Post-Kontrollen haben laut Schäuble nichts mit G8-Gipfel zu tun

Financial Times Deutschland (25.05.)
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble hat Berichte zurückgewiesen, wonach die Kontrollen von Postsendungen im Zusammenhang mit dem Schutz des G8-Gipfels stehen. Der Innenminister widersprach mit ungewohnt drastischen Worten.

“Die Staatsanwaltschaft führt Verfahren wegen begangener Straftaten”, stellte Schäuble am Freitag in München klar. “Aber das ist nicht die Vorbereitung von Heiligendamm.” Aufgebracht fügte er hinzu: “Wir sind kein Land, in dem Geisteskranke unterwegs sind!”
“Im Zuge der Vorbereitung des G-8-Gipfels gibt es keine Durchsuchungsmaßnahmen”, sagte der Minister. “Es hat sie nicht gegeben, es gibt sie nicht und es wird sie nicht geben.” Anders lautende Meldungen auch über Geruchsproben von G-8-Gegnern seien “ein solcher Unsinn”, sagte Schäuble. Zur Aufklärung eines Brandanschlages habe die Bundesanwaltschaft von fünf konkret Beschuldigten Geruchsproben nehmen lassen. Das habe aber nichts mit der Vorbereitung des Gipfels zu tun.
Die Sicherheitsvorkehrungen dort seien “nicht übertrieben, sondern angemessen”, so “dass wir gewährleisten können, dass die Teilnehmer des Gipfels in Sicherheit tagen können”. Das Treffen der acht Staats- und Regierungschefs führe dazu, “dass etwas bewegt wird”, sagte Schäuble. In der Runde in Heiligendamm könne zum Beispiel keiner mehr sagen, Klimaschutz interessiere ihn nicht. Bundeskanzlerin Angela Merkel werde auch Afrika zu einem wichtigen Thema machen.
Die Deutsche Post hatte zuvor bereits Zeitungsberichte bestätigt, wonach Ermittler in Hamburger Briefzentren kontrolliert hatten. Die Beamten hätten einen richterlichen Beschluss vorgelegt, sagte ein Sprecher. „Dann müssen wir die reinlassen.”

“Unser Personal wird rigoros abgezogen”
Die Polizei habe ohne Hilfe der Post gearbeitet. Deshalb sei der Umfang der Kontrollen auch nicht bekannt. “Da wird unser Personal rigoros abgezogen”, sagte der Post-Sprecher. Die Beamten seien von Dienstag bis Donnerstag im Briefzentrum gewesen und hätten auch einen Briefkastenleerer auf seiner Tour begleitet.
Die Aktion läuft laut Zeitungsberichten unter der Federführung des Bundeskriminalamtes (BKA), die Ausführung habe das Landeskriminalamt (LKA) übernommen. Ein Dutzend LKA-Beamte sei im Einsatz. Besonders im Visier seien die Szenestadtteile Altona, St. Pauli und Eimsbüttel sowie das Schanzen- und das Karoviertel. Das BKA verwies auf Anfrage der dpa auf die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe. Von dort war eine Stellungnahme zunächst nicht zu bekommen.
“Hierbei handelte es sich um richterlich genehmigte Postbeschlagnahmungen im Zusammenhang mit aufgetauchten Bekennerschreiben”, sagte Detlef Kreutzer, Leiter des Hamburger Staatsschutzes, am Freitag in Hamburg. In den vergangenen Wochen war es in Hamburg zu mehreren Farb- und Brandanschlägen von Gegnern des G8-Gipfels Anfang Juni in Heiligendamm gekommen. Anschließend gingen bei Medien Bekennerschreiben ein.
Es gehe aber nicht nur darum, mögliche Bekennerbriefe an die Medien frühzeitig abzufangen. Postkastenentleerern bestimmter Touren seien sogar Briefe aus dem Beutel heraus abgenommen und direkt der LKA-Briefkontrolle zugeführt worden, bevor sie in die Verteilung gelangten.
Die Fahndung nach gewaltbereiten Gegnern des G8-Gipfels läuft laut der “Tageszeitung” (Taz) derzeit auf verschiedenen Ebenen. Das Landeskriminalamt versucht demnach auch, Internetcafés dazu zu bewegen, Videokameras zu installieren und die Aufnahmen der Polizei zur Verfügung zu stellen. Zudem habe der Staatsschutz die Drogeriekette Schlecker ins Visier genommen. Dort könnten szeneverdächtige Leute bestimmte Dinge einkaufen. An den Orten der Anschläge seien offenbar Utensilien gefunden worden, die ausschließlich zum Schlecker-Sortiment gehörten.

Kritiker zweifeln an Rechtmäßigkeit
Hamburgs Datenschutzbeauftragter Hartmut Lubomierski äußerte in der Zeitung erhebliche Zweifel, dass es für derartige Maßnahmen eine rechtliche Grundlage gebe. Der Staatsrechtler und Bundestagsabgeordnete der Linksfraktion, Norman Paech, sagte dem Blatt: “Sollte dies durch einen gerichtlichen Beschluss gedeckt sein, dann haben die Richter jedes Maß für Grundrechtsschutz verloren.”
Die Beamten wollen laut “Morgenpost” durch das eigenhändige Sortieren der Briefe frühzeitig herausfinden, in welche Briefkästen die Bekennerschreiben eingeworfen wurden und diese dann künftig nach Anschlägen rund um die Uhr observieren.