Rechte schlagen öfter zu Innensenator stellt Verfassungsschutzbericht vor und fordert ein Verbot der NPD

Berliner Zeitung, 23. Mai 2007

Christine Richter

Die Zahl der Rechtsextremisten in Berlin ist zwar erneut gesunken, doch die von ihnen begangenen Straftaten haben deutlich um 23 Prozent zugenommen. Dies geht aus dem Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2006 hervor, den Innensenator Ehrhart Körting (SPD) gestern vorstellte. Der Senator sprach sich erneut für ein Verbot der NPD aus, die in Berlin seit der letzten Wahl in vier Bezirksverordnetenversammlungen vertreten ist.

Die NPD sei der klare Gewinner der "Volksfront von rechts", sagte die Abteilungsleiterin Verfassungsschutz in der Senatsinnenverwaltung, Claudia Schmid. Während die Zahl der Rechtsextremisten insgesamt in Berlin sank, ist die NPD gewachsen. Sie hat in Berlin nun 220 Mitglieder - 30 mehr als ein Jahr zuvor. Die NPD breite sich gezielt im Westteil Berlins aus und habe dort drei neue Kreisverbände gegründet, so Schmid. Daneben gehe der Trend zu autonomen rechtsextremen Kleingruppen. Schwerpunkt dieser Neonazi-Gruppen sei der Weitling-Kiez in Lichtenberg.

Innensenator Körting betonte, die Zahl von 110 von Rechts verübten Gewalttaten sei zwar nicht sehr hoch, aber diese Taten seien "besonders heimtückisch", da sie "aus dem Nichts" begangen worden seien. Diese Entwicklung mache ihm Sorge, so Körting.

Vom Verfassungsschutz beobachtet wird auch die linksextremistische Szene in Berlin, die seit seit zwei Jahren gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm mobilisiert. Die Zahl der Linksextremisten ist leicht auf 2 230 Personen gesunken. Die Szene sei untereinander zerstritten und überaltert, sagte Claudia Schmid. Von den Linksextremisten wurden 729 Straftaten verübt, darunter 157 Gewalttaten. Dies entspricht dem Niveau des Vorjahres.

Im Ausländerterrorismus gibt es laut Körting eine "latente abstrakte Bedrohung". Er geht davon aus, dass dies so bleiben wird: "Der islamistische Terrorismus wird uns in den nächsten Jahrzehnten begleiten." Körting warnte in diesem Zusammenhang aber vor überzogenen Sicherheitsmaßnahmen. "Für ein Butterbrot" sollten die Grundrechte nicht geändert werden, sagte der Innensenator. Jedes Vorhaben wie die geplanten Online-Durchsuchungen oder der geforderte Einsatz der Bundeswehr gegen Terroristen im Inland müssten auf ihre Wirksamkeit hinterfragt werden. "Placebos auf Kosten von Bürgerrechten bringen nichts", sagte Körting.

Nach Angaben des Verfassungsschutzes unterstützen 1,1 Prozent der in Berlin lebenden Ausländer extremistische Organisationen. Dies entspricht 5 050 Personen. Als gewaltbereit werden 1 530 Personen eingeschätzt. Die Straftaten im Bereich Ausländerextremismus haben deutlich von 80 auf 189 zugenommen, die Gewalttaten stiegen von neun auf 28.

Ob die Scientology-Organisation künftig wieder vom Verfassungsschutz überwacht wird, steht noch nicht fest. Körting will dazu in Kürze einen Bericht vorlegen. Seit 2003 werden die Scientologen in Berlin von den Verfassungsschützern nicht mehr beobachtet. Seite 20
Berliner Zeitung, 23.05.2007