Motorola will ins Wohnzimmer - Neuer Deutschland-Chef Gerbershagen treibt die Vernetzung voran

Wormser Nachrichten 24.03.2007

Kas. TAUNUSSTEIN Der neue Deutschland-Chef von Motorola, Ralf Gerbershagen, setzt neben der Weiterentwicklung der Mobiltelefone auf die Vernetzung von Büro- und Wohnzimmer-Welten. Zudem ruhen die Hoffnungen auf dem Infrastruktur-Aufbau für die Internet-Funkverbindung Wimax.

Mit dem Erfolg des 2004 eingeführten flachen Klapphandys "Razr" hat Motorola gegenüber Weltmarktführer Nokia Boden gut machen können. Doch der "Razr"-Lebenszyklus geht zu Ende und Branchenbeobachter rätseln, was sich Motorola nun einfallen lässt. "Wir werden die Marke des mit acht Millionen Stück bestverkauftesten Handys der Welt nicht aufgeben", betont Motorola-Chef Gerbershagen im Gespräch mit dieser Zeitung. "Das Nachfolgemodell wird in diesem Sommer kommen."

Das von Apple eingeführte Musikhandy iPhone sieht Gerbershagen eher mit Wohlwollen. "Das wird der Branche insgesamt nutzen,, auch wenn sich Apple ein Stück vom Kuchen sichert." Die von Analysten vorgetragene Kritik, dass es riskant sei, mit niedrigen Preisen Marktanteile auszuweiten, quittiert Gerbershagen mit einem Achselzucken: Wenn ein Unternehmen Profit in den Vordergrund stelle, sagt man, was nutzt es, wenn dann kaum noch Umsatz erzielt wird. Wenn der Marktanteil auf Kosten des Gewinns steigt, hieß es, womit soll die Produktentwicklung bezahlt werden. "Unser Ziel ist profitables Wachstum." Aber der Preisdruck bei Handys in Europa sei "irre". Zudem konnte SonyEricsson mit seiner Kamera-Lösung punkten. Motorola hatte die weltweite Gewinn- und Umsatzprognose für dieses Jahr - wie berichtet - von 10,4 Milliarden Dollar auf 9,2 bis 9,3 Milliarden Dollar reduziert. Damit würde der Umsatz erstmals seit vier Jahren wieder sinken. Dementsprechend nervös reagierte die Börse.

Motorola befindet sich ohnehin im Umbruch. Nach dem Verkauf der Halbleiter- und Automotive-Sparte wurden zielstrebig neue Geschäftsfelder aufgebaut. Neben den Handys gehören nun Scannertechnologien, Funketiketten (RFID), Netzinfrastruktur und die Vernetzung von Büro, Arbeits- und Wohnzimmer zum Repertoire. So bietet eine Motorola-Tochter nun Set-Up-Boxen für das digitale TV an. Ziel ist der mobile Zugang zu Information, Unterhaltung und Kommunikation an jedem Ort zu jeder Zeit mit jedem Endgerät. Gerbershagen: "Sie entkommen uns nicht, egal ob sie im Büro, im Auto oder auf der Couch sitzen."

Der Aufbau der Infrastruktur für die Breitband -Funkverbindung Wimax, den Motorola laut Gerbershagen vorantreiben will, wird schnelle Internet-Angebote auch auf dem flachen Land ermöglichen. "Ende des Jahres geht es los." Ein Dauerbrenner bleibt die digitale Funktechnik, bei der Motorola weltweit führend ist. Der Standort Berlin ist mit 450 Beschäftigten das weltweite Zentrum für die so genannte Tetra-Technologie.

Nachdem der Auftrag für den Aufbau des bundesweiten Polizeifunks an EADS gefallen ist, hat Motorola nun überraschend den prestigereichen Auftrag für die Installation des digitalen Funk-Sicherheitsnetzes während des G8-Gipfels in Heiligendamm erhalten. EADS und T-Systems hatten nach Durchsicht der Ausschreibung kein Angebot abgegeben. So wird EADS spätestens bei den Referenznetzen für den bundesweiten Digitalfunk Farbe bekennen müssen, ob sie die Technologie in der Praxis beherrschen. Motorola will sich aus dieser Diskussion heraushalten, wie Gerbershagen betont. "Ein zweites Desaster wie Toll-Collect nützt niemanden." An der Ausschreibung der Endgeräte werde sich Motorola beteiligen. Ohnehin "räumen wir fast jeden Auftrag ab, der ausgeschrieben wird". Am Flughafen München wird der Aufbau des Digitalfunknetzes Ende Juni abgeschlossen sein. Ein weiterer regionaler Flughafen steht auf der Warteliste.

Die Motorola GmbH hatte im Jahr 2005 insgesamt den Umsatz von 4,23 auf 5,44 Milliarden Euro gesteigert. Davon wurden 730 Millionen in Deutschland, 3,32 Milliarden in der restlichen EU und 1,38 Milliarden Euro im übrigen Ausland erzielt. Das Ergebnis vor Steuern kletterte von 103199 Euro auf 128933 Euro. Die Zahl der Beschäftigten nahm von 2318 auf 2504 zu. Aktuelle Zahlen werden laut Motorola im zweiten Vierteljahr vorgelegt. "Aber es sieht gut aus, so viel kann verraten werden", betonte Gerbershagen.