G8-Gipfel - die Stunde der Sicherheitsfanatiker

Financial Times Deutschland 16. Mai 2007
von Kai Beller
Der G8-Gipfel in Heiligendamm wird zur Leistungsschau der deutschen Sicherheitskräfte. Das Versammlungsverbot am Sicherheitszaun ist der Höhepunkt eines absurden Wettlaufs. Jetzt fehlt nur noch das Verbot des Gipfels, dann passiert garantiert nichts.

Allmählich muss man sich fragen, ob es das wirklich wert ist. Da treffen sich im beschaulichen Ostseebad Heiligendamm die mächtigsten Frauen und Männer dieser Welt, um über die ganz großen Probleme der Erde zu beraten. Die Staats- und Regierungschefs der großen Demokratien sitzen dort am Tisch – Vertreter offener Gesellschaften, die sich auch derbe und ungerechte Kritik gefallen lassen müssen.

Doch das Treffen findet auf einer Insel der Glückseligen statt. Aus Angst vor sämtlichen Eventualitäten – vielleicht mit Ausnahme eines Kometeneinschlags – wurde das Konferenzgelände hermetisch abgeriegelt. Aber weder ein Sicherheitszaun, der entfernt an die ehemalige innerdeutsche Grenze erinnert, noch eine groß angelegte Polizeiaktion gegen G8-Gegner reichen offenbar aus, um die Demonstranten einzuschüchtern.

Nun muss noch ein Versammlungsverbot am Sicherheitszaun her. Die Maßnahme trifft nicht nur das Häuflein der gewalttätigen Störer, sondern auch die Masse der friedlichen Demonstranten.

Die Begründung ist hanebüchen: Als Vorsorgemaßnahme gegen gewaltbereite Demonstranten rechtfertigt Innenstaatssekretär August Hanning das Verbot. Dabei hatte Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm die Befürchtungen vor gewaltsamen Auseinandersetzungen am Dienstag noch gedämpft. Wer hat nun recht?

Die Globalisierungsgegner dürfen sich freuen. Das Großaufgebot an Polizei und die Hysterie der Sicherheitspolitiker gibt ihrer schleppend angelaufenen Mobilmachung für den Gipfel Rückenwind. Die globalisierungskritische Organisation Attac meldet zudem Unterstützung von ungewohnter Seite: Ex-CDU-Generalsekretär Heiner Geißler erklärte seinen Eintritt. Er will damit das Recht auf gewaltfreie Demonstration unterstützen.