G8-Kritiker klagen gegen Demo-Verbot

Frankfurter Rundschau 17. Mai 2007

Die von der Polizei verfügte bis zu zehn Kilometer breite Bannmeile rund um den G8-Gipfelort Heiligendamm hat teils heftige Reaktionen hervorgerufen. Protestgruppen, Bürgerrechtler sowie Politiker von SPD, Grünen, FDP und Linkspartei rügten die Einschränkung des Demonstrationsrechts.

Frankfurt a. M. - Die Gipfelgegner kündigten gerichtliche Klagen gegen das Demonstrationsverbot an. Das Bundesinnenministerium verteidigte dagegen die Maßnahme. “Wir haben als Gastgeber die Pflicht, alles zu tun, um unsere Gäste zu schützen”, sagte Staatssekretär August Hanning.

Die Verfügung wurde von der Polizei erlassen, um einen “störungsfreien Ablauf” des Gipfels zu garantieren. Deshalb gilt nun ein generelles Demonstrationsverbot vom 30. Mai bis zum Ende des Gipfels am 8. Juni in einer 200-Meter-Zone vor dem Sicherheitszaun um das Ostseebad. Innerhalb eines fünf bis zehn Kilometer breiten Gürtels rund um Heiligendamm sind zudem unangemeldete Proteste verboten. Vom 2. bis 8. Juni wird auch der Flughafen Rostock-Laage einbezogen, auf dem die Flugzeuge mit den G8-Staats- und Regierungschefs landen und starten. Zehn bereits angemeldete Demonstrationen wurden dagegen genehmigt, insgesamt wurden 60 öffentliche Veranstaltungen angemeldet.

Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Ulla Jelpke, nannte die Verfügung eine “undemokratische Willkürhandlung”. Der Grünen-Innenpolitiker Wolfgang Wieland betonte, derartige Demonstrationsverbote zeitlich und räumlich weit vom Ereignis entfernt gingen “buchstäblich zu weit”.

Dieter Wiefelspütz, innenpolitischer Sprecher der SPD, sagte, grundsätzlich dürfe nicht in Zweifel gezogen werden, dass man in Deutschland friedlich und ohne Waffen gegen den G8-Gipfel demonstrieren darf. “Es müssen schon sehr gute Gründe vorliegen, um ein Demonstrationsverbot zu begründen.” Der FDP-Innenexperte Max Stadler betonte, ein so umfassendes Verbot “dürfte doch wohl kaum mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes in Einklang stehen”.

Von einer “bewusst rechtswidrigen Einschränkung der Grundrechte” spricht Monty Schädel, Mitorganisator der bereits genehmigten Anti-G8-Großdemonstration am 2. Juni in Rostock. “Da fragt man sich schon, wie ernst die Polizei die Demokratie nimmt”, sagte Schädel der FR. Zwei große Protestaktionen, der Sternmarsch nach Heiligendamm und die Demonstrationen am Flughafen Rostock-Laage, seien nun “blockiert”. Die G8-Gegner fühlten sich von der Polizei “getäuscht”, sagte Schädel, denn die habe im Vorfeld immer wieder dementiert, dass es umfangreiche Demonstrationsverbote geben werde. “Die Polizei hat uns lange hingehalten.”

Elke Steven vom Komitee für Grundrechte und Demokratie sagte der FR, dass das Versammlungsrecht von den Behörden anscheinend “als Gefahr” betrachtet werde. “Die Proteste sollen weit entfernt von dem Ort bleiben, auf den die Aufmerksamkeit gerichtet ist.” Das sei keine demokratische Umgangsweise. “Der Schaden für das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland geht nicht von den Demonstranten aus, sondern von einem rabiaten Umgang mit Grundrechten.”

Attac-Sprecherin Frauke Distelrath sagte der FR, dem Verbot liege “ein von Paranoia geprägter Sicherheitsbegriff” zugrunde. In der bereits aufgeheizten Atmosphäre nach den Polizei-Razzien wirke das Demonstrationsverbot “verschärfend”.

Heiner Geißler tritt bei Attac ein

Attac bekommt prominente Unterstützung: Der frühere CDU-Generalsekretär Heiner Geißler wurde Mitglied der globalisierungskritischen Organisation. “Attac ist ein Netzwerk, das richtige Ziele vertritt”, sagte Geißler im Deutschlandradio Kultur. Mit Blick auf den G8-Gipfel in Heiligendamm forderte er, jetzt müssten diejenigen gestärkt werden, “die für friedliche Demonstrationen sind und die ein klares Nein sagen zur Gewaltanwendung”. Hans-Hermann Kotte

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