8 Beweggründe, um die G8 zu blockieren

März 2007
übersetzt aus dem niederländischen: www.globalinfo.nl
Bezugsgruppe Wilnis
8 Beweggründe, um die G8 zu blockieren

Eine beeindruckende Anzahl politischer Gruppen aus Deutschland und vielen anderen Ländern trifft zurzeit die Vorbereitungen für effektive Blockaden der G8-Konferenz im Juni. Zumindest werden sie das probieren; natürlich steht eine starke Polizeimacht bereit, die alles daran setzen wird, genau dies zu verhindern.

Bei Informationsabenden in den Niederlanden war oft der Einwand zu hören, dass Blockaden nicht viel Sinn hätten, oder dass Gipfelproteste ein nutzloses „Ritual“ geworden seien; und dass der Gipfel ja doch nur ein „Symbol“ wäre. Im Folgenden werden 8 gute Gründe erläutert, warum es sich lohnt, an Blockaden teil zu nehmen, und aktiv mitzuhelfen, sie gelingen zu lassen.

1) Um zu gewinnen. Stell dir vor, dass es diesmal echt gelingt! Die ganz großen Promis werden natürlich mit Hubschraubern eingeflogen, aber das können sie nur für ein paar machen. Die niedrigeren Ränge und das ganze Personal müssen mit Autos transportiert werden. Übrigens können Hubschrauber auch blockiert werden (mit Para-Glidern, Drachen, Feuerpfeilen...), und es gibt auch schon den Plan, den Verkehr rundum den einzigen Flughafen in der Umgebung lahm zu legen. Aber stell dir mal vor, dass es echt gelingt, dass wir mit genügend Menschen sind, die genug Fantasie, Eigeninitiative und Mut haben, um alle Zugangswege zum G8 Gipfel echt zu blockieren. Dann fällt der G8 Gipfel, wo die Verantwortlichen für das globale Elend, Umweltzerstörung und neoliberale Handelsbeziehungen zusammenkommen, um Schön-Wetter zu spielen, ins Wasser. Remember Seattle?

2) Um Netzwerke aufzubauen. Gipfelproteste sind ein Ort, wo unbeschreiblich viele Gruppen und Personen zusammenkommen, die sich sonst gar nicht oder kaum treffen würden, geschweige denn zusammen Widerstand leisten würden. Wir sind aufgeteilt in unzählige Teilbereichsbewegungen, die wiederum zerstritten sind über die zu folgende Strategie. Bei Gipfelprotesten kommt jedoch alles und jedeR zusammen und vieles beginnt sich zu überschneiden. Diese gegenseitige Inspiration hat wichtige Konsequenzen.

3) Weil es eine Lehrschule für Widerstand ist. Die Proteste, ihre Vorbereitungen und die Camps bieten für viele Menschen die Möglichkeit, neue Erfahrungen zu sammeln. Es handelt sich hier um eine lebende Schule für Selbstorganisation, theoretische Analyse, Diskussionskultur, Aktionsformen, usw. Schon das Mithelfen beim Entstehen eines Camps, zu erleben, wie Menschen, die sich davor oft noch gar nicht gekannt haben, in schwierigen Umständen rasendschnell etwas zusammen aufbauen, ist etwas, was jedeR zumindest einmal im Leben mitgemacht haben muss. Außerdem entstehen hierdurch Räume, in denen Menschen, die sich zum ersten Mal entschlossen haben Widerstand gegen herrschaftliche Verhältnisse zu leisten, Kontakte knüpfen können mit anderen Menschen, die schon länger politisch aktiv sind. Blockade- und andere Aktionen sorgen auch für verblüffende Erfahrungen, die ganze Leben verändern können und Menschen zeigen, dass Veränderung und Widerstand möglich ist. Diese Erfahrungen werden schlussendlich an anderen Orten rundum andere Themen eingesetzt und weiter verbreitet.

4) Wegen des „Spin-off“-Effekts: Die Auswirkungen von solchen massiven Aktionen sind vielfältiger als allein der direkte Effekt am Ort während der Gipfelproteste. Ein großer Teil der Gesellschaft kann beeinflusst werden, die Massenmedien, die Gespräche in der Bäckerei und im Bus. Viele Menschen reden auf einmal über Themen, die sie ohne wirkungsvollen Widerstand nicht angesprochen hätten. Das heißt natürlich nicht, dass sie den Aktivisten gleich in allem zustimmen, aber sie unterhalten sich zumindest darüber und beschäftigen sich damit. Dies kann einfach verglichen werden mit Gipfelkonferenzen, gegen die nicht protestiert wurde, was bis vor ein paar Jahren oft der Fall war. Dann überherrscht nämlich das Bild in den Medien, dass die Herrschenden wichtige Beschlüsse gefasst haben, und es sind nur grinsende, maßgeschneiderte Anzüge auf den Titelseiten zu sehen. Heute sind WIR auf den Titelseiten. Der „Spin-off“-Effekt geht jedoch noch viel weiter: Netzwerke und Bündnisse, die sich während der Tage der Gipfelproteste bilden, Aktivisten, die wieder nach Hause zurückkehren und inspiriert sind, um weiter zu machen. Denn natürlich sieht niemand einen Gipfelprotest als Endstation. Es handelt sich nur um einen Moment im alltäglichen Streit für ein ganz anderes Ganzes. Ein ziemlich wichtiger Moment, jedoch, der gut genutzt werden sollte.

5) Ritual und Spektakel? Die oft zu hörende Argumentation, dass Gipfelproteste eine durch die Autoritäten organisierte Falle sind, der massenweise Aktivisten auf den Leim gehen, stimmt nicht. Die Machthabenden sind viel lieber ungestört unter sich. Heutzutage sind sie gezwungen, sich einzugraben und abzuschirmen mit Polizei und Militär, um sich die wütende Weltbevölkerung vom Halse zu halten. Sie haben große Schwierigkeiten, sich unter diesen Umständen zu legitimieren, und sind dadurch gezwungen allerlei pseudo-progressive Versprechen zu machen. Das haben wir also schon erreicht. Natürlich lernen auch sie von Erfahrungen aus der Vergangenheit. Aktivisten müssen größten Einfallsreichtum aufweisen, um die Elite stets weiter unter Druck zu setzen. Zweifelsohne ist es sinnvoll zu erkennen, dass Gipfelproteste viel Geld, Zeit und Arbeit kosten, etwas, das auch für andere Zielsetzungen eingesetzt werden könnte. Und die Verherrlichung von militantem Verhalten kann sehr ärgerlich und unproduktiv sein. Noch viel gefährlicher ist jedoch die Ritualisierung von den machtlosen politischen Methoden der gemäßigten Nichtregierungsorganisationen in Absprache mit den Autoritäten, wie zum Beispiel symbolische Massendemonstrationen. Diese kosten auch viel Zeit, Geld und Energie, und sind meistens auch noch tot-langweilig.

Das alleinige Organisieren von lokalen und „positiven“ Aktivitäten ist auch keine Option, weil sich dann die herrschende Elite ins Fäustchen lacht. So wenn und dann müssen wir probieren, alle zusammen zu kommen und „global“ auf zu trumpfen, um wieder auseinander zu gehen und lokal weiter zu streiten.

Noch etwas: nicht alle Aktionen, die oft wiederholt werden, sind per Definition überholt. Streiks von Arbeitern gegen ihre Bosse bestehen schon hunderte von Jahren, und sind immer noch notwendig und verbuchen Resultate.

6) Um aus der erstickenden Konsensusdemokratie auszubrechen. Um zumindest für einen Moment eine andere Realität zu erleben als das ewige „konzertierte Absprachenmodell“, mit Stakeholderversammlungen, endlosen Sitzungen, Rapporten, Studien und Verbesserungsvorschlägen, ist es wichtig, um ab und zu Versuche von tatsächlichem und kompromisslosem Widerstand mit zu machen. Es geht um das yabasta! im Juni in Heiligendamm; jetzt ist es genug gewesen und wir werden probieren, den Limousinen den Weg zu versperren und auf ihren Dächern zu tanzen. In der Hoffnung, dass es diese politische Praxis ist, statt der Konsensusdemokratie, die wieder in Schwung kommt. Denn das war bis vor kurzem noch so, und damit wurden fantastische Ergebnisse erzielt (wie zum Beispiel in der Hausbesetzungsbewegung, der Frauenbewegung, der ursprünglichen ArbeiterInnenbewegung, etc.). Es gibt nur wenige Dinge auf Erden, die so befriedigend sind wie eine Party von reichen Stinkern zu vermasseln, und zu verhindern, dass sie die Welt noch weiter verpesten.

7) Aus strategischen Gründen: Obwohl die G8 eine informale Zusammenkunft ist, bei der nur vage Versprechen gemacht und keine Beschlüsse gefasst werden, werden diese Gipfel immer wichtiger und stets mehr institutionalisiert. Tausende PolitikerInnen und BeambtInnen nehmen an dem Gipfel teil, der das ganze Jahr über durch große Delegationen vorbereitet wird. Es wird deutlich, dass solche Zusammenkünfte die Struktur bilden für Absprachen zwischen den mächtigsten kapitalistischen Staaten, um ihre Politik gemeinsam zu koordinieren. Wichtige Beschlüsse, die in anderen Institutionen, wie der Welthandelsorganisation, dem internationale Währungsfond und der Weltbank, werden hier vorgekocht. Das System wird nicht einstürzen, wenn sie einen solchen Gipfel nicht abhalten können, aber es macht es durchaus um einiges schwieriger, die ganze Maschinerie gut geölt weiter laufen zu lassen. Stell dir vor, dass sie bei jeder Besprechung solche Probleme bekommen würden. Darüber hinaus geraten sie auch ideologisch in eine Abwehrposition, wenn sie nachweislich belagert werden von einer riesigen kritischen Masse.

8) Aus internationaler Solidarität. Natürlich leisten wir Widerstand gegen die G8-Regenten, weil wir selbst mit den Konsequenzen ihrer Politik zu tun haben. Gleichzeitig wissen wir, dass die Menschen, die oft am härtesten getroffen werden, in Ländern des globalen Südens wohnen, weit weg von den Städten, wo die Macht zuhause ist, wo die G8 Konferenzen gehalten werden, und wo die Geschäftszentralen der Multinationals liegen. In Ländern des Südens ist es oft ganz normal, sich mit allen Mitteln gegen die wirtschaftlichen Zwangsmaßnahmen zu wehren, wofür diese Menschen dann auch oft einen hohen Tribut zahlen müssen. Diese Menschen empfinden es als eine große Unterstützung, wenn sie sehen, dass auch in den kapitalistischen Zentren Menschen Widerstand leisten und fordern, dass ein schnelles Ende gemacht wird mit allerlei Missständen. Was das betrifft, ist es auch gar nicht einmal so verwunderlich, dass „globale“ Protestaktionen oft einher gehen mit sehr spezifischen Forderungen rundum spezifischen Themas - Unterstützung für die Ogoni, die gegen Shell streiten in Nigeria, oder für die Freilassung von politischen Gefangenen, Solidarität mit Oaxaca/ Chiapas, Weg mit Gentechnologie, ... - die mit der Politik der G8 und ihrer Regierungen zu tun haben.

Aber vor allem, um 1) zu gewinnen! Wer mitmacht, kann später an ihre/ seine EnkelInnen (oder die von den Nachbarn) erzählen, dass sie/er dabei war; es geht hier um den historischen Beginn vom Ende des kapitalistischen Alptraums.
Heiligendamm, Juni 2007, kommt alle, zahlreich und aktiv!

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