Zauber und Strategie

junge welt 29. April 2007

Team Knut auf Punkt 5: In Berlin wurde der G-8-Protest vorbereitet

Durchschlagender Präsenstationsmodus: Will Steve Jobs im Grunde seines Herzens Geld oder Leben?

Wie bei der Computerfirma Apple: Auf einer riesigen schwarzen Bühne doziert ein Mann in Jeans und schwarzem Hemd. Die monströse Powerpoint-Präsentation hinter ihm macht ihn zu einem Zwerg. Aber hier geht es nicht um Steve Jobs und die Leistungen des neuen iMacs, sondern um globale Kriege, Privatisierung, Armut, Widerstand. Am Samstag fand im Berliner Theater Hebbel am Ufer (HAU) eine Infoveranstaltung zum G-8-Gipfel statt. Die Gruppen »Antifaschistische Linke Berlin« und »Für eine linke Strömung« boten »15 Argumente dagegen«, obwohl die Zuhörer – postautonome Politprofis – nicht überzeugt werden mußten. »Statements, Visuals & Bar« waren versprochen. 15 Referenten absolvierten im 20-Minuten-Takt einen fast vierstündigen »Vortragsmarathon«.

Der Gipfel hilft, linke Themen zusammenzubringen. Akademiker und Journalisten brachten die Anwesenden auf den aktuellen Stand der Diskussion. Es ging um prekäre Beschäftigungsverhältnisse, neue Kriege, private Militärunternehmen, Antiprivatisierungskämpfe in Südafrika. Dazu kamen eher trockene Darstellungen der G8 als Institution im globalen Kapitalismus. Philosophiert wurde über die Möglichkeiten linker Politik in Zeiten, in denen auch die Herrschenden über Armut und Schulden in der »dritten Welt« reden.

Keine Diskussionsrunden, keine Pausen – so sollten die Leute aus dem Theater ins Foyer getrieben werden, in den »sozialen Raum«, wie Astrid Schmidt von den Veranstaltern es ausdrückte, »ein Ort zum Kommunizieren und zum Vernetzen«. Hier liefen Videos vom Filmfestival »globale 07« (9.–16. Mai in Berlin). An den Wänden hingen schwer verständliche Agitationsplakate von Künstlern, im Rahmen des Projekts »Holy Damn It« gegen den G-8-Gipfel produziert.

Der Anti-G-8-Mobilisierung diente dieser »soziale Raum« im weitesten Sinne. Und so wurden auch letzte Absprachen für das »Warming up« am 1. Mai getroffen. Trotz aller ideologischen Affinitäten gab es eine tiefe Kluft: 14 Uhr Mayday-Parade oder 18 Uhr revolutionäre Demo? Beides ist in Berlin-Kreuzberg. Man muß sich also nicht unbedingt entscheiden.

Highlight des Abends – darin waren sich die Veranstalter einig – war ein Planspiel. Auf einen etwa zwei Meter breiten Tisch war die Karte der Gegend um Heiligendamm gezeichnet, einschließlich Satellitenaufnahmen von Rostock und Bad Doberan, einem Zäunchen rund um das Ostseebad und diversen Zeltchen für die Anti-G-8-Camps. Hunderte kleine Spielsteine repräsentierten Antifas, Gewerkschafter und das »Team Knut« (nach dem Einsatzleiter der Polizei benannt).

Die Regeln sind einfach: man zieht eine Aktionskarte, liest etwa »Bewegt möglichst viele DemonstrantInnen von den Punkten 1 bis 4 zu Punkt 5«; dann schiebt man wie ein kleiner General im Kommandozelt die Spielsteine hin und her. Das eigentliche Ziel ist klar: Aktivisten von außerhalb sollen einen Überblick über die Landschaft gewinnen. »Edd und Fredd« von der Gruppe »Queers Against G 8« präsentierten das Spiel an diesem Abend zum ersten Mal. Sie wollen es auch verleihen. Wenn die Pläne der Polizei oder der Protestgruppen sich ändern, wird es aktualisiert.

Rappelvoll war es im HAU nicht gerade. Draußen waren an diesem Aprilabend fast 30 Grad – wohl auch Schuld der G 8. Das war der Mobilisierung sicher nicht zuträglich. »Daß bei dem Wetter nur die Hartnäckigen kommen«, erklärte auch Dario Azzellini von FelS. Er hatte im wohl interessantesten Beitrag des Abends dargelegt, wie imperialistische Staaten zunehmend auf private »Sicherheitsfirmen« statt auf ihre Armeen zurückgreifen. Das betrifft Kriegslogistik, Verhöre und Gefängnisse, selbst Sondereinsätze.

Zwei Berliner Antifaschistinnen, Sylke und Lisa, fielen dadurch auf, daß sie mit 16 Jahren etwa halb so alt waren wie der Publikumsdurchschnitt. »Ich glaube nicht, daß alle Probleme, die hier besprochen werden, auf die G 8 zu reduzieren sind« meinte Lisa zur Themenauswahl – tatsächlich wurden die Verbindungen zwischen G 8, Frauenunterdrückung, Armut in Afrika usw. als selbstverständlich vorausgesetzt. Die beiden Mädchen fahren mit ihrer Jugendantifa-Gruppe nach Rostock zur internationalen Großdemo am 2. Juni. Sie hätten sich mehr praktische Infos und einfache Argumente gewünscht.

Aber eine Veranstaltung für linke Kids mit Bock auf Action war das keineswegs. Im HAU konnte man eher beobachten, wie älter werdende Linksradikale ihre Revolutionsvorstellungen für einen linksbürgerlichen Salon aufbereiten – kein Zufall, daß die Veranstaltungsreihe »salon global« heißt. Wenn man aus einem besetzten Haus auszieht, bei einem Zeitungsverlag oder im Professorenzimmer unterkommt, interessiert man sich mehr für Diskursanalyse als für Militanz.

Auf dem Reader-Titel zur Veranstaltung wird ein Hase aus einem Zylinder gezogen. Was will uns dieses Motiv sagen? Daß wir Argumente gegen die G8 aus dem Hut zaubern sollen? Daß der Diskurs der G 8 über Armutsbekämpfung Illusion ist? Jedenfalls sollten bis zur Großdemonstration in den fünf Wochen noch ein paar zehntausend Demonstranten aus dem kollektiven Ärmel gezogen werden.

Von Wladek Flakin
30.04.2007 / Feuilleton / Seite 13

http://www.jungewelt.de/2007/04-30/008.php