Zelten auf dem Schlachthof

Ostsee Zeitung 19. April 2007

Stadt und G8-Gegner haben sich auf ein Camp geeinigt. 5000 bis 8000 Glo- balisierungsgegner zelten am früheren Schlachthof.

Bramow Nach monatelangen Verhandlungen haben sich Stadtverwaltung und Globalisierungskritiker auf einen Zeltplatz geeinigt. Auf dem Gelände des abgerissenen Grenzschlachthofes sollen ab Ende Mai mehrere Tausend Menschen campieren. Das eingezäunte und verwaiste Areal wird sich während des G8-Gipfels in Heiligendamm in eine Zelt-Kleinstadt verwandeln. Es soll Volksküchen geben, Informationszelte und große Schlafzelte für G8-Gegner, die nur mit Schlafsack anreisen. „Wir rechnen mit 5000 bis 8000 Leuten“, sagt Adolf Riekenberg (56). Der Schwabe gehört zur Anti-Globalisierungsorganisation Attac und bereitet seit Monaten in Rostock das Treffen der Gipfelgegner vor. Es gebe Anmeldungen aus Afrika, Frankreich, Polen und den Niederlanden – es wird bunt zugehen auf dem alten Schlachthof.
Am Montag wollen Stadt und Attac den Vertrag unterzeichnen. Die Nutzer zahlen keine Pacht, kümmern sich dafür aber um Miettoiletten und Waschgelegenheiten. So sei der Verhandlungsstand, sagt Riekenberg, den die Stadtverwaltung in etwa bestätigt.

Bisher waren drei Camps für Rostock im Gespräch – an der Jägerbäk, in Dierkow und in Toitenwinkel – aber nicht am Grenzschlachthof. Wilfried Behncke vom Brandschutz- und Rettungsamt, oberster Planer der Stadt für den Gipfel, ließ noch am Montag keine Zweifel aufkommen, dass sich daran etwas ändern könnte. Die Globalisierungsgegner sahen das wohl anders – und setzten sich durch. Alle anderen vorgeschlagenen Plätze seien zu klein und zu abgelegen, sagt Riekenberg. Ob weitere Camps in Rostock benötigt werden, ist laut Riekenberg unklar. Das hänge davon ab, wie viele Leute sich noch anmelden.

Weitere 3000 bis 5000 Teilnehmer der Großdemonstration am 2. Juni im Stadthafen sollen in Rostocker Turnhallen nächtigen. Weil das am Wochenende ist, müsse kein Schulsport ausfallen, sagt Rathaussprecher Ulrich Kunze. Das sei eine Bedingung der Stadt gewesen.

Für den Grenzschlachthof gab wohl die Lage im Gewerbegebiet den Auschlag. In der Nähe gibt es den Fischereihafen, ein Autohaus und Lidl – und sonst kaum etwas, vor allem kaum Wohnhäuser. „Ich bin gespannt, was da kommt“, sagt Bernd Bruhn, Inhaber eines Geschäftes für Berufsbekleidung direkt gegenüber. Noch könne er nicht sagen, ob die Camp-Entscheidung eine schlechte Nachricht für ihn sei. Keine 50 Meter Luftlinie weiter hinterm Bahndamm warten die Frauen im Eros-Center auf Kundschaft. „Die bringen uns nichts“, sagt der Betreiber über die Protestierer. Für die Dienste der Damen fehle den Attac-Leuten sicher das Geld.

GERALD KLEINE WÖRDEMANN