Putin höhnt über G8-Demo-Verbot

Berliner Zeitung 19. Mai 2007

Gipfel an der Wolga: Russlands Präsident vergleicht Vorgehen gegen Oppositionelle in Moskau mit Razzien in Deutschland / Kanzlerin Merkel betont Recht auf Demonstrationsfreiheit

Damir Fras

BERLIN/SAMARA. Russland und die EU haben sich bei ihrem Gipfeltreffen in Samara an der Wolga offen über Demokratiedefizite und den Umgang mit Oppositionellen gestritten. EU-Ratspräsidentin Angela Merkel und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso kritisierten auf einer Pressekonferenz mit Präsident Wladimir Putin das harte Vorgehen gegen Oppositionelle.

Verweis auf Guantanamo

Putin wies die Kritik scharf zurück und verwies auf die Festnahme von Globalisierungsgegnern vor dem G-8-Gipfel in Heiligendamm. “In Hamburg wurden 146 Menschen festgenommen, bei uns wollten lediglich 200 demonstrieren”, sagte er. In Moskau waren wenige Stunden zuvor der Ex-Schachweltmeister Garri Kasparow und andere Oppositionelle auf dem Flughafen festgesetzt und so an Protesten in Samara gehindert worden. Kein Land der Welt, und auch nicht die EU, sei eine “lupenreine Demokratie”, sagte der Präsident auf die Frage eines Journalisten, ob er ein “lupenreiner Demokrat” sei. So hatte Altkanzler Gerhard Schröder Putin einmal bezeichnet. Was Zweifel an der Partnerschaft zwischen der EU und Russland angehe, so wolle auch niemand in Europa die Partnerschaft mit den USA in Frage stellen, obwohl es dort die Probleme Guantanamo und Todesstrafe gebe, sagte Putin

Kanzlerin Merkel sagte, sie habe jedes Verständnis für die Festnahme von Gewalttätern. “Aber wenn jemand nichts gemacht hat, sondern nur auf dem Weg zu einer Demonstration ist, ist das aus meiner Sicht nochmal eine andere Sache”, fügte sie hinzu. Merkel, die zurzeit den G8-Vorsitz inne hat, versicherte, zum Gipfel der sieben führenden Industrieländer und Russlands im Juni in Heiligendamm dürfe sichtbar und friedlich demonstriert werden. Die Razzien gegen Globalisierungsgegner in Berlin und Hamburg seien das Ergebnis von Ermittlungen nach Brandanschlägen gewesen.

Die globalisierungskritische Attac kritisierte das Demonstrationsverbot für Heiligendamm. Der abgeschirmte Gipfel treibe in Richtung “russische Verhältnisse”, sagte Attac-Vertreter Peter Wahl. Die Organisatoren eines Sternmarsches am 7. Juni reichten beim Schweriner Verwaltungsgericht einen Eilantrag gegen das Demonstrationsverbot rund um den Sicherheitszaun ein. Der Russland-Beauftragte der Bundesregierung, Andreas Schockenhoff, rügte Putin in deutlicher Form. “Putins Worte sind ein ziemlicher Hammer”, sagte der CDU-Politiker der Berliner Zeitung. Putin habe sich an ein altes Strickmuster gehalten: “Die Russen versuchen immer, irgendwelche Gegenbeispiele zu bringen. Als wir kritisiert haben, dass es bei den Regionalwahlen Unregelmäßigkeiten gegeben hat, ist uns geantwortet worden: Die gab es bei den Präsidentschaftswahlen in den USA auch.” Man könne aber das Vorgehen der Behörden in Russland nicht mit dem in Deutschland vergleichen, sagte Schockenhoff. (mit Reuters)

Berliner Zeitung, 19.05.2007

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