Anschlag auf Sitz der Justizsenatorin

Berliner Morgenpost vom 29. Dezember 2006
Bekennerschreiben liegt vor. Ermittler vermuten trotz fehlenden Absenders Täterschaft der "militanten gruppe"
Von Michael Behrendt

Die Verwaltung von Senatorin Gisela von der Aue war Ziel des Brandanschlags in der Nacht zu Donnerstag

Zwei Tage nach dem Brandanschlag vor dem Wohnhaus von Bundesfinanzstaatssekretär Thomas Mirow in Hamburg haben Unbekannte gestern versucht, das Gebäude der Justizverwaltung in Schöneberg in Brand zu stecken. Außerdem wurde das "Kempinski Grand Hotel" in Heiligendamm (Mecklenburg-Vorpommern) mit Farbbeuteln beworfen. Hier tagen im Juni die Regierungschefs der G-8-Staaten. In einem Bekennerschreiben heißt es, der Anschlag in Heiligendamm sei erst der Auftakt für weitere Aktionen gegen den Gipfel. Nach Informationen der Morgenpost vermutet die Berliner Polizei, dass die "militante gruppe" (mg) für die Aktion in Schöneberg verantwortlich ist.
Berliner Polizisten befürchten, dass sich vor dem G-8-Gipfel auch die Sicherheitslage in der Hauptstadt verschärfen könnte. "Wir schließen nicht aus, dass es bis zum Treffen der führenden Staats- und Regierungschefs vermehrt zu Anschlägen wie dem auf das Justiz-Gebäude kommen könnte", sagte ein Kriminalbeamter.

"Wir beobachten seit Längerem in dieser Szene starke Mobilisierungsbemühungen", sagte Heinz Fromm, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), der Morgenpost. Auf den zahlreichen Homepages der Anti-G-8-Aktivisten werde im Internet über illegale Aktionsformen debattiert, wie der Verfassungsschutz bei einem Symposium in Berlin Anfang des Monats berichtete.

Die Zusammenkunft der acht führenden Wirtschaftsnationen findet vom 6. bis zum 8. Juni statt. Die Berliner Polizei wird mit einem Großaufgebot in Heiligendamm anrücken, 500 Beamte einer Bereitschaftspolizeiabteilung sollen die Veranstaltungen sichern. Zudem wurden 100 Männer des Verkehrsdienstes angefordert. Bereits jetzt wurden Beamte für einen Vorbereitungsstab abkommandiert.

In Schöneberg hatte ein Wachmann gegen 3.35 Uhr den Brand im Keller des Justiz-Gebäudes an der Salzburger Straße bemerkt und die Feuerwehr alarmiert. Die Einsatzkräfte löschten das Feuer, verletzt wurde niemand. Noch in der Nacht übernahmen Beamte des für politisch motivierte Straftaten zuständigen Staatsschutzes den Fall.

Offenbar hatten der oder die Täter das Kellerfenster gewaltsam geöffnet und einen Brandsatz in den Raum geschleudert. Um welche Form von Brandbeschleuniger es sich in dem Fall handelt, ist noch Gegenstand der Ermittlungen. Die Senatsverwaltung für Justiz wollte den Zwischenfall gestern nicht kommentieren und verwies auf die Polizei. Dort hieß es, dass es bislang keine konkreten Hinweise auf die Täter gebe, die Auswertung der gesicherten Spuren müsse zunächst abgewartet werden. Ermittler gehen jedoch davon aus, dass die "militante gruppe" hinter dem Anschlag steckt.

Das Bekennerschreiben für den Anschlag in Schöneberg - das nicht mit dem sonst üblichen Absender "mg" endet - ging gestern bei Medien und Polizei ein. Darin wird die Justiz für Selbstmorde in Berliner Haftanstalten verantwortlich gemacht. In dem Schreiben räumen die Unbekannten ein, mehrere Brandsätze in dem Keller gezündet zu haben.

Der Generalbundesanwalt ermittelt seit 2001 gegen Mitglieder der linksterroristischen Vereinigung "militante gruppe". Diese hatte sich in der Vergangenheit zu verschiedenen Brandanschlägen in Berlin und Umgebung bekannt.