»Ich hoffe, daß sich die Polizei unter Kontrolle behält«

junge welt 29. April 2007

Die Organisatoren der Proteste gegen den G-8-Gipfel haben bisher gemischte Erfahrungen mit den Behörden gemacht. Gespräch mit Monty Schädel

Monty Schädel ist Geschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft/Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG-VK) und Koordinator des Rostocker Bündnisses gegen den G-8-Gipfel

Bei einem brutalen Polizeieinsatz in Berlin gegen G-8-Gegner soll der verantwortliche Einsatzleiter am Wochenende erklärt haben: »G8? Sie werden sehen, das war erst der Anfang!« Ist diese Drohung ernst zu nehmen?

Ich denke schon, daß sie ernst zu nehmen ist. Ich hoffe zum einen, daß wir auf seiten der Demoorganisatoren alles im Griff haben – zum anderen, daß sich die Polizei unter Kontrolle behält.

Wie kooperativ sind denn die Beamten? Bei der Vorbereitung auf die G-8-Proteste stehen Sie doch im ständigen Kontakt mit der Polizei …

Das ist richtig – die Kooperationsbereitschaft hängt jedoch von den Anlässen ab. Wir haben bei der Demonstration am 2. Juni, dem großen internationalen Ereignis in Rostock, eine enorme Herausforderung zu bestehen. Dort funktioniert die Zusammenarbeit mit Polizei und anderen Behörden recht gut und kooperativ. Bei der Suche nach Camps zur Unterbringung der Demonstranten wird es schon schwieriger. Und schlimm wird es, wenn sich jemand die Absperrungen um das Tagungshotel aus der Nähe anschauen will: Zaunbesucher werden schnell kriminalisiert, da werden jetzt schon Platzverweise ausgesprochen.

Mit welcher Begründung? Man wird sich doch den Zaun noch anschauen dürfen …

Die Polizei vermutet offenbar, daß es dort zu Sabotageakten kommen kann.

Ganz offensichtlich versucht auch die Justiz, potentielle Demonstranten einzuschüchtern: Mecklenburg-Vorpommerns Justizministerin Uta-Maria Kuder (CDU) kündigte am Wochenende an, tatsächliche oder vermeintliche Straftäter von Schnellgerichten aburteilen zu lassen. In zwei Gefängnissen seien schon 50 Plätze für Demonstranten reserviert.

Dem steht gegenüber, daß der mecklenburg-vorpommersche Innenminister leugnet, daß es Schnellgerichte geben wird. Wir müssen leider befürchten, daß bei den Staatsanwaltschaften und Gerichten Sonderschichten gefahren werden.

Wir sind aber recht gut darauf vorbereitet, und zwar dadurch, daß der Republikanische Anwaltsverein und die Strafverteidigervereinigung uns rechtliche Unterstützung zugesichert haben. Das heißt: Denjenigen, die in Gefangenensammelstellen einsitzen oder die sonst Ärger mit der Polizei haben, bekommen an Ort und Stelle Rechtshilfe.

Wie wird das organisatorisch aussehen? Gibt es da lediglich eine Telefonnummer, die ein Demonstrant anrufen kann, der Probleme mit der Polizei hat, oder gibt es so etwas wie fliegende Anwalts-kommandos?

Es wird einen Ermittlungsausschuß geben, der telefonisch rund um die Uhr erreicht werden kann. Daneben organisieren wir ständige Ansprechpartner, die etwa an den Gefangenensammelstellen oder bei den Blockaden bereitstehen. Sie werden auch optisch erkennbar sein.

Ereignisse wie die G-8-Gipfel rufen auch in anderen Ländern Proteste hervor. Haben Sie einen Überblick über die geplante Teilnahme von Demonstranten aus dem Ausland?

Wir können zur Zeit absehen, daß in Polen, in Skandinavien und anderen Staaten kräftig mobilisiert wird. Es gibt auch Rückmeldungen aus Südosteuropa, aus Frankreich und aus Italien. Wie viele Demonstranten es letztlich sein werden, sehen wir am 2. Juni beziehungsweise in den darauffolgenden Tagen.

Es ist ein Kraftakt, die Proteste zu organisieren – wie viele Leute sind daran beteiligt, und wo klemmt es zur Zeit noch?

Bundesweit sind mehrere tausend beteiligt. Vor Ort grenzt es sich dann doch schon auf bis zu 50 ein, wobei nicht alle für den gesamten Protest, sondern viele eben für einzelne Bereiche zuständig sind. Meine Devise ist: Jeder ist wichtig – egal, ob er Kaffee kocht oder eine Rede vorbereitet.

Die DKP Berlin-Mitte lädt für Mittwoch, 2. Mai, 19 Uhr, zu einer Informationsverantaltung mit Monty Schädel ein. Ort: 10117 Berlin, Leipziger Straße 47 (Spittelkolonnaden)

Interview: Peter Wolter

30.04.2007 / Inland / Seite 8

http://www.jungewelt.de/2007/04-30/023.php