Verdi will G8-Gipfel verschonen

Netzeitung 10. Mai 2007

Die Verbindungen der acht bedeutendsten Staatschefs von Heiligendamm nach Hause sind gesichert – nicht so die Zukunft von 50.000 Telekom-Mitarbeitern. Alle Kunden des Konzerns sollten ab Freitag mit Problemen rechnen.

Beim anstehenden Arbeitskampf bei der Deutschen Telekom will Verdi nach Aussagen ihres Streikleiters Ado Wilhelm den G8-Gipfel in Heiligendamm Anfang Juni nicht gezielt bestreiken. Allerdings könnten Telekom-Niederlassungen in der Region, die für das
Treffen die Infrastruktur aufbauen, punktuell vom Ausstand betroffen sein, sagte er am Donnerstag in Bonn. Hierdurch könnten sich bei der Einrichtung der Informations- und Telekommunikations- Infrastruktur für den Gipfel Verzögerungen ergeben.
Die Dienstleistungsgewerkschaft will den Konzern im Streit um den massiven Umbau der Strukturen mit einem Ausstand in die Knie zwingen: Privat- und Geschäftskunden des Konzerns müssen sich von diesem Freitag an auf Einschränkungen beim Service und bei der Beseitigung von Störungen einstellen, kündigte die Gewerkschaft an. In einer Urabstimmung hatten sich die Beschäftigten mit großer Mehrheit für einen Streik ausgesprochen. Telekom-Chef René Obermann rief Verdi auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren.

Kommt der Techniker – oder nicht?

Nach Gewerkschaftsangaben wird es in den kommenden Tagen unter anderem zu Verzögerungen bei der Auftragsbearbeitung kommen. «Es kann auch sein, dass der bestellte Techniker nicht kommt», sagte der Streikleiter Wilhelm der Wirtschaftsnachrichtenagentur dpa-AFX. «Klar ist, den Arbeitskampf werden die Kunden bemerken, auch wenn die Zahl der Streikenden von Tag zu Tag schwanken kann.» Zu einem «Totalausfall» werde es allerdings nicht kommen.

Mit dem Ausstand wehren sich die betroffenen Mitarbeiter gegen die umstrittene Auslagerung von 50.000 Arbeitsplätze in Service-Gesellschaften. Dort sollen sie für weniger Geld länger arbeiten. Verdi-Bundesvorstand Lothar Schröder sagte , die Gewerkschaft sei auf eine längere Auseinandersetzung vorbereitet: «Wir werden den Druck, den wir brauchen, jetzt entfalten», kündigte er an.

Verdi beklagt «Zumutung»

Zum Auftakt der Arbeitskampfmaßnahmen sollen 10.000 Telekom-Mitarbeiter vor allem in Nordrhein-Westfalen, Bayern, Hessen und Niedersachsen/Bremen ihre Arbeit niederlegen. Der Streik richte sich nicht gegen die Kunden, betonte Schröder, sondern gegen das Management. «Es ist eine Zumutung, dass die Beschäftigten neun Prozent weniger verdienen, auf drei Lohnrunden verzichten und länger arbeiten sollen». In fünf Verhandlungen hatten die Tarifparteien vergeblich versucht, eine Einigung über die geplante Auslagerung zu erzielen.

In der Urabstimmung sprachen sich 96,5 Prozent der Gewerkschafts- Mitglieder für einen Arbeitskampf bei der Telekom aus. Insgesamt waren gut 22.000 Tarifmitglieder zur Stimmabgabe aufgerufen. Damit steht der Telekom der größte Konflikt seit Privatisierung des Unternehmens vor zwölf Jahren bevor.

Wem nützt der Streik?

Vorstandschef Obermann rief die Gewerkschaft zum Einlenken auf: «Ein Streik nützt niemandem», sagte er bei der Vorlage der Quartalszahlen. Er bekräftigte zugleich, am geplanten Unternehmensumbau festhalten zu wollen. Statt kurzfristig auf die Wahrung von Besitzständen zu pochen, sollte Verdi gemeinsam mit dem Management langfristige Perspektiven für die Mitarbeiter und das Unternehmen erarbeiten, forderte er.

Auf den Streik werde das Unternehmen flexibel reagieren. Obermann erwartet, dass alle Dienstleistungen und Netze stabil laufen und die Grundversorgung nicht gestört werde. «Wir haben den Streik nicht gewollt, ein Streik schafft keine Arbeitsplätze, sagte Finanzvorstand Karl-Gerhard Eick, der als kommissarischer Personalchef die Verhandlungen mit Verdi geführt hatte. »Der Ball liegt jetzt im Spielfeld des Gegners«, meinte Eick.

900 Millionen Euro sparen

Die Gewerkschaft verlangt einen tariflichen Auslagerungsschutz. Die Telekom, die im Inlandsgeschäft immer stärker unter die Räder des Wettbewerbs gerät, muss dagegen Kosten sparen und will die Arbeitsbedingungen an den Wettbewerb angleichen. Durch die Auslagerung, die der Vorstand notfalls auch gegen den Willen der Gewerkschaft zum 1. Juli umsetzen will, sollen Kosten in einer Größenordnung von bis zu 900 Millionen Euro eingespart werden.

In Deutschland herrsche ein gnadenloser Preiskampf, umschrieb Obermann die Lage des Unternehmens in den ersten drei Monaten 2007. »Zu den eingeleiteten Reformschritten gibt es daher keine Alternative«, sagte er. Vor allem auf der Kostenseite müsse dieser Kurs fortgeführt werden. Nur so könne die Eigenständigkeit der Telekom erreicht und möglichst viele Arbeitsplätze erhalten werden, mahnte der Konzernchef.(nz/dpa/dpa-AFX)

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