Polizei behindert die Suche nach Zeltplätzen

junge welt 22. März 2007

Nach mehrmonatigen Verhandlungen gibt es erst zwei Camps für Gegner des G-8-Gipfels im Sommer. Ein Gespräch mit Dieter Rahmann. Interview: Ralf Wurzbacher

Dieter Rahmann bereitet die Proteste gegen den G-8-Gipfel in Heiligendamm mit vor. Er ist Mitglied der Camp-AG, die mit Polizei und Behörden über geeignete Zeltplätze für Gegner des Gipfeltreffens verhandelt

Wie ist der Stand der Verhandlungen um geeignete Camp-Plätze für Gegner des G-8-Gipfels, der im Sommer in Heiligendamm (Mecklenburg-Vorpommern) stattfindet?

Obwohl wir inzwischen seit mehreren Monaten verhandeln, konnte bis dato lediglich ein Ergebnis erzielt werden. Vergangene Woche erhielten wir die Zusage, ein kleineres Camp für rund 3000 Leute in Reddelich, sechs Kilometer südlich von Heiligendamm, errichten zu können. Das reicht aber bei weitem nicht aus. Nach unserer Einschätzung besteht Platzbedarf für mindestens 15000 Menschen.

Welche Lösung streben Sie an?

Wir wünschen uns möglichst wenige, aber dafür großflächige Camps. Da es Proteste sowohl in Rostock als auch am Zaun um Heiligendamm geben wird, brauchen wir genau dort ortsnahe Campingflächen. Wir suchen noch einen Platz in Rostock und ein geeignetes Gelände zwischen Bad Doberan und Rostock, von wo aus beide Protestschauplätze gut zugänglich sind.

Warum kommt für Sie der Standort Lambrechtshagen westlich von Rostock nicht in Frage? Laut einer Mitteilung des polizeilichen Planungsstabs von vergangener Woche sei dort eine Campingfläche genehmigt worden.

Die Meldung entbehrt jeder Grundlage. Wir haben in der Tat mit einem Grundstückseigentümer in Lambrechtshagen gesprochen, der aber lediglich zwei statt der von der Polizei genannten zehn Hektar zur Verfügung stellen könnte. Davon wäre nur ein Hektar für unsere Zwecke nutzbar gewesen, die Fläche hätte bloß 400 Leuten Platz geboten. Es macht aber keinen Sinn, zahllose Minicamps aus dem Boden zu stampfen – das schafft nur gewaltige Kosten, erschwert die Logistik der Proteste, und da uns eine Vernetzung sehr wichtig ist, sind solche Kleinstcamps auch aus politischen Gründen abzulehnen.

Ist diese Falschmeldung beispielhaft für die Verhandlungstaktik der Polizei?

Die Polizei spielt ein doppeltes Spiel. Nach außen mimt sie den großen Freund und Helfer, während sie uns in der Praxis bei jeder Gelegenheit Knüppel zwischen die Beine wirft. Die monatelange Weigerung des Planungsstabs der Polizei, konkrete Gebiete zu benennen, wo sie Camps zulassen wollen und wo nicht, führt bei den beteiligten Kommunen zu Verunsicherungen und schmälert deren Kooperationsbereitschaft. Unsere Suche wird dadurch behindert.

Ist dieses Verhalten nicht auch Teil der umfassenden Kampagne der Sicherheitsorgane gegen die G-8-Proteste?

Davon ist leider auszugehen, und das belegen auch die Geschehnisse vom 11. März. Als Mitglieder der Camp-AG das Gelände in Reddelich begehen wollten, erschien die Polizei, sperrte in Wildwestmanier die Straße ab, durchsuchte unsere Fahrzeuge und nahm unsere Personalien auf. Dreist und gleichzeitig peinlich ohne Ende, wie die Polizei selbst mit ihren offiziellen »Verhandlungspartnern« umspringt.

Die Polizei setzt auf Kriminalisierung, nicht auf Kooperation?

Das ist das eine. Dazu kommt noch die Hoffnung der Polizei, alles in den Griff zu bekommen, wenn man die Demonstranten so weit wie möglich entfernt vom Geschehen unterbringt. Die Polizei weist daher auch immer wieder auf das beschlossene Camp in Bützow hin. Dieses liegt nicht nur 40 Kilometer von Heilgendamm entfernt, es wird auch noch umzäunt, von einem privaten Sicherheitsdienst bewacht und auf rein kommerzieller Basis betrieben. Das ist keine Alternative. Die große Masse der Gipfelgegner wird direkt an die Orte des Geschehens kommen, egal ob es dort ein, zwei oder drei Camps gibt.

Wie steht es um die Unterstützung seitens der Politik?

Das ist unterschiedlich. Vom Amt »Bad Doberan Land« erhalten wir vergleichsweise große Unterstützung, während wir bei der Stadtvertretung Bad Doberan nur auf taube Ohren stoßen. Die Behörden in Rostock sind begrenzt kooperativ, auf politischer Ebene zeigt man sich den Protesten gegenüber ignorant, wie ein Bürgerschaftsbeschluß vom 14. März offenbart: Die bürgerlichen Fraktionen einschließlich jener der Linkspartei vertagten die Behandlung eines Antrags der SAV mit Forderungen nach akzeptablen Unterkünften und Öffnungen der Schulen für Gipfel-Gegner auf den 9. Mai, das ist drei Wochen vor dem Gipfel.

22.03.2007 / Inland / Seite 8