Keine Gewalt ist auch keine Lösung

ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis/Nr. 516

Ein Streitgespräch zur Legitimität von Aktionsformen und der Notwendigkeit von Solidarität

Früher oder später hätte die sogenannte Gewaltdebatte alle Beteiligten der G8-Mobilisierung eingeholt. So weit, so klar. Konkreter Auslöser für die nun tatsächlich stattfindende Debatte, ...

... die inzwischen einige Stellungnahmen, offene Briefe und Entschuldigungen provoziert hat, waren Interviewäußerungen von einigen attac-FunktionärInnen. Wichtig in einer solchen Situation ist, dass der politische Streit, der auf einer solidarischen Grundlage geführt wird, nicht abbricht bzw. ernsthaft beginnt. Vor diesem Hintergrund diskutieren Michaela Elbert, die im Dissent!-Netzwerk aktiv ist, Werner Rätz von attac und Christoph Kleine von Avanti.

ak: Befindet sich die radikale Linke nicht in einem unauflösbaren Dilemma? Auf der einen Seite führen öffentliche Stellungnahmen zu Gewalt meist zu Distanzierungen. Auf der anderen Seite hat der Versuch, öffentliche Stellungnahmen zu vermeiden, den Effekt, dass eigene linke Maßstäbe verloren gehen, weil sie nicht in der Debatte bleiben. Ist dieses Dilemma auflösbar?

Werner Rätz: Was auf alle Fälle unsinnig ist, ist eine Grundsatzdebatte um Aktionsformen. Erstens gibt es keine grundsätzlich "guten" oder "schlechten" Aktionsformen, sondern es kommt darauf an, was im konkreten Fall angemessen erscheint. Zweitens gibt es in der gesamten Breite des Protestspektrums höchst unterschiedliche Vorstellungen davon, welche Aktionen man mittragen mag und welche nicht. Es kann also sinnvoll immer nur über die je konkrete Aktion gesprochen werden - und darüber muss dann aber auch gesprochen werden.

Die Formel "Akzeptanz unterschiedlicher Aktionsformen" löst das Problem nämlich für alle diejenigen nicht, die ihrerseits grundsätzliche Haltungen in dieser Frage haben. PazifistInnen können Militanz nicht einfach akzeptieren und wer in der Militanz ein Element von Bruch und Radikalität sieht, kann nicht immer auf sie verzichten. Eine öffentliche Debatte produziert so ganz leicht Rituale, und Schweigen überlässt es Dritten, was wahrgenommen wird.

Ich glaube, dass die Schwierigkeit darin besteht, dass hier mehrere Aspekte miteinander verwoben sind und getrennt werden müssten. Das eine ist die eigene politische Identität, die Grundsatzüberzeugung, die zumindest manche mit der Gewaltfrage verbinden. Da wäre es wichtig, Formen zu finden, wie man für die eigene Position werben kann, ohne andere abzuwerten. Das zweite ist, dass die Frage nach der Gewalt dann, wenn sie von außen an die Bewegung gereichtet wird, meist auf etwas ganz anderes zielt, nämlich darauf, auf welcher Seite du stehst. Wenn Politik oder Medien "Gewalt" thematisieren, dann wollen sie, dass du erklärst, du hättest mit ihnen ja doch mehr gemeinsam als mit irgendwelchen "Chaoten". Das muss unbedingt verweigert werden. Und drittens geht es darum, dass die eigenen Leute, die Menschen, die dir politisch vertrauen und die zu Aktionen hinkommen, weil du aufrufst, wissen wollen, was sie erwartet. Deshalb sind konkrete Absprachen nötig und die muss man auch deutlich und unmissverständlich öffentlich machen.

Michaela Elbert: Das in der Frage angesprochene Dilemma wäre lösbar, wenn es nicht zu Distanzierungen käme. Insofern ist es sehr bedauerlich, dass nun attac-AktivistInnen die Verständigung, an der sie z.T. sogar beteiligt waren, nämlich das nebeneinander verschiedener Aktionsformen zu akzeptieren, jetzt ignorieren und sich um Distanzierungen bemühen - und das heutzutage, wo sich die sozialen und politischen Verhältnisse zuspitzen, aber Massenmilitanz oder gesprengte Karossen von Deutsche-Bank-Chefs der Vergangenheit angehören.

Attac war da mal fortschrittlicher. Werner Rätz hat es mal so ausgedrückt: "Alle, die sich gegen die Verhältnisse hier wehren, tun damit etwas Richtiges, von dem sich niemand distanzieren kann, der/die tatsächlich die herrschenden Verhältnisse in all ihrer mörderischen Wirklichkeit verändern will." Der Satz stammt aus einer Stellungnahme nach den militanten Auseinandersetzungen in Genua 2001. In deinem damaligen Statement findet sich viel, was wir bis heute unterschreiben würden. Etwa der letzte Absatz: "Eine abstrakte Gewaltdebatte, die Distanzierung, Abgrenzung, meist auch Denunziation fordert, kann nur im Interesse derer sein, die die gewalttätigen Verhältnisse nicht ins Blickfeld rücken lassen wollen. Lassen wir uns darauf nicht ein - bei aller notwendigen Kritik an Aktionsformen, die so leicht von Provokateuren, Durchgedrehten, wem auch immer enteignet werden können."

Wir sehen die jetzige Distanzierung von attac-VertreterInnen als das, was es ist: Eine deutliche Absage an eine Kooperation bei den kommenden Protesten. Großen Kummer bereitet uns das aber nicht. Brauchen wir Peter Wahl? Brauchen wir einen netten Alternativgipfel mit den immer gleichen RednerInnen? Brauchen wir nicht. Jedenfalls nicht so dringend, dass wir sein Verhalten unkommentiert stehen lassen müssten. Deshalb gab es ja auch bereits öffentliche Stellungnahmen, nur leider nicht von der Interventionistischen Linken (IL), die ja schon mal öffentlich gefragt wurde und sich anscheinend nicht auf eine Antwort einigen konnte oder wollte. Wir halten es für politischen Unsinn, immer nur von gewaltfreien Protesten zu sprechen, obwohl jeder weiß, dass es wie bei vergangenen Gipfeln auch militante Proteste geben wird.

Christoph Kleine: Die Diskussion über Aktionsformen findet unter der Bedingung eines hegemonialen staatlichen Gewaltbegriffs statt, der ein Bekenntnis zur Friedlichkeit und zur Abgrenzung von sogenannten Gewalttätern verlangt. Gegen diesen Distanzierungsdruck müssen wir den Standpunkt verteidigen, dass die Stärke der Bewegung auf ihrer Vielfältigkeit basiert. Eine Zurückweisung der Spaltungsversuche ist im Interesse aller, die in irgendeiner Form auf die Wirkung von Massenprotesten und Straßenaktionen zielen und sich nicht von vornherein auf Lobbyarbeit verlassen. Insofern waren die jüngsten Äußerungen von attac-SprecherInnen nicht nur ein Affront gegen das aktivistische Spektrum, sondern auch für attac selbst kontraproduktiv.

Das Dilemma für die radikale Linke ist ein ganz anderes: Es fehlt häufig eine konkrete Debatte über unsere Aktionskonzepte und vor allem aber über die politische und taktische Bestimmung unserer Aktionen. Stattdessen verteidigen wir aus prinzipiellen Gründen oft die Möglichkeit von Aktionsformen, die wir selbst gar nicht planen oder für taktisch unklug halten. Perspektiven für eine linksradikale Praxis entstehen aber nur dann, wenn wir selbst ein Angebot formulieren, und den Aktionsrahmen und die Zielsetzung unserer Aktionen offensiv vertreten. Dabei müssen wir immer auf Elementen der Selbstermächtigung und des Regelübertritts bestehen, weil sich darin die Erkenntnis spiegelt, dass der Kapitalismus und die mit ihm verbundenen Formen von Ungleichheit und Unterdrückung nicht im Rahmen der Spielregeln des bürgerlichen Staates, sondern nur durch den Aufbau einer gesellschaftlichen Gegenmacht zu überwinden sein wird. Das Bewusstsein für diesen Antagonismus kann nicht nur als theoretische Erkenntnis existieren und geschaffen werden, sondern entsteht und verfestigt sich in der gemeinsamen, grenzüberschreitenden Aktion. Die praktische Umsetzung dieser Gedanken ist für uns das Konzept BlockG8.

M.E.: Ich stimme in vielen Punkten mit Werner und Christoph überein. Besser wäre es noch, wir würden diese "wenigen Kontroversen" - oder auch diese Übereinstimmungen genauso in die Öffentlichkeit tragen. Warum auch nicht? Nehmen wir das Beispiel Schuldenerlass. Es ist nicht nur legitim, sondern auch notwendig, dieser Forderung entgegenzusetzen, dass es unserer Überzeugung nach eine Debatte um Entschädigung gegenüber den Kolonialstaaten geben muss. Nur weil das Thema Schuldenerlass besser in die Haltung der G8 und anderer Staaten passt, heißt das noch nicht, dass wir mit ihnen darüber diskutieren.

Genauso können wir entschieden für verschiedene Widerstandsformen eintreten, ohne dass wir uns von den Medien und dem Staat Distanzierungen aufdrücken lassen. Das zeigt auch das Beispiel Blockaden. BlockG8 ist ein Konzept, an dem sich alle beteiligen können. Schön, dass es solche Angebote gibt, wodurch viele Menschen verdeutlichen können, dass es legitim ist, gegen die Machenschaften der G8-Staaten zu protestieren. Ebenso schön sind aber auch unangekündigte, fantasievolle Überraschungsaktionen, die mit Regelverletzungen einhergehen und die Grenze der Legalität überschreiten. Wir können im vorhinein nie sagen, welche Konzepte die besseren sind oder ob gerade ihre gegenseitige Ergänzung am Wirksamsten sein wird. Insofern hat Werner recht: Wir dürfen und brauchen uns von Politik und Medien nicht zu Distanzierungen von bestimmten Aktionen und Aktionsformen zwingen lassen.

C.K.: Werner, Absprachen über konkrete Aktionen sind notwendig. Die Menschen, die wir zu Aktionen mobilisieren, haben ein Recht darauf zu erfahren, was geplant ist und welcher Aktionsrahmen gilt. Die Bewegung besteht aber nicht nur aus organisierten Kräften, die quasi die Rechtssubjekte solcher Aktionsvereinbarungen sein können, sondern sie ist eben Bewegung: spontan und in Bündnisverhandlungen nicht komplett zu erfassen. Genau das macht übrigens auch den eigenständigen Wert von Bewegungen aus.

Daher muss in der politischen Praxis für die Spontaneität, für das Ungeplante, für die spontane Empörung auch ausreichend Raum bleiben. Das bedingt, dass Absprachen über einen Aktionsrahmen immer nur für eine Aktion oder einen Ort möglich sind, aber nicht pauschal sein können. Und es bedeutet auch, dass es in der konkreten Situation immer auch noch ganz anders kommen kann. Um nicht missverstanden zu werden: Das ist kein Freibrief, um im Ernstfall über Vereinbarungen hinwegzugehen, sondern im Gegenteil der Anspruch, ein Bündnis auch dann zusammenzuhalten, wenn es aufgrund äußerer oder unvorhergesehener Umstände schwierig wird.

Zu sagen, dass es "auch militante Proteste geben wird", wie es Michaela macht, mag richtig sein, reicht mir aber nicht aus. Ein subjektloses "es wird dazu kommen" versucht, den Distanzierungsbedürfnissen dadurch zu begegnen, dass die Militanz zum unbeeinflussbaren Naturereignis erklärt wird. Es wäre aber notwendig, dass sich politische Kräfte - natürlich nicht namentlich - kenntlich machen, die für eine militante Aktionsorientierung stehen und dass sie ihre politische und taktische Bestimmung diskutierbar machen. Auf dieser Basis könnte dann tatsächlich eine solidarische Diskussion eingefordert werden.

W.R.: Es ist zwar interessant, wie Michaela versucht, meinen eigenen Text gegen mich selbst in Stellung zu bringen, aber das lenkt ein wenig ab von den wirklichen Widersprüchen und macht es schwierig, den Streit um die Punkte zu führen, die wirklich Dissens sind. Mein 2001er-Artikel argumentiert, dass aus einer gewalttätigen Gesellschaft wie der unsrigen notwendig - auch destruktive - Gegengewalt erwächst. (1) Dazu benennt er die Position von attac: "attac lehnt Gewalt als Mittel seiner Politik ab, distanziert sich aber nicht von denen, die das anders sehen. Vielmehr wird eine Verständigung auf den genauen Charakter einer jeden geplanten Aktion zur Bedingung bündnispolitischer Einigung gemacht und die Einhaltung solcher Übereinkünfte gefordert."

Wohlgemerkt, das ist Beschlusslage und Konsens in attac bis heute. Und genau das ist auch die Praxis bis heute, auch wenn es da jüngst auch durch uns einige Irritationen gab. Es wäre besser gewesen, die eigene Ferne zu bestimmten Aktionsformen nicht mit Formulierungen auszudrücken, die als Abwertung verstanden werden konnten - Sabine Leidig hat sich dafür inzwischen umfassend entschuldigt. Ich hätte die Antwort verweigert auf die JournalistInnenfrage: "Schaden die Anschläge der Bewegung?" Diese Frage lässt dir nur die Möglichkeit zwischen zwei vorgefertigten Alternativen, die beide falsch sind. Pedram Shahyar, selbst Mitorganisator von BlockG8, hat das anders eingeschätzt und gesagt, was die allermeisten Attacies denken: Solche Anschläge wollen wir nicht. Da gab und gibt es Denunziation von Bündnispartnern und keine "Absage an eine Kooperation bei den kommenden Protesten" unsererseits.

Du rufst mit deiner ersten Aussage zur Distanzierung von attac, seinen AktivistInnen und zugleich einer ganzen Großaktion der Gipfelproteste (Alternativgipfel) auf. Du zitierst mich zustimmend mit dem Appell gegen eine "abstrakte Gewaltdebatte" und begrüßt und forderst genau die. Da freut es mich, dass du nun ebenfalls die Übereinstimmung siehst.

Ist in einer gesellschaftlichen Konstellation, in der die Vermittlung der Legitimität politischer Aktionen mehr als schwierig ist, das "Distanzierungsverbot" die einzige Möglichkeit, eine Spaltung der Bewegung zu verhindern? Mit anderen Worten: Könnte die Bereitschaft, verschiedene Aktionsformen zu akzeptieren, nicht dadurch gesteigert werden, dass man sich darüber verständigt, was politisch richtig - also nicht nur legitim - ist?

W.R.: Die Nichtdistanzierung ist insofern essenziell, als sie überhaupt erst die Gesprächsmöglichkeit schafft. Erst wenn niemand erwarten muss, grundsätzlich im politischen Selbstverständnis in Frage gestellt zu werden, kann über die strittigen Fragen tatsächlich gestritten werden. Das gilt selbstverständlich in beide Richtungen: Die "Militanten" wollen nicht dem Staatsschutz und der Polizei überlassen und die "Gewaltfreien" wollen nicht in eine Randale verwickelt werden. Darauf muss man sich gegenseitig verlassen dürfen. Auf dieser Grundlage aber geht es genau um die Frage, was denn politisch und praktisch erfolgversprechende Strategien und Aktivitäten sein könnten.

Ich bin "der Meinung, dass gesellschaftliche Veränderungen durch die Köpfe der Menschen gehen müssen. Ohne die Emanzipation von ideologischer Bevormundung wird es keine Veränderung geben. Veränderung kann deshalb auch nur demokratisch, d.h. durch die Teilnahme vieler Menschen an gesellschaftlicher Bewegung erreicht werden. Aktionsformen, die diesem Ziel widersprechen und zur politischen Isolierung und moralischen Diskreditierung der Bewegung führen, lehnen wir ab. Daraus ergibt sich, dass unsere Aktionsformen friedlich und frei von physischer Gewaltanwendung sind. Das schließt Aktionen zivilen Ungehorsams, wie Blockaden und begrenzte Regelverletzungen nicht aus." Das stammt übrigens aus dem Papier des attac-Kokreises zur Gewaltdebatte von 2001, das bis heute Konsens ist.

Ich sehe ebenso wie Christoph in einem Konzept wie BlockG8 einen wichtigen Schritt genau in die Richtung dieser Frage. Da geht es genau darum, was kann man jetzt nicht nur mit denen machen, die ohnehin eine bestimmte Politisierung durchlaufen und eine gewisse Risikobereitschaft entwickelt haben.

M.E.: Sich darüber zu verständigen, was politisch richtig ist, wird in der breiten Anti-G8-Bewegung nicht einfach sein. Dennoch sollte man darüber streiten. Und so kommen auch Inhalte ins Spiel, die bei Auseinandersetzungen um Protestformen häufig hinten weg fallen. Aber auch der jeweilige Kontext der Aktion ist wichtig. Wenn beispielsweise U-Boote von Thyssen-Krupp in aktuellen Kriegen eingesetzt werden und daraufhin Autos von Thyssen-Krupp-Managern abfackeln, vermittelt sich diese nächtliche Aktion einer Kleingruppe sehr leicht und ist auch für viele einsichtig, die sich selbst nicht an militanten Protesten beteiligen würden. In diesem Sinne ist es nicht einfach damit getan, militante Aktionen im Zusammenhang mit dem Gipfeltreffen als politisch falsch einzuschätzen

Eine solche Aktion schafft - wie kürzlich in Hamburg - eine große mediale Öffentlichkeit, die man durch Flugblattverteilen nicht erreicht. Ich verteile ja gerne Flugblätter, aber die Diskussion über Aktionsformen ist auch an dieser Stelle in der Öffentlichkeit schwierig, weil ich gar nicht wirklich die Möglichkeit hätte zu sagen, wenn meine Toleranz solche Aktionen miteinbezöge, weil die Gefahr, dann sofort ein Ermittlungsverfahren mitzunehmen, nicht von der Hand gewiesen werden kann. Ich würde in einer Debatte um Aktionsformen auch eine Verständigung darüber suchen wollen, dass eine solche symbolische Tat ein legitimer und auch politisch richtiger Weg gegen die gewaltsamen Auswirkungen der politischen Entscheidungen der G8 ist. Aber die Debatte über Widerstandsformen wird nicht im herrschaftsfreien Raum geführt. Wir können uns schlecht öffentlich darüber streiten, was wir unter Militanz verstehen und was unter Gewalt.

Das Problem scheint mir Christoph etwas falsch einzuschätzen. Dabei geht es nicht nur darum, ob die bürgerlichen Medien eine solche Debatte wollen oder eben nicht, sondern schlicht auch um Repression. Hier sind wir tatsächlich in einem Dilemma - aber einem, das in erster Linie unsere eigene Kommunikation betrifft. Mit dieser Schwäche müssen wir wieder souveräner umgehen lernen. Sicher erwachsen daraus auch Schwierigkeiten für die Kommunikation in der breiten Öffentlichkeit. Das gilt allerdings für Widerstandsformen und Aktionen ebenso wie für unsere Inhalte. Dass deutsche Rüstungsfirmen durch ihre Waffenlieferungen an Kriegen beteiligt sind, muss ins Bewusstsein gerufen werden. Diese Vermittlung kann durch Flugblätter, Infotische, wissenschaftliche Konferenzen oder durch die angemeldete Kundgebungen am 5. Juni am Militärflughafen Rostock-Laage passieren, aber auch durch militante Aktionen.

C.K.: Die Unterstellung, die IL würde die pauschalen öffentlichen Distanzierungen durch attac-SprechInnen unkommentiert lassen, ist falsch. Nach wie vor gilt unser Mobilisierungsgrundsatz der Akzeptanz unterschiedlicher Widerstandsformen. Zudem gab es einen offenen Brief von ALB und Avanti, also zwei wichtigen Gruppierungen in der IL. Hätte eine dritte öffentliche Stellungnahme wirklich geholfen? Ich kann bei der IL keine unklare Position erkennen - sie steht auf Bündnistreffen ebenso wie in öffentlichen Äußerungen für das solidarische Mit- und Nebeneinander unterschiedlichen Aktionsformen und -traditionen.

Der konstruktive Streit um die Legitimität und die politische Wirksamkeit von Aktionsformen ist notwendig. Eine solche Debatte wird aber nur möglich auf der Basis einer grundsätzlichen Solidarität, die andere politische Positionen nicht zum Gegner erklärt. Das bedeutet auch einen sensiblen Umgang mit den bürgerlichen Medien, die mit Vorliebe die "Gewaltfrage" so zuspitzen, dass sich die befragten Organisationen von anderen Kräften der Bewegung entsolidarisieren sollen. Dieser Streit wird auch nicht nur "intern" geführt werden können, denn schließlich geht es um eine offene, plurale Bewegung und nicht nur um eine klar strukturierte Organisation. Diese Debatte mit einem zu weit gefassten "Distanzierungsverbot" abzuwürgen, ist aus meiner Sicht nicht sinnvoll und funktioniert auch nicht. Deswegen müssen sich alle politischen Kräfte schon Fragen nach der politischen Bestimmung und nach der Wirksamkeit ihrer Aktionen anhören - und natürlich auch nach den Auswirkungen dieser Aktionen auf die Vorhaben anderer.

Das "politisch Richtige", auf dass wir uns gemeinsam verständigen sollten, ist genau diese grundsätzliche Solidarität und die Erkenntnis, dass die Bewegung nur gemeinsam stärker werden kann, nicht aber, indem ein Teil seine Position auf Kosten anderer auszubauen versucht. Dabei sind die Grenzen, wer denn in diese Solidarität hingehört und wer sich in den Zusammenhang dieser Solidarität stellen will, in keine Richtung scharf gezogen, sondern immer Ergebnis eines offenen politischen Aushandlungsprozesses.

Interview: is/mb.

Anmerkung:
1) Der Artikel ist zu finden unter: www..attac.de/themen/debatten/wrgewalt.html
19.4.2007

http://www.linksnet.de/artikel.php?id=2988

(19.04.2007) © 2007. Alle Rechte liegen bei den AutorInnen bzw. bei den Publikationen/Verlagen