Symbolik und Wirklichkeit der G8 Proteste

Am Wochenende des 30.6.-1.7. haben sich G8-AktivistInnen in Amsterdam in den Niederlanden zusammengesetzt, um zu einer Einschätzung der Aktionen und ihrer Wirkung zu kommen (das Programm findet ihr unter http://www.broeinest.info/drupal/?q=node/92). Hier kommt eine Übersetzung der Übersetzung von Pomos Duplovski.

"Es ist schwierig mit Clowns Verträge abzuschließen" sagte ein Vertreter der Niederländischen Clowns Army mit ernstem Gesicht. Um ihn herum nicken die Leute voller Verständnis. Es ist der zweite Tag eines von 'Broeinest' organisierten Auswertungswochenendes zu den G8 Protesten. Ein bunter Haufen FilmemacherInnen, Sambabandenmitglieder, Schreibende, FotografInnen, KöchInnen und andere AktivistInnen versuchten zu rekonstruieren, was gut gelaufen war und was nicht geklappt hatte, und scheute dabei auch nicht vor schwierigen Fragen zurück. Gegen Ende wurde auch die unvermeidliche Frage nach der Wirkung der Proteste gestellt. Die Straßen um das Kempinski Hotel herum waren erfolgreich blockiert und die drei selbstorganisierten Camps (auf denen jeweils bis zu 7000 Leute wohnten) waren mit Sicherheit eine logistische Tour-de-Force, aber alle die ins Hotel kamen, mussten scheinbar mit dem Hubschrauber oder per Schiff dorthin gebracht werden.

Die zwei Tage Diskussion vom 30.6./1.7. wurden vor allem durch die Anwesenheit dreier AktivistInen aus dem Ausland spannend, die gekommen waren um ihre Eindrücke beizusteuern. Auch einige ältere AktivistInnen trugen Kommentare bei. Sicher gab es die üblichen Beiträge, dass die Bewegung in der Vergangenheit in weit besserer Verfassung gewesen sei, und auch die üblichen verunglimpfenden Bemerkungen über die bolschewistischen I.S. blieben nicht aus [???, Anm.d.Ü.]. Eine weitere wiederkehrende Beobachtung war die der typischen niederländischen Allergie auf Theorie und Analyse. Aber alles in allem gab es eine konstruktive Auswertung einer Woche des Protestes und deren Vorbereitung.

Dissent-NL wurde von der Kritik nicht ausgenommen. Nach einem guten Start auf einigen 'nationalen' Treffen sank die Zahl der aktiv beteiligten Leute kontinuierlich. Auf der Sche nach den Gründen dafür nannten einige die weite Entfernung, die Leute aus dem Norden zurücklegen mussten, und dass viele Leute es vorziehen lokal aktiv zu sein. Eine weiterer Hinderungsgrund ist die Tatsache, dass viele Leute nicht an basisdemokratische Entscheidungsprozesse gewöhnt seien, und deren Wert nicht verstehen. Schließlich wurde die spezifische Struktur des dissent-Netzwerkes (in den Niederlanden, aber auch international) als Erklärung genannt. Es ist eine vage und formlose Struktur, was den Vorteil hat, dass es schwer zu bekämpfen ist aber was es auch schwieriger macht zu Übereinkommen und Verbindlichkeiten zu kommen, da sich die Leute einer solch losen Struktur weniger verbunden fühlen.

Militanz
Na klar, es gab eine Debatte über das gewalttätige Ende der Demo am Samstag, den 2.Juni 2007. Viele Anwesende zogen in Zweifel, ob die vom Schwarzen Block ausgeübte Gewalt angemessen war. Eine weitere Beobachtung war die Rückkehr zu autonomen Organisierungsformen der 80er und die Frage, ob es irgendwelche Alternativen dazu gibt. Ein erfahrener Aktivist sagte dazu, es gäbe für eine solche Situation nur zwei Möglichkeiten: entweder versuchen alle AktivistInnen sich im Vorfeld darauf zu einigen, was sie zu akzeptieren bereit sind und was nicht, oder alle sind frei ihre eigene Taktik zu wählen (Die sonannte 'Vielfalt der Aktionsformen') was von vornherein die Akzeptanz von Unterschieden beinhaltet. In der Praxis stellt sich die erste Variante als unmöglich heraus, da die juristischen Folge eine Anklage für den Aufruf oder die Werbung für Straftaten wäre, weshalb einzig die zweite Möglichkeit übrigbleibt.

Eine weitere Feststellung war, dass AktivistInnen, die sich an den Tagen vor dem Gipfel an den Aktionstagen beteiligt hatten in dem Moment erschöpft waren, als die Blockaden begannen. Vielleicht hätten sie sich besser die Zeit genommen Bezugsgruppen zu bilden und Pläne für die Blockaden zu machen. Andere erwiderten darauf, dass die Aktionstagen mit ihrer Schwerpunktsetzung inhaltlich eine Menge zu den Protesten beigetragen hätten (Migration, Landwirtschaft, Militarisierung), auch wenn davon nicht viel in den Medien rüberkam, die einzig über die Riots vom Samstag berichteten.

Eine weitere Beobachtung war, dass dissent auf den Aktionen und Camps weitgehend unsichtbar war. Sie machten eine Menge der anfallenden Arbeit, konnten (oder wollten) aber keine Ergebnisse für sich beanspruchten. Dies ist verständlich und in der Situation der Arbeit in einem Netzwerk sogar sehr korrekt, ermöglicht es aber auch den sichtbareren linken Strömungen die Erfolge zu 'ernten'.

Medien
Eine davon getrennte Diskussion gab es über die Medien und das von ihnen produzierte Image (der G8 wie der AktivistInnen), sowie die Möglichkeiten ein Gegengewicht dazu zu schaffen. Einer der Beiträge dazu war von niederländischer Seite gewesen einen speziellen Bus für MedienaktivistInnen zur Verfügung zu stellen. Er wurde fortwährend von der Polizei behindert und einmal sogar für 24 Stunden konfisziert. Die Organisierung eines solchen Projektes stellte sich als ganz schöne Aufgabe heraus, die nicht immer perfekt gelaufen ist und bei der es viel zu lernen gab. Andererseits wurde eine große Menge Bilder und Berichte produziert, von denen einige beim Auswerten gezeigt wurden.

Was vielen Leuten auffiel, ist, dass es im Unterschied zu anderen Gipfeln so gut wie keine Konvoys der 8 teilnehmenden Staaten gesichtet wurden. Und wenn die Delegierten einfach auf dem Luift- oder Seeweg zu ihrem Ziel gebracht werden können, werden dann Straßenblockaden nicht zu einem rein symbolischer Akt? Und wie viele Leute werden durch symbolische Handlungen wie diese motiviert? Es gab eine Weile eine Diskussion über Möglichkeiten den Flug- und Schiffsverkehr zu blockieren, kamen aber schnell zu dem Schluss, dass wir dafür nicht über die nötigen Mittel verfügen. Auch hatten wir den Eindruck, dass viele der niederen G8-Ränge nicht nach Heiligendamm gekommen waren, sondern sich an anderen Orten trafen. Sie waren nicht im Visier der DemonstrantInnen, was mit dem Konzept von Blockaden zu tun hat, die sich stets darauf konzentrieren, ein spezifisches Ziel einzukreisen. Die Debatte endete hoffnungsfroh: mit genug Informationen und einem guten Kommuniationssystem wäre es möglich gewesen, die von ihnen benutzten Häfen zu blockieren. Tatsächlich gab es einige kleine Blockaden am Hafen von Rostock.

Wie weiter
Zur Frage, wie es weiter gehen soll gab es (unabhängig von den internationalen Plänen und der Auswertung in Limoges) einige Vorschläge. Die Ideen reichten von der Besetzung einer befreiten Zone (zapatistas - Niederlande?) zur Organisierung einer Infotour, um die Ergebnisse der G8-Aktionen vorzustellen. Ein weiterer Vorschlag war es, sich monatlich jeweils in einer anderen Stadt zu treffen, Informationen über Bezugsgruppen und effektive Selbst-Organisierung zu verbreiten, und eine Präsentation für das nächste 2.Dh5 Festival Ende November in Nijmegen vorzubereiten. Da sich die TeilnehmerInnen nicht auf einen gemeinsamen Plan einigen konnten, wurde verabredet für September ein weiteres Treffen zu organisieren.