. Doch spielt der Werftenverbund, für den die beiden Manager tätig sind, nach eigenen Angaben "eine weltweit führende Rolle" beim Bau von Fregatten und konventionellen U-Booten - Militär-Projekte, die Linksextremisten ein Dorn im Auge sind. Zudem gab es allein in Hamburg eine ganze Reihe von Anschlägen , die so abliefen: Nachts, vor kaum gesicherten Objekten, gingen immer wieder Autos in Flammen auf.

Die Hansestadt wird damit neben Berlin immer mehr zu einem der Brennpunkte vor dem umstrittenen Gipfel. Polizei und Verfassungsschutz rechnen mit weiteren, derartigen "symbolischen Aktionen". Als "genau wie befürchtet" - so bezeichnen sie die neuerlichen Taten. Extra deshalb wurde bereits nach dem Mirow-Anschlag eine Sonderkommission eingerichtet. Deren Aufgabe vor allem: ständige Lageanalyse. Als besonders kritisch sieht die Polizei den Asem-Gipfel. Nur wenige Tage vor dem Treffen in Heiligendamm werden drei Dutzend Minister plus 1400 weitere hochrangige Teilnehmer aus Asien und Europa das Rathaus, CCH und Atlantic Hotel belegen - und damit zum möglichen Ziel für medienwirksame Anschläge. Für das Treffen im Herzen Hamburgs laufen intern seit Monaten Sicherheitsvorbereitungen. Zudem wird die Hansestadt vermutlich eine der großen Basen für die erwarteten Gipfelgegner. Erwartet werden insgesamt bis zu 200 000 Protestierer, die unter anderem wegen des Zwölf-Kilometer-Sperrzauns (Kosten: 12,5 Millionen Euro) kaum zum Tagungsort vordringen und deshalb auf andere Schauplätze für den Protest ausweichen werden. "In Hamburg wird sich wie etwa in Berlin einiges abspielen", so ein hochrangiger Beamter.

Es gilt dabei als sicher, dass die Täter auch bei Anschlägen nur Sachschaden anrichten, aber keine Menschen verletzten oder gar töten wollen. "Für solch weitergehende Taten fehlt in der Szene die Legitimation", lautet die Einschätzung.

Derzeit läuft dafür in der linken Szene die Phase der Mobilisierung. Dazu zählen eben auch Brandanschläge gegen Politiker und Wirtschaftsvertreter. Zwar hat die Soko mehrere Dutzend potenziell gefährdete Personen in Hamburg ausgemacht. Deren Schutz erfordert allerdings einen personellen Kraftakt, der nicht immer zu leisten ist. Zudem ist kaum berechenbar, wer als Nächster Ziel der Linksextremisten wird, heißt es.