Die Gipfelstürmer sammeln sich

taz Nord
Globalisierungskritiker haben gestern die bundesweiten Razzien in der linken Szene scharf kritisiert und die Einstellung aller Ermittlungen gefordert. "Die Aktion diente nur dem Ausspähen der linken Szene und ihrer Strukturen", so ihr Vorwurf

VON KAI VON APPEN

Die Globalisierungskritiker machen im Norden nach den Polizeirazzien weiter mobil: "Der Versuch der Einschüchterung ist fehlgeschlagen", sagt Wilma Ludwig vom autonomen Hamburger Stadtteilzentrum Rote Flora: "Die Mobilisierung läuft auf vollen Touren." Die Razzia der Bundesanwaltschaft (BAW) vor zwei Wochen habe einen Solidarisierungseffekt ausgelöst. Für die Anti-Globalisierungsdemo am Pfingstmontag gegen den Asem-Gipfel erwarten selbst die Sicherheitsbehörden der Elbmetropole 10.000 Teilnehmer.

Im Konzertsaal der Roten Flora drängelten sich gestern Dutzende Journalisten, als die Anti-Globalisierungsgruppen ihr Protestprogramm zum G 8-Gipfel und das Asia-Europe-Meeting (Asem) vorstellen. "Kein Friede den herrschenden Verhältnissen - eine Welt erkämpfen, in der der Mensch im Mittelpunkt von Denken & Handeln steht", prangt von einem Transparent hinter dem Podium: "Autonome in Bewegung. G 8 und Asem angreifen".

Bereits heute werde "die erste europäische Karawane aus den Niederlanden und Belgien in Hamburg erwartet", berichtet Florian Schwartz vom Anti-Globalisierungs-Netzwerk Dissent, morgen soll die Karawane aus Skandinavien eintreffen. Jede der insgesamt vier Karawanen werde sich einem bestimmten Themenschwerpunkt widmen.

Das Convergence Center öffnet wie geplant am kommenden Freitag seine Türen in der Roten Flora, sagt Mitorganisatorin Lotte Leben. Die bei der Razzia beschlagnahmten Kommunikationsgeräte seien durch Spenden wieder "aufgefüllt" worden. "Das Convergence Center wird jetzt erst recht stattfinden," sagt sie. Es diene nach dem Vorbild der Gipfel-Proteste von Seattle und Genua anreisenden AktivistInnen als internationale Anlaufstelle und "zur Vernetzung von Kreativität und Widerstand". In dem Center sollen Veranstaltungen und Workshops abgehalten werden und Tipps und Informationen zur Infrastruktur zu erhalten sein.

Mit der geplanten Demonstration zum Asem-Gipfel am Pfingstmontag muss sich womöglich das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe befassen. Die Polizei will den Protestmarsch nicht zum Rathaus ziehen lassen, wo 43 Außenminister aus Asien und Europa zwei Tage lang tagen. "Politischer Protest ist nicht erwünscht", berichtet Demoanmelder Andreas Blechschmidt über die Verhandlungen. Diese sind nach den Vorgaben des Verfassungsgerichts vorgeschrieben, jedoch ist die Polizei nicht zur echten Kooperation verpflichtet. "Der Protest gehört in die Nähe des Rathauses, dort wo die Politiker tagen", sagt Blechschmidt. Gegen ein City-Demo-Verbot werden die Veranstalter nun gerichtlich vorgehen", kündigte er an, "notfalls durch alle Instanzen".

Unteressen haben Betroffene der Razzia vor zwei Wochen die Aktion erneut scharf verurteilt, die Einstellungen der Verfahren gegen die 18 Beschuldigten und die Herausgabe der beschlagnahmten Gegenstände gefordert. "Die Aktion diente nur dem Ausspähen der linken Szene und ihrer Strukturen", kritisierte der Hamburger Rechtsanwalt Andreas Beuth. Inzwischen hat die BAW auch zugeben, dass die 40 Hausdurchsuchungen mit der Allzweckwaffe des Paragrafen 129a StGB ("Bildung einer terroristischen Vereinigung") nicht der Verhinderung von Anschlägen dienten, sondern der Ausforschung der Strukturen der G 8-Kritiker. "In ihrer unbegrenzten Phantasie konstruiert die Bundesanwaltschaft einfach eine angebliche terroristische Organisation", kritisiert Beuth. Danach würden Alt-Autonome, die vor 18 Jahren beim Weltwirtschafts-Gipfel Anschläge in Hamburg und Berlin verübt hätten, Jung-Autonome "rekrutieren", um eine "militante Kampagne aufzubauen und G 8-Gipfel zu stören und zu verhindern". Dieses "abstruse Konstrukt zeugt von völliger Unkenntnis der autonomen Szene", lästert Beuth. "Die Bundesanwaltschaft hat nichts in der Hand."

Indes glaubt Hamburgs Innensenator Udo Nagel (parteilos) noch immer, dass die Razzien ein voller Erfolg waren. Eine These, die er morgen vor dem Innenausschuss der Bürgerschaft belegen muss. Die Marschrichtung für die 2.500 zum Einsatz am Pfingstmontag vorgesehen Polizisten stellte er bereits klar: "Null Toleranz".

taz Nord Nr. 8281 vom 23.5.2007, Seite 21, 142 TAZ-Bericht KAI VON APPEN