Wirtschaft mit eigenem G-8-Gipfel: Treffen der Einflüsterer

Süddeutsche 25. April 2007

Vor dem politischen Gipfel in Heiligendamm beraten sich die mächtigen Führer der Wirtschaftsverbände in den G-8-Staaten in Berlin. Ihre Forderungen: Irgendwie weniger Staat und manchmal doch mehr Staat. Ansonsten: Schön, sich mal getroffen zu haben.

Die Einflüsterer haben Platz genommen im Ballsaal II des Berliner Nobelhotels Adlon. Es sind die mächtigen Präsidenten der Wirtschaftsverbände in den acht führenden Industrienationen der Erde. Erstmals treffen sie sich auf Einladung des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) vor einem politischen G-8-Gipfel zu einem G-8-Wirtschaftsgipfel.

Das Ziel der Wirtschaftslenker aus den USA, aus Großbritannien, Kanada, Japan, Italien, Russland, Frankreich und Deutschland: Lösungen für die weltwirtschaftlichen Probleme beraten und sie anschließend mit den politischen Führern ihrer Nationen “diskutieren“, wie Thumann sich auf der Pressekonferenz vornehm ausdrückt.

Der deutsche BDI-Präsident Jürgen Thumann stellte die sechs aus Sicht der Wirtschaft wichtigsten Punkte vor, mit denen sich die Staatschefs im Juni befassen sollen. Tenor: Die Wirtschaft wird es schon richten. Nur ein freier Handel werde die Probleme lösen.

Wachstum generieren

Probleme lösen bedeutet aus sich der Wirtschaft vor allem: Wachstum generieren. Daraus resultierten dann die von der Politik geforderten Arbeitsplätze, soziale Stabilität und letztlich auch der Schutz der Umwelt und des Klimas von ganz alleine.

An Position eins der Liste findet sich deshalb nicht von ungefähr die Aufforderung der Wirtschaftslenker, die Doha-Runde endlich zu einem Abschluss zu bringen. In ihr verhandeln die Mitgliedsländer der Welthandelsorganisation WTO über eine Neuordnung des weltweiten Handels.

Bisher sind sämtliche Bemühungen am Widerstand der Entwicklungsländer gescheitert. Sie fordern einen leichteren Marktzugang zu den entwickelten Ländern, frei von Importquoten und Einfuhrzöllen.

Grenzübergreifende Investitionen

Dies lehnen viele Industriestaaten ab. Die Wirtschaftsvertreter haben da nicht viel dagegen, auch wenn Thumann fordert, dass “protektionistischen Tendenzen bei grenzübergreifenden Investitionen“ entschieden entgegenzutreten sei. Das gilt natürlich vor allem für Investitionen, die aus den G-8-Ländern heraus erfolgen sollen.

Beispielweise in Afrika. Die Chinesen haben längst erkannt, dass hier ein Zukunftsmarkt liegt und investieren Milliardensummen in den Kontinent. Thumann sieht das gelassen: “Jeder investiert dort, wo er es für richtig hält“, sagte er. Afrika hat offenbar nicht die oberste Priorität bei den Wirtschaftsführern aus den G-8-Staaten.

Der private Sektor könne nur dann einen “entscheidenden Beitrag“ gegen die Unterentwicklung dort leisten, wenn die “politischen und rechtlichen Voraussetzungen für privatwirtschaftliches Engagement gestärkt werden“, sagte Thumann. Dann aber sei es möglich “dass wir Afrika in 20 bis 25 Jahren ähnlich voranbringen können, wie es die Tigerstaaten in Asien vorgemacht haben“.

Es geht also doch nicht ohne staatliche Regulierung. Das zeigen auch die anderen Punkte in dem Katalog der Forderungen. Da wird mehr Transparenz auf den Kapitalmärkten gefordert, ein besserer Schutz der geistigen Eigentumsrechte und am Markt orientierte Regeln für den Einsatz neuer, klimafreundlicher Technologien.

Klingt alles recht schwammig. Ist es auch. “Wir haben kein Interesse, völlig neue Forderungen auf die Agenda des G-8-Gipfels zu setzen“, sagte Thumann. Vielmehr sei es wichtig, dass er und seine sieben Kollegen den politischen Führern gegenüber mit einer Stimme sprechen. “Wir wollen ihnen das Gefühl dafür und den nötigen Input geben, wie die Wirtschaft denkt“, sagte er.

Der Vertreter des italienischen Wirtschaftsverbandes, Luca Cordero di Montezemolo, brachte es zum Ende auf den Punkt: “Wir können nicht auf 100.000 Differenzen im Detail schauen.“ Wichtig sei, sich auf die Punkte zu konzentrieren, wo Einigkeit herrsche. Die bestehe sicher darin, dass “wir eine Umgebung brauchen, die Wachstum unterstützt. Also eine gute Infrastruktur, Investitionen in Forschung und weniger Steuern für die Unternehmen.“ So leicht kann Wirtschaftspolitik sein.

Von Thorsten Denkler
25.04.2007 13:26 Uhr

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