G-8-Gipfel: Grüne distanzieren sich von Globalisierungsgegnern

Welt 4. April 2007

Für die Grünen ist der Gipfel in Heiligendamm eine heikle Herausforderung. Mitmachen geht nicht, wegbleiben auch nicht. Die Strategen der Linkspartei reiben sich die Hände.

Zwei Monate noch, dann wird im mecklenburgischen Heiligendamm der Aufstand geprobt. Während sich die Vertreter der G-8-Staaten im gut geschützten Tagungszentrum versammeln, planen die Gipfelgegner unter dem Motto „Eine andere Welt ist möglich“ Aktionen, die von umherschweifenden Schrubber- und Besenbrigaden, Straßengymnastik und Golfen bis zur kompletten Blockade der Autobahnen A19 und A20 oder des Flughafens in Rostock-Laage reichen, wo die Tagungsteilnehmer am 5.Juni einfliegen werden.

An die 300 Gruppen haben sich angemeldet, von der APPD (Anarchistische Pogo Partei Deutschlands) über Attac, Greenpeace und Christinnen für den Sozialismus bis zu den militanten „Kampagne Block G8“-Mitgliedern, die bereits angekündigt haben, man werde Polizeiabsperrungen „überwinden, sie wegdrücken, sie umgehen oder geschickt durch sie hindurchfließen“. Die Initiative „Paula“ verspricht auch eine „gut platzierte Scherbendemo in einer der umliegenden Städte“.

Für die Grünen ist dieses Grand Guignol des Antikapitalismus eine echte Herausforderung. Mitmachen geht nicht, wegbleiben auch nicht. Händereibend steht die Linkspartei bereit, die enttäuschten Außerparlamentarischen aufzufangen. Friedensbewegung, Anti-AKW-Bewegung, Frauenbewegung, Schwulen-und Lesbenbewegung: sie alle hatten in der Ära Rot-Grün Kröten zu schlucken. Da sind Rechnungen offen. Neu ist, dass die Grünen diese Differenzen in Kauf nehmen.

So ist mit großem Interesse registriert worden, dass sich sogar die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth in einem Brief an die Organisatoren dem Aufruf zur Demonstration am 2.Juni nicht anschließen wollte. Sie sei „an durchaus gravierenden Stellen anderer Meinung“, hatte die Parteichefin erklärt. Der Aufruf sei eben nicht so harmlos, wie er dargestellt werde. Sie könne sich nicht mit der Passage anfreunden, in der es hieß, die G8 seien „Vorreiter einer auf Krieg gestützten Weltordnung“. Dennoch werde sie für die Gegendemonstration mobilisieren, erklärte Frau Roth.

Ihr Parteikollege Jürgen Trittin erklärte gegenüber WELT ONLINE, er sehe keinen Bruch zwischen den Grünen und den G-8-Gegnern. „Da gibt es 90 Prozent politische Übereinstimmung zwischen uns und den meisten Aktivisten. Es gibt aber Widersprüche innerhalb dieses Lagers: die entwicklungspolitisch Engagierten neigen eher der Linkspartei zu, die Umweltaktivisten nicht. Aber die Bezeichnung der G8 als Kriegstreiber genügt einfach durchschnittlichen intellektuellen Ansprüchen nicht.“ Die Grünen, so Trittin heute, werden die G8 als Forum für Forderungen wie Klimaschutz, Beseitigung der Armut, Abbau von Handelsschranken nutzen. Man nehme das Gremium ernst, was auch die UN oder afrikanische Staaten täten.

Angst vor der Linkspartei habe man keine: „Die sind intern viel zu zerstritten, um uns gefährlich zu werden – das wird derzeit nur überdeckt von der Vereinigung“, sagt Trittin. Aber ist die Linkspartei nicht der Ansprechpartner für den Antikapitalismus der Globalisierungsgegner, oder ist das auch noch ein Anliegen der Grünen? „Die Linkspartei“, so Trittin, „hat in ihrem Programm längst den Frieden mit dem Kapitalismus gemacht. Ihre Vertreter haben überhaupt keine Probleme mit der Privatisierung von Stadtwerken. Da sind sie offensiver als manche Grüne.“
Attac sieht keinen Bruch mit der Ökopartei

Bei Attac möchte man von einem Bruch mit den Grünen nichts wissen. „Es gibt keinen Krach“, so Sprecherin Frauke Distelrath gegenüber WELT ONLINE. „Wir finden es schade, dass die Grünen den Aufruf nicht unterzeichnen. Aber sie mobilisieren mit. Da ist eben eine gewisse Zerrissenheit: Einerseits wollen sie wieder Kontakt zu den sozialen Bewegungen, andererseits hängen sie an ihrer Identität als Regierungspartei.“ Der Abgeordnete Christian Ströbele hat den Aufruf unterschrieben.

4. April 2007, 18:07 Uhr
Von Mariam Lau