Linke Parolen, rechte Gesinnung

Die NPD buhlt um Mitläufer für ihren Protestmarsch gegen den G-8-Gipfel

Tagesspiegel 18. März 2007

Von Frank Jansen

Berlin - Die Parolen klingen so links, dass Zweifel an der politischen Herkunft überflüssig erscheinen. Ein Motto wie „Gemeinsam gegen Kapitalismus! Heraus zum 1. Mai!“ oder „Es gibt keine gerechte Globalisierung!“ dürften Linke dem eigenen Fundus zurechnen. Ein Irrtum – der erste Slogan prangt in einem Aufruf der rechten Szene zu einer Demonstration am 1. Mai in Dortmund, der zweite stammt von der NPD und soll für ihren Protestmarsch gegen den G-8-Gipfel werben. Am 2. Juni will die Partei mit 1500 Anhängern in Schwerin auftreten. Für denselben Tag plant ein Bündnis linker und bürgerlicher Gipfelgegner eine Demonstration in Rostock. Auch wenn dort weit mehr Teilnehmer zu erwarten sind, warnen Verfassungsschützer, den Kampf von NPD und Neonazis um die Deutungshoheit im sozialen Protest zu unterschätzen. Wie schon beim Reizthema Hartz IV.

Viele Ostdeutsche, die sich als Globalisierungsverlierer sehen, empfänden rechte Parolen „gegen die Zerschlagung der Völker“ glaubwürdiger als die Argumente der antinationalen Linken, sagt ein Verfassungsschützer. Außerdem genießen NPD und Neonazis gerade in Mecklenburg-Vorpommern, wo der G-8-Gipfel im Badeort Heiligendamm stattfindet, einen Heimbonus. Die Partei ist seit 2006 mit einer Fraktion im Landtag vertreten, die Neonazi-Szene hatte an dem Wahlerfolg beträchtlichen Anteil.

Die NPD-Spitze taktiert aber heftig, um für den 2. Juni das Risiko einer zu kleinen Demonstration zu mindern. So fällt am 1. Mai der zentrale Aufmarsch aus. Es wäre fraglich, ob bei zwei „Großaktionen“ innerhalb von fünf Wochen „der nötige Mobilisierungsgrad erreicht wird“, sagt NPD-Sprecher Klaus Beier. Nun will man mit Veranstaltungen in Nürnberg, Erfurt, Vechta (Niedersachsen), Neubrandenburg, Rüsselsheim und Raunheim (Hessen) den „Tag der deutschen Arbeit“ begehen. Außerdem planen Neonazis in Dortmund eine Maidemonstration.

Ausgerechnet hier, wo die NPD nicht dominiert, wird Parteichef Udo Voigt als Redner auftreten. Voigt verrenke sich, um möglichst viel rechtes Fußvolk für die NPD-Demonstration in Schwerin zu werben, sagt ein Verfassungsschützer. Die Parteiführung wisse, dass sie trotz einer wachsenden Mitgliederzahl auf die unabhängigen Neonazis angewiesen ist, um größere Aufmärsche zu inszenieren. Außerdem könne Voigt in Dortmund besser eine internationale Front der Rechten gegen die Globalisierung propagieren. Beim Marsch soll auch Constant Kusters, der Chef der Nederlandse Volks-Unie (NVU), auftreten. Die rechtsextreme Splittergruppe ist ein Minipendant der NPD. Verfassungsschützer erwarten bis zu 1000 Neonazis in Dortmund.

Am 2. Juni in Schwerin will die NPD auftrumpfen. Bislang sind nur Voigt und andere Funktionäre als Redner vorgesehen. Die umworbenen unabhängigen Neonazis sollen offenbar lediglich die Reihen füllen und sicherstellen, dass die Medien einen machtvollen NPD-Aufmarsch zeigen. „Der 2. Juni ist für die Partei ein wichtiges Datum“, sagt ein Verfassungsschützer, „sie will die Ausweitung ihres Themenspektrums auf den Protest gegen die Globalisierung präsentieren“. Dazu werde die schon lange betriebene antikapitalistische Propaganda weiter intensiviert. Die Strategie der NPD-Spitze, die soziale Frage stärker in den Vordergrund zu stellen, sei aber eine Gratwanderung, sagt der Experte. Viele junge Rechtsextremisten wollten nicht, dass die nostalgische Verehrung des NS-Regimes verblasse.

Für NPD-Sprecher Beier ist indes eine antiglobalistische Querfront aus Linken und Rechten „ein wünschenswertes Fernziel“. Und er deutet an, beim G-8-Gipfel in Heiligendamm seien „Überraschungen“ möglich. Verfassungsschützer ahnen, junge Rechtsextreme wollten bei linken Protesten mitmischen. Selbst auf die Gefahr hin, von Linken Prügel zu beziehen.