Zündeln als Volxsport

Frankfurter Rundschau - 16. Juli 2007

Brandanschläge auf Autos halten die Berliner Polizei auf Trab / Vandalismus-Wettstreit zwischen autonomen Gruppen

Von Jörg Schindler

Berlin. In der Nacht zum Mittwoch zum Beispiel traf es einen Chrysler, einen BMW, einen Mercedes und zwei Jeeps. In nicht einmal eineinhalb Stunden brannten die fünf Autos aus. Mit simplen Brandsätzen hatten sich Unbekannte eine Feuerschneise durch die Berliner Bezirke Friedrichshain und Mitte geschlagen. Von den Tätern fehlt jede Spur.

„Natürlich macht uns das Sorgen“, sagt Polizeisprecher Bernhard Schodrowski. Zumal man auch beim besten Willen nicht mehr von Einzelfällen sprechen kann. Rund 80 Brandanschläge auf Fahrzeuge wurden in Berlin in diesem Jahr gezählt. Das sind schon jetzt mehr als doppelt so viele als 2006. Da ein politischer Hintergrund wahrscheinlich ist, ermittelt inzwischen in allen Fällen der Staatsschutz. 14 Tatverdächtige gingen der Polizei bereits ins Netz. Trotzdem kommen fast wöchentlich neue Feuer-Attacken hinzu.

Militante Kampagne
Dabei hatten die Ermittler eigentlich gehofft, mit dem Ende des G8-Gipfels in Heiligendamm sei das Schlimmste überstanden. Im Rahmen der „militanten Kampagne“ gegen das Staatslenker-Palaver hatten in ganz Deutschland über Monate hinweg Autos gebrannt. Eines der prominentesten Opfer: Bild-Chef Kai Dieckmann, dessen Karosse am 9. Mai in Hamburg loderte. Acht Tage später gingen in Berlin zwei Einsatzfahrzeuge der Polizei in Flammen auf.

Man habe die Autos „zum Abtransport in die Schrottpresse bereitgestellt“, höhnte in einem Bekennerschreiben die „militante gruppe“, die die Bundesanwaltschaft als terroristische Vereinigung verfolgt. Nach dem G8-Gipfel im Juni nahmen die Anschläge auf Autos bundesweit merklich ab. Nur nicht in Berlin. Und dort vor allem im linken Szenebezirk Friedrichshain-Kreuzberg.

Was genau dahinter steckt, kann oder will die dortige Polizei nicht verraten. Bekennerschreiben lägen nur „in einigen wenigen Fällen vor“, sagte Schodrowski der FR. „Wir verfolgen allerdings auch die Mobilisierung im Internet.“ Dort kursieren bereits seit Monaten Aufrufe zu einem „langgezogenen Volxsportwettbewerb zum G8-Gipfel“. Motto: „Widerstand muss Spaß machen.“

Kritik aus der Szene
Es handelt sich um eine Art Vandalismus-Wettstreit zwischen autonomen Gruppen. Dabei werden Punkte verteilt: zum Beispiel drei für eingeworfene Glasscheiben – und acht für ausgebrannte Autos. Die Auswahl scheint dabei immer beliebiger zu werden: Sahen es die Zündler früher fast ausschließlich auf Luxuslimousinen ab, wurden zuletzt auch schon mal altersschwache und mittelklassige Wagen angezündet.

Dass derlei Aktionen auch in der Szene nicht auf ungeteilte Zustimmung stoßen, machte jetzt die Autonomen-Postille „Interim“ deutlich. Dort meldete sich die „militante gruppe“ zu Wort und warf den Brandstiftern vor, die „Karikatur einer militanten Kampagne“ zu inszenieren. Anschläge auch auf weniger noble Autos seien „absurd“. Ihr Gegenvorschlag: „gezielter Glasbruch“, etwa an Gebäuden der Arbeitsagenturen. Derlei Attacken würden „politisch mehr bewirken als ein brennender Mittelklassewagen“.