G-8-Gipfel: Polizei überwacht Problemkieze

Berliner Morgenpost 15. Mai 2007

Mehr Streifen in Friedrichshain, Kreuzberg und Prenzlauer Berg

Von Hans H. Nibbrig
Die zahlreichen Drohungen militanter Gruppen im Zusammenhang mit dem G-8-Gipfel im Ostseebad Heiligendamm haben auch die Berliner Polizei veranlasst, ihre Präsenz in den diversen “Problemkiezen” der Stadt zu verstärken. Vor allem in Friedrichshain, Kreuzberg und Prenzlauer Berg wurde in den Nachtstunden der Streifendienst verstärkt.

Außer den normalen Funkstreifen der örtlichen Abschnitte sind auch Gruppenstreifen der Direktionshundertschaften sowie der Bereitschaftspolizei in den Hochburgen der radikalen Linken unterwegs. Mit der verstärkten Präsenz reagiere man auch auf die zahlreichen Brandanschläge in den vergangenen Wochen, sagte ein Polizeiführer gestern.

Der bislang 40. Brandanschlag erfolgte in der Nacht zu gestern in einer Tiefgarage an der Reichenberger Straße in Kreuzberg. Unbekannte hatten dort gegen 4 Uhr einen Stapel mit Autoreifen und Holzbalken angezündet. Seit Anfang April waren regelmäßig Autos - zumeist Nobelkarossen - und Müllcontainer in Flammen aufgegangen. Vielfach hatte die Polizei an und in der Nähe der Tatorte Flugblätter mit einem Bezug zum G-8-Gipfel gefunden. Daher ermittelt in allen Fällen der Staatsschutz.

Erfolglose Großrazzia

Unterdessen zeichnet sich ab, dass die umfangreichen bundesweiten Durchsuchungsaktionen in der vergangenen Woche ohne nennenswerten Erfolg geblieben sind. Beamte des Bundeskriminalamtes hatten allein in Berlin und Brandenburg 18 Objekte und Wohnungen von tatsächlichen oder vermeintlichen Angehörigen der gewaltbereiten linksradikalen Szene durchsucht. Offiziell wollte sich die zuständige Bundesanwaltschaft wegen der laufenden Ermittlungen gestern nicht äußern. Intern hieß es allerdings, die Auswertung der sichergestellten Unterlagen und Computer-Dateien habe bislang nichts Konkretes ergeben.
Ein Ziel der polizeilichen Maßnahmen in der vergangenen Woche war das Künstlerhaus Bethanien in Kreuzberg. Dessen Geschäftsführer wies gestern darauf hin, dass die Durchsuchungen nicht dem Künstlerhaus insgesamt, sondern nur einer kleinen Gruppe von Hausbesetzern in einem Seitenflügel des Gebäudes gegolten hätten.

Die Polizeiaktionen der vergangenen Woche waren nicht nur von linken Gruppen und Parteien sondern auch in bürgerlichen Kreisen kritisiert worden. Auch Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) warnte vor einer pauschalen Kriminalisierung aller Gipfel-Gegner. Ein ranghoher Beamter des Bundeskriminalamtes (BKA) bestritt gestern jede Absicht, friedliche Gipfelgegner pauschal diskreditieren zu wollen. Er räumte allerdings ein, dass es angesichts der völlig zersplitterten und kaum überschaubaren linken Szene nicht ganz leicht sei, die notwendigen Maßnahmen ausschließlich und gezielt gegen amtsbekannte Gewalttäter zu richten.

Dieser Szene kommen die Polizeieinsätze offenbar gelegen. Sie erhofft sich einen Solidarisierungseffekt aus den Reihen friedlicher G-8-Gegner. Genüsslich nutzen die Radikalen jede Gelegenheit, Polizei und Justiz vorzuführen. Erst gestern verkündete das Berliner Autorenwerk “AG Grauwacke”, eines ihrer Mitglieder habe an seinem Pkw einen “dilettantisch angebrachten” Peilsender des BKA gefunden. Der Mann wird verdächtigt, zu gewaltsamen Protesten während des G-8-Gipfels aufgerufen zu haben. Das BKA wollte sich zu dem Fall gestern nicht äußern.

Aus der Berliner Morgenpost vom 15. Mai 2007