Wie militant ist der Widerstand?

Hannoversche Allgemeine 18. Mai 2007

Die linke Szene ist geschlossen gegen den G-8-Gipfel. Nur in der Art des Protests ist man sich uneins.

Vor dem Treffen der G8 in Heiligendamm wehren sich die hannoverschen Gipfelgegner gegen den Vorwurf der Krawallmacherei. In Protestschreiben gegen Razzien und Demonstrationsverbote ist von der „Kriminalisierung des Widerstands“ die Rede, von der Verletzung der Grundrechte durch die Sicherheitsorgane, von Stimmungsmache in den Medien. Schließlich, so der Tenor, habe man Anfang Juni in Heiligendamm nichts anderes vor, als „zivilen Ungehorsam“ zu üben – selbstverständlich im Rahmen des Erlaubten.

Doch seit der durch die Bundesanwaltschaft angeordneten bundesweiten Großrazzia schwebt die Frage nach der Militanz der Antiglobalisierer über der Protestbewegung und lässt auch die friedlichen Gipfelgegner fürchten, in die Ecke der Randalierer gestellt zu werden. Etwa diejenigen, die sich an den Protesten des sogenannten Blocks G8 beteiligen. Dabei sei der mitnichten militant, heißt es in einem Schreiben des Unabhängigen Jugendzentrums Kornstraße, das viele als Kernzelle der hannoverschen autonomen Szene sehen. Seien im Block G8 doch „so anerkannte militante Randalegruppen wie der Bundesvorstand der Grünen Jugend, die Bundesleitung der BUND-Jugend, diverse Gewerkschaftsgruppen, Attac-Gruppen und nicht zuletzt die Gewalttäter von Pax Christi zu finden“, so die ironische Begründung.

Im Internet ruft der Block G8 zu „Aktionen zivilen Ungehorsams“ auf, etwa Sitzblockaden auf den Zufahrtsstraßen in Heiligendamm. Seit Monaten üben verschiedene Gruppen diese Art des Protests. Das allein mache den Linken aber noch nicht zum Autonomen, sagt Frank Lochter, Leiter des Fachkommissariats Links- und Rechtsextremismus der hannoverschen Polizei. „Wenn jemand so etwas übt, heißt das noch nicht, dass er Linksextremist ist.“

Dem harten Kern der hannoverschen linken Szene rechnet die Polizei rund 180 Personen zu, ein Drittel davon ist nach Einschätzung der Beamten gewaltbereit. „Gewalttaten gehen allerdings immer von Einzelpersonen aus, werden selten unter dem Namen einer bestimmten Gruppe verübt“, sagt Lochter. Auch die Sprecherin eines militanten Anti-G8-Netzwerks aus Hannover warnt davor, von einer übergreifenden Planung auszugehen. „Aktionen werden dezentral vorbereitet“, sagt sie. „Inwieweit sie gewalttätig sind, entscheidet jede Gruppe selbst.“ Aber: „Die meisten Gruppen von Attac bis zu den autonomen Gruppen arbeiten zusammen – zum Beispiel am Runden Tisch gegen den G-8-Gipfel, wo der Protest koordiniert wird.“ So wollen Gemäßigte und Autonome am Sonnabend gemeinsam in der Innenstadt gegen die „Kriminalisierung des Protestes“ demonstrieren.

Dass viele der Protestpläne für Heiligendamm im Jugendzentrum Kornstraße geschmiedet werden, ist für Experten unstrittig. Kaum eine Rolle spielen dagegen noch ehemalige Fixpunkte der autonomen Szene wie die Heisenstraße oder das Sprengelgelände. Die Polizei zählt im Stadtgebiet 25 Gruppen, die sich regelmäßig treffen und Aktionen planen, etwa ein halbes Dutzend davon in der Kornstraße. Anlass, „dort einmal hineinzugehen“, habe die Polizei jedoch lange nicht gehabt, sagt Lochter – diskutieren sei schließlich nicht verboten.

Unterdessen hat die hannoversche Polizei geprüft, welche Mitglieder der Szene für die von Bundesinnenminister Schäuble angedachte „Vorbeugehaft“ infrage kommen. „Bisher haben wir keine Person ermittelt“, sagt Lochter. Auch die Auflage, sich während des Gipfels bei den Behörden zu melden, sei noch nicht ergangen. Das könne sich jedoch noch ändern. Das niedersächsische Innenministerium wiederum teilte mit, die Polizei statte gewalttätigen Globalisierungsgegnern Hausbesuche ab, um sie vor der Fahrt nach Heiligendamm zu warnen, eine Maßnahme, deren Effekt unter Experten umstritten ist. Niedersachsenweit habe man eine „zweistellige Zahl“ von Besuchen gemacht, sagte ein Ministeriumssprecher. In Hannover hat die Polizei jedoch „bisher davon abgesehen“.

Von Felix Harbart