Globalisierungsgegner: Hamburg wird zum Mekka der G-8-Gegner

Welt online 22. Mai 2007

In der Hansestadt eskaliert die Gewalt militanter Globalisierungsgegner. Immer öfter werden dabei auch Prominente Opfer von Brandanschlägen. Jetzt traf es Kai Diekmann, den Chef der “Bild”-Zeitung: Sein Auto wurde angezündet und brannte aus.

Vor dem Treffen der europäischen und asiatischen Außenminister Anfang kommender Woche an der Elbe und dem G8-Gipfel in Heiligendamm rückt Hamburg immer mehr ins Zentrum des Widerstands gewalttätiger Linksextremisten. Innerhalb von nur einer Woche verübten sie in der Hansestadt drei Anschläge. Der jüngste ereignete sich in der Nacht zu Dienstag. Unbekannte zündeten das Auto von “Bild”-Zeitungs-Chefredakteur Kai Diekmann an. Der Wagen brannte völlig aus.
Um 2.43 Uhr entdeckte ein Passant den Feuerschein im Hamburger Wohnviertel Harvestehude. Als die Feuerwehr eintraf, schlugen bereits hohe Flammen aus dem Mercedes, der vor dem Wohnhaus des Journalisten geparkt war. In dem Familienwagen verbrannten drei Kindersitze und ein Kinderwagen. Die Polizei leitete eine Sofortfahndung ein, doch die Täter entkamen unerkannt. Auch wenn zunächst kein Bekennerschreiben vorlag, ist es nach Einschätzung der Polizei wahrscheinlich, dass militante G-8-Gegner für den Anschlag verantwortlich sind.

Die Tat ist der vorläufige Höhepunkt einer Serie, bei der seit 2004 rund ein Dutzend Autos oder Wohnhäuser von Spitzenmanagern und Politikern in der Hansestadt zur Zielscheibe wurden. Erst am Freitag hatten Unbekannte das Haus des Vorstandsvorsitzenden der Lufthansa-Technik, August Wilhelm Henningsen, mit Farbbeuteln angegriffen. Anfang vergangener Woche bewarfen militante G8-Gegner das Luxushotel „Louis C. Jacob“ in Blankenese mit Farbe und Steinen. Zu der Tat bekannte sich später eine linksautonome Gruppe mit dem Namen „Gipfelstürmer“. Vermutlich gehen die Anschläge auf das Konto unterschiedlicher, äußerst konspirativ operierender Kleinstgruppen, doch das Vorgehen ist immer dasselbe: Die militanten G-8-Gegner schlagen nachts im Schutze der Dunkelheit irgendwo in Hamburg zu und sind längst verschwunden, bevor die Polizei vor Ort ist.

Taten sind durch nichts zu rechtfertigen

Mittlerweile entwickelt sich die Serie in der Hansestadt zum Politikum. „Derartige Taten sind durch nichts zu rechtfertigen“, sagte Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust. Man werde nicht hinnehmen, „dass Gewalt in unserer Stadt als Mittel zur Einschüchterung eingesetzt werden soll“. Misslich ist allerdings, dass es der Polizei bisher nicht gelungen ist, auch nur einen der Anschläge aufzuklären oder Tatverdächtige zu fassen. Zwar durchsuchten die Sicherheitsbehörden auf Veranlassung der Generalbundesanwältin vor zwei Wochen das linksautonome Stadtteilzentrum „Rote Flora“, das als Treffpunkt und Symbol der G8-Gegner in der Hansestadt geht. Einen konkreten Ermittlungserfolg oder gar Festnahmen gab es bislang aber nicht zu vermelden. „Hamburgs Sicherheit liegt nicht in guten Händen“, kritisiert deshalb der SPD-Fraktionschef in der Hamburgischen Bürgerschaft, Michael Neumann. Außer „wohlfeilen Worten“ falle dem Bürgermeister nichts zu der Anschlagsserie ein.

Dabei stehen der Hansestadt die „heißen Tage“ erst noch bevor. 2500 Polizisten halten sich bereit, um das Gipfeltreffen europäischer und asiatischer Außenminister (Asem) und ihrer Delegationen zu schützen, das am Montag im noblen Hotel „Atlantic“ an der Alster beginnt. Die linksautonome Szene will das Treffen zu einer Art Probelauf für den Widerstand gegen den G8-Gipfel nutzen. Im Internet laufen die Vorbereitungen. Zu einer Großdemonstration am Montag werden bis zu 5000 Globalisierungsgegner erwartet, von denen einige nach Einschätzung der Polizei gewaltbereit sind. Verfassungsschutzchef Heinz Fromm warnte, es gebe massive Drohungen in Bezug auf den Asem-Gipfel.
Die Globalisierungsgegner selbst luden zu einer Pressekonferenz ausgerechnet in die „Rote Flora“, die vor zwei Wochen von einem Großaufgebot der Polizei durchsucht worden war. Die Journalisten mussten am Eingang eine strenge Einlasskontrolle über sich ergehen lassen. Andreas Blechschmidt, Organisator der Demonstration während des Asem-Gipfels, kündigte massive Protestaktionen an. Man sei sich sicher, 10.000 Demonstranten auf die Straße zu bringen, erklärte er.

Im Anschluss an das Treffen solle sich der Protest dagegen auf Mecklenburg-Vorpommern konzentrieren. „Wir fordern dazu auf, nach Heiligendamm zu fahren“, sagte Blechschmidt. Die Aktivisten zeigten sich überzeugt, dass die Razzia zu einer Solidarisierung innerhalb der Szene führen werde. „Die Bundesanwaltschaft hat nichts in der Hand und sie weiß das“, sagte Szene-Rechtsanwalt Andreas Beuth. Zu den jüngsten Anschlägen in der Hansestadt wollten die Globalisierungsgegner keine Stellung nehmen. Die Frage der Gewalt werde man nicht thematisieren, hieß es. Nachfragen waren nicht zugelassen.

Von Insa Gall und Florian Hanauer, 22. Mai 2007, 17:17 Uhr