G8 - ein Gipfel der Gewalt?//Razzia gegen Linke

Merkur 11. Mai 2007

Einen Monat vor dem G8-Gipfel im Ostseebad Heiligendamm wächst die Nervosität. Nach Einschätzung deutscher Sicherheitsbehörden drohen Terroranschläge. Die Fahnder der Polizei konzentrieren sich auf militante Linksextremisten.

Berlin - Auf den Bekennerschreiben hinterließen die Täter jedes Mal einen anderen Namen, doch die Handschrift war immer dieselbe: Erst ging das Gebäude eines Golfclubs in Flammen auf, dann wurden 15 Fahrzeuge mehrerer Umzugsunternehmen beschädigt. Vier Wochen später traf es den Dienstwagen eines Top-Managers, in einer anderen Nacht zerschellte ein Molotow-Cocktail am Institut für Wirtschaftsforschung.

„AG Herz-Infarkt”, „Revolution Crew” und „Unheilige Allianz Dammbruch” nennen sich die Absender der Bekennerbriefe. Der Wortlaut erinnert an den Duktus der RAF, wenn vom Kampf gegen das „kapitalistische Milieu” die Rede ist. Für die Bundesanwaltschaft ist die Sache klar: „Es besteht der Verdacht, dass sich eine terroristische Vereinigung gegründet hat, mit dem Ziel, den G8-Gipfel zu stören oder zu verhindern.”

Staatsschützer beobachten schon seit Monaten eine Mobilisierung und Militarisierung der linken Szene. Neben immer neuen Sponti-Initiativen hat sich auch eine „militante gruppe (mg)” etabliert, die allein für 25 Anschläge verantwortlich ist. Bislang richtete sich die Gewalt gegen Sachen.

Mit gezielten Angriffen auf Akteure der Globalisierung wollen Linke vor dem G8-Gipfel „auf das Thema aufmerksam machen und Entschlossenheit demonstrieren”, sagt der Chef des deutschen Verfassungsschutzes, Heinz Fromm. „Wir müssen uns darauf einstellen, dass derartige Aktionen hinsichtlich der Anzahl und der zeitlichen Taktung sogar noch zunehmen können.”

Am Mittwoch waren in mehreren Bundesländern 900 Polizisten im Einsatz, um 40 Treffpunkte von Gegnern des G8-Gipfels zu durchsuchen. Obwohl sich der Terrorverdacht konkret gegen 20 Personen richtet 18 davon sind namentlich bekannt , gab es keine Festnahmen.

Noch am selben Abend demonstrierten bundesweit mehrere tausend Menschen gegen die Polizeiaktion, vereinzelt kam es dabei zu Ausschreitungen. Kritiker werfen Polizei und Justiz vor, sie hätten überreagiert und kaum belastbare Beweise. Grünen-Chefin Claudia Roth nennt es „einen richtigen Hammer, Gegner des G8-Gipfels oder globalisierungskritische Menschen in die Terrorismusecke zu stellen”. Immerhin beteiligten sich an den geplanten Protesten auch kirchliche Gruppen, Umweltverbände und die Grünen.

Auch der Vorsitzende der deutschen Innenminister-Konferenz, Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD), warnt vor einer Kriminalisierung der Globalisierungsgegner: „Demonstrationen sind Teil unserer Demokratie. Man darf nicht die vielen Menschen, die Fragen stellen, und die wenigen, die kriminell sind, in einen Topf werfen.”

Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach und der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz verteidigen dagegen die Polizei-Aktion als notwendig. Egal ob von rechts oder von links, der Staat müsse gegen Extremismus vorgehen, betont Bosbach. Die rund 15 000 Gäste des G8-Gipfels hätten „einen Anspruch darauf, dass Deutschland alles tut, um ihre Sicherheit zu gewährleisten”.