DER KAMPF DER AUTONOMEN

Hamburger Morgenpost 27. Januar 2007

Wer stoppt die G8-Terroristen?
Globalisierungsgegner machen mobil - gestern hatten sie Rüstungsbosse aus Groß Flottbek und Nienstedten im Visier

SASCHA BALASKO

Sie gehören zu den meistgefährdeten Managern in Hamburg. Ihr Gewerbe ist hoch sensibel. Sie bauen U-Boote, Fregatten, Corvetten. Kaum jemand weiß, wo sie wohnen. Doch eine Gruppe von Globalisierungsgegnern hat ihre Häuser im Hamburger Westen gefunden. Gestern Früh verübten Unbekannte Brand- und Farbbeutelanschläge auf die Autos und Villen zweier Rüstungschefs von ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS).

Nur einen Monat nachdem ebenfalls bislang unbekannte Täter den Wagen von Finanzstaatssekretär Thomas Mirow (SPD) angezündet hatten, wurde Herbert Aly (48) Opfer einer ähnlichen Tat. Um 4.33 Uhr ging der Mercedes des TKMS-Vorstands vor seinem Haus in Groß Flottbek in Flammen auf. Eine Stunde später bemerkte sein Vorstandskollege Walter Klausmann (55), dass die Fassade seiner Villa im nahegelegenen Nienstedten mit Farbe beschmiert worden war. Zudem war die Windschutzscheibe seines BMW eingeschlagen worden.

Ganz offensichtlich gehören diese Taten in eine lange Serie von Anschlägen gegen Entscheidungsträger wie Politiker und Wirtschaftsbosse. Weitere Opfer waren neben Mirow auch Wirtschaftswissenschaftler Thomas Straubhaar, Werber Holger Jung ("Jung von Matt") und Werner Marnette, Chef der Norddeutschen Affinerie. Hintergrund: Protest gegen das Treffen der acht weltgrößten Wirtschaftsmächte (G8) im mecklenburgischen Seebad Heiligendamm im Juni.

Einen Fahndungserfolg konnte die Polizei noch nicht präsentieren. Und das, obwohl die Opfer der Anschläge in den "besseren" Gegenden der Stadt wohnen. Dort, wo Beamte in Zivil regelmäßig Streife gehen.

Die Anschläge der Autonomen sind generalstabsmäßig vorbereitet. Sie recherchieren die Adressen ihrer Opfer und kundschaften Fluchtwege aus - alles ohne verwertbare Spuren zu hinterlassen. Und bislang blieben sie ihren Prinzipien treu: Gewalt gegen Sachen, aber nicht gegen Menschen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass bis zum G8-Gipfel weitere Taten folgen werden.

Die beiden ThyssenKrupp Marine Systems-Manager wollten sich selbst nicht zu den Anschlägen äußern. Über einen Sprecher des Konzerns mit rund 8800 Mitarbeitern ließen sie mitteilen, dass sie mit Betroffenheit auf die Ereignisse reagierten und auf eine schnelle Aufklärung hofften. Der Staatsschutz ermittelt.

Info:
G-8-GIPFEL

Deutschland richtet vom 6. bis 8. Juni das Treffen der acht wichtigsten Staats- und Regierungschefs in Heiligendamm aus. Im Kreis der Finanzminister werden unter anderem die Problematik von Hedge Fonds, die Stärkung der Regierungsführung in Entwicklungsländern und die Förderung erneuerbarer Energien behandelt. Auch ein Thema die Reform des Internationalen Währungsfonds. Die Kosten des G-8-Gipfels werden auf 92 Millionen Euro geschätzt.