G-8-Kritiker werden beschnüffelt

taz 24. April 2007

Innenminister Schäuble verteidigt den Einsatz von Spürhunden gegen G-8-Gegner. Die Bundesanwaltschaft spricht von Geruchsproben als “ganz normaler Maßnahme”. Grünen-Politiker Christian Ströbele kritisiert den “Schnüffelstaat”

AUS HAMBURG KAI VON APPEN

Aufgrund des Erfolgsdrucks bei der Fahndung nach G-8-Gegnern, die für diverse Brand- und Farbanschläge in Hamburg und Berlin verantwortlich gemacht werden, greifen die Staatsschutz-Ermittler nun zu einer fragwürdigen Methode: “Schnüffelhunde”. Die Bundesanwaltschaft (BAW) in Karlsruhe gab gestern erstmals offiziell zu, dass bei den Razzien am 9. Mai wegen des “Verdachts der Bildung einer terroristischen Vereinigung” (§129a StGB) von fünf oder sechs Beschuldigten neben DNA- auch Geruchsproben genommen worden sind.

Zu diesem Zweck mussten die Beschuldigten minutenlang ein Metallröhrchen in die Hand nehmen, damit sich Körperflüssigkeit absondert. Dann sind die Stäbe, verpackt in einem Behälter, abtransportiert worden. Das Ziel: die sogenannte Geruchs-Hunde-Staffel der Polizei in Nordrhein-Westfalen. Diese spezielle Spürhundstaffel existiert seit zehn Jahren und war bislang vorrangig in der Graffiti-Bekämpfung eingesetzt. Die Geruchsproben-Methode ist jedoch nicht neu: Sie wurde schon von der Staatssicherheit der DDR eingesetzt, um Regimekritiker aufzuspüren.

Denn jeder Mensch verfügt über einen genetisch unverwechselbaren Eigengeruch. Dieser Geruch, im Fachjargon auch als “odrologische Spur” bezeichnet, besteht aus zersetzten Hautschuppen, die ein Mensch in jeder Sekunde verliert - egal ob er irgendwo sitzt, geht oder steht. Bei der Zersetzung der Hautschuppen durch Bakterien entstehen Gase, die der Hund wahrnehmen kann.

Die BAW wies gestern Medienberichte zurück, die Polizei wolle beim G-8-Gipfel in Heiligendamm mit Schnüffelhunden gezielt gegen Globalisierungskritiker vorgehen - was theoretisch möglich ist. Zweck der Geruchsprobe sei das Abgleichen von Spuren gewesen, die an den Tatorten von Brandanschlägen oder auf Bekennerschreiben gefunden worden waren, sagte BAW-Sprecher Andreas Christeleit. “Das ist eine normale Maßnahme im Ermittlungsverfahren” .

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) verteidigte diese Methode grundsätzlich. Das sei in bestimmten Fällen ein Mittel, um mögliche Tatverdächtige zu identifizieren, so Schäuble und bekam Rückendeckung vom Vorsitzenden der Polizeigewerkschaft, Konrad Freiberg: “Wer hier von einem ,Schnüffelstaat’ spricht, macht sich einer unverantwortlichen Polemik schuldig.” Damit kritisierte Freiberg den Grünen-Politiker Christian Ströbele, der von einem “Schnüffelstaat in Perfektion” gesprochen hatte.

taz vom 24.5.2007, S. 6, 90 Z. (TAZ-Bericht), KAI VON APPEN

http://www.taz.de/dx/2007/05/24/a0148.1/text