Polizei richtet Gefangenensammelstellen ein

11. Mai 2007
WELT-online, von Martin Lutz

Die Behörden rüsten sich für das Gipfeltreffen in Heiligendamm: Sie rechnen mit Massenfestnahmen. Innenminister Schäuble will gewaltbereite Demonstranten auch vorbeugend festnehmen lassen. 16.000 Polizisten und 1100 Soldaten werden im Einsatz sein.

Die Polizei stellt sich auf Massenfestnahmen beim G-8-Gipfel im Ostseebad Heiligendamm ein. Dafür werden jetzt Gefangenensammelstellen etwa in Sporthallen und Kasernen hergerichtet. Bei Veranstaltungen dieser Größenordnung bestehe eine gesetzliche Pflicht für solche Sammelstellen, erklärte Sprecher Axel Falkenberg von der polizeilichen G-8-Sicherheitszentrale Kavala. Für schwere Fälle wollen die Behörden in den Justizvollzugsanstalten Bützow und Waldeck durch Verlegung freie Zellen schaffen. Beide Gefängnisse befinden sich in der Nähe des Tagungsortes.

Zum Schutz des G-8-Gipfels wollen das Land Mecklenburg-Vorpommern und Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) gewaltbereite Demonstranten auch vorbeugend in Polizeigewahrsam nehmen. „Die Polizeigesetze der Länder sehen den sogenannten Unterbindungsgewahrsam vor“, sagte Schäuble der „Bild“-Zeitung. Bei Hinweisen auf geplante Straftaten könnten Störer bis zu 14 Tage festgesetzt werden. Schäuble berief sich auf eine erhöhte Gefährdungslage. Sein Schweriner Kollege Lorenz Caffier (CDU) ergänzte, zur Sicherheit des Gipfels würden nach dem Vorbild der Fußball-WM 2006 alle Möglichkeiten ausgeschöpft. In dem Bundesland sind gesetzlich maximal zehn Tage Gewahrsam zulässig.
Straftaten in beschleunigten Verfahren umgehend ahnden
Kanzleramtsminister Thomas de Maizière (CDU) bekräftigte Schäubles Vorhaben, notfalls das Schengen-Abkommen für freien Grenzverkehr vorübergehend auszusetzen und Einreisekontrollen anzuordnen. Bisher seien die Globalisierungsgegner bei der Mobilisierung ihrer Anhänger nicht besonders erfolgreich gewesen. Dies könnte jedoch dazu führen, dass manche Demonstranten militant würden. Landesinnenminister Caffier sagte, seine Behörden rechneten mit mehreren Zehntausend Gipfelgegnern und gewaltbereiten Demonstranten. Dagegen wolle die Polizei bis zu 16.000 Sicherheitskräfte auch aus anderen Bundesländern aufbieten. Straftaten sollten in beschleunigten Verfahren umgehend geahndet werden, damit eine abschreckende Wirkung erzielt werde: „Wir werden alles tun, damit wir einen friedlichen Gipfel haben.“
92 Millionen Euro Gesamtkosten
Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums kündigte zudem den Einsatz von 1100 Soldaten an. Die Bundeswehr werde den Gipfel von der Ostseeseite mit zwei Minenjagdbooten absichern, Quartiere zur Verfügung stellen und die medizinische Versorgung gewährleisten. Caffier stellte klar, dass es sich hier aber nicht um einen Einsatz im Innern handele, wie ihn Schäuble verlangt. Schäuble und de Maizière verteidigten die jüngsten Razzien in Zentren der linken Szene. „Ich habe nicht die geringsten Zweifel an der Angemessenheit und Seriosität der Ermittlungsmaßnahmen, die die Bundesanwaltschaft angeordnet hat“, sagte Schäuble.
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De Maizière unterstrich, die Razzien seien rechtmäßig gewesen: „Es handelt sich hier auch nicht um irgendeine Form von Einschüchterung.“ Die Mobilisierung der Gipfelgegner ist aus seiner Sicht bisher „eher enttäuschend“ verlaufen. „Ich bin nicht traurig über diese Information“, sagte er. Jedoch bestehe die Gefahr, dass manche aus Frust über die mangelnde Mobilisierung militanter werden könnten. Aus Sicht des globalisierungskritischen Bündnisses Attac hat sich die Mobilisierung für Proteste während des G-8-Gipfels hingegen nach der Großrazzia verbessert. „Ein Effekt dieser Polizeiaktion ist sicherlich, dass die Mobilisierung dadurch verbessert wird“, sagte Attac-Mitbegründer Peter Wahl. Von den auf 92 Millionen Euro geschätzten Gesamtkosten des Gipfels übernimmt der Bund de Maizière zufolge mindestens 28 Millionen Euro. 22,5 Millionen Euro gingen direkt an das Land Mecklenburg-Vorpommern, zusätzlich schlügen Sachleistungen wie unter anderem der Bundeswehreinsatz mit 5,5 Millionen Euro zu Buche.

Unterdessen ermittelt der Staatsschutz in Nordrhein-Westfalen in zwei Fällen. Bei einem Brandanschlag auf die Filiale einer amerikanischen Fast-Food-Kette im westfälischen Lübbecke am Freitag früh, der womöglich auf das Konto von G-8-Gegnern geht, entstand lediglich geringer Sachschaden. Auf das Pflaster eines angrenzenden Parkplatzes sprühten die unbekannten Täter Anti-G-8-Parolen. Die Täter hatten den Behörden zufolge an einem vergitterten Fenster der Hamburgerkette zwei Brandsätze angebracht, von denen jedoch nur einer zündete. Einen weiteren Zwischenfall meldete die Polizei aus Essen. Im Stadtteil Kettwig besprühten unbekannte Täter in der Nacht zum Freitag die Eingangstür einer Polizeiwache mit den Schriftzügen „Gute Nacht G8“ und „Köpi bleibt“.