Die Nachbarn genau im Blick

taz Berlin 28. März 2007

Die Bewohner des Projekts Köpi glauben, dass sie der Staatsschutz vom Ver.di-Haus aus beobachtet. Ver.di dementiert

Die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di steckt mit dem Staatsschutz unter einer Decke. Das behauptete gestern zumindest das linke Wohn- und Kulturprojekt Köpi in einer Presseerklärung. Der Vorwurf: Der Staatsschutz führe vom Gewerkschaftshaus an der Köpenicker Straße aus eine Dauerobservierung der Menschen im gegenüberliegenden Köpi-Gelände durch. Mit Einverständnis der
Gewerkschaft, wie ein anonymer Informant aus gewerkschaftsnahen Kreisen erfahren haben will. Die "Schlapphüte", so die Vermutung der Köpi-Bewohner, wollten Informationen über geplante linke Gegenaktivitäten zum G-8-Treffen im Juni sammeln. Schließlich habe der Staat schon im Januar bei einer Razzia gegen die Disko im Haus auffälliges Interesse an politischen Broschüren gezeigt.

Die Gewerkschaft als Büttel staatlicher Repression gegen links - das klingt absurd. Zumal die Köpi weder Angaben zur konkreten Art der angeblichen Bespitzelung noch zur Grundlage ihres Verdachts machen will.

Ver.di verwahrte sich gegen die Vorwürfe: "Fotografierende Agenten im Haus würden uns auffallen", sagte Andreas Splanemann, Sprecher des Landesverbands Berlin-Brandenburg, der die fünfte Etage des sechsstöckigen Ver.di-Baus belegt.
Die einzigen Personen, die sich auf den Balkonen mit Blick auf die Köpi aufhielten, seien rauchende Konferenzteilnehmer. Die Polizei komme nur ins Haus, um Anzeigen wegen eingeworfener Fensterscheiben aufzunehmen.
"Observierungen der Nachbarn würden wir nicht zustimmen", so Splanemann. Auch die Ver.di-Bundeszentrale dementiert jegliche Zusammenarbeit mit dem Staatsschutz.

Der bisherige Friede zwischen den Nachbarn ist gestört. Zumal die Köpi-Leute ihre Anschuldigungen gegen die Gewerkschaft ausgerechnet auf dem Ver.di-eigenen Kopierer vervielfältigten. Sie hatten sich eingeschlichen. "Die kennen sich offenbar gut aus bei uns", so eine Sprecherin. Fragt sich also, wer da eigentlich wen bespitzelt.
NINA APIN

taz Berlin lokal Nr. 8237 vom 28.3.2007, Seite 22, 66 TAZ-Bericht NINA APIN