G8-Gipfel in Heiligendamm: Stacheldraht und Grönemeyer

Frankfurter Rundschau 27. März 2007

Noch zehn Wochen, dann steigt der G8-Gipfel in Mecklenburg-Vorpommern. Es kommen: acht Staatschefs, 16 000 Polizisten und vielleicht 100 000 Gipfel-Gegner.

Berlin - Am Montag war freundliches Kennenlernen und Plaudern angesagt. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD) hatte am Nachmittag Gipfel-Gegner zum Gespräch gebeten. Vom 6. bis 8. Juni treffen sich die Regierenden der mächtigsten Industrienationen plus Russland in Heiligendamm an der Ostsee. Und da war es klug, dass sich Veranstalter und Gegner des Treffens einmal bei Kaffee und Kuchen in Schwerin trafen, um sich zu beschnuppern.

“Da wird noch nicht viel herauskommen”, hatte ein Sprecher des globalisierungskritischen Netzwerkes Attac vorher gesagt. Es gehe um “Klimaverbesserung”, um geeignetere Campingplätze für die Gipfel-Gegner und den Gegen-Gipfel, den die G8-Kritiker auf die Beine stellen wollen.

Nach dem Treffen gaben sich beide Seiten zufrieden. “Wir haben ein gemeinsames Interesse, dass es heiße Debatten, nicht aber heiße Straßenschlachten geben wird”, sagte Peter Wahl vom Attac-Koordinierungskreis. Es laufe “recht positiv”. Ringstorff habe Hilfe bei der Suche nach geeigneten Zeltplätzen und Räumen für den Gegen-Gipfel in Rostock zugesagt. Ein paar Absprachen und vertrauensbildende Maßnahmen sind auch weiterhin nötig, denn was Anfang Juni am Ostseestrand über die Bühne gehen soll, wird vermutlich einer der größten Polizeieinsätze der bundesdeutschen Geschichte.

Wenn es soweit ist, wird sich das prächtige Ostseebad in einen Hochsicherheitstrakt verwandelt haben. Deutlichstes Zeichen ist der Zaun: Das mehr als 12,5 Millionen Euro teure Bauwerk, 2,50 Meter hoch und mit Kameras und Bewegungsmeldern ausgerüstet, wird gerade fertiggestellt. Oben drauf wird Stacheldraht gerollt, unten ein Schutz montiert, der verhindern soll, dass Gegner unter dem Zaun durchkriechen.

In den vergangenen Wochen stimmte die Polizei die Mecklenburger auf das Riesenspektakel ein. Die Menschen sind großenteils wenig erfreut, weder über die immensen Kosten, noch über die Einschränkungen. Es werden Straßen gesperrt, das Innere des Zaunareals wird Hochsicherheitszone.

Vor der Küste wird ein Seegebiet für jedes Schiff, jeden Segler, Surfer und andere Freizeitkapitäne abgesperrt, elf mal 21 Kilometer groß. Der Luftraum über Heiligendamm ist im Umkreis von 50 Kilometern bis in zehn Kilometer Höhe für Flieger verboten. Angeblich sollen sogar US-Kriegsschiffe in der Ostsee patrouillieren und den Badeort vor Raketenattacken beschützen.

Die Gegner des etwa 100 Millionen Euro teuren Treffens haben für die Zeit vom 5. bis 7. Juni einen Gegengipfel organisiert. Zehn Podiumsveranstaltungen, rund hundert Seminare zu Themen, mit denen sich die G8-Regierenden befassen wollen, stehen auf dem Programm.

Außerdem will man sich ausgiebig den Themen Umwelt, Migration, Zukunft der Arbeit und Armutsschere zwischen Nord und Süd widmen. “Wir wollen zeigen, dass es Alternativen zur Politik der Industrienationen gibt”, erklärte Attac. Auch musikalische Prominenz wird dazustoßen: Herbert Grönemeyer und wohl auch Bono und U2 werden Anfang Juni in Rostock ein Konzert geben. Das Motto lautet: “Deine Stimme gegen Armut.” Bernhard Honnigfort

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