München - Am 15.03.07 Verurteilte das Münchner Amtsgericht in einer schnellen Verhandlung einen Teilnehmer der Proteste gegen die Sicherheitskonferenz 2006 zu 11 Monaten Haft. Dem Antiimperialisten Chris Sedlmair aus Dachau, jahrelang
aktiv in der Solidaritätsarbeit mit dem irakischen Widerstand wurde zur Last gelegt, am Rande der Abschlußkundgebung der Proteste gegen die NATO-Kriegsverbrecherkonferenz in einem Handgemenge mit einer Fahnenstange einen verbeamteten Schläger des USK beinahe verletzt zu haben. In diesem Handgemenge sei ein festgenommener Demonstrant wieder befreit worden.
Die Anklage lautete auf versuchte gefährliche Körperverletzung in Tateinheit mit Gefangenenbefreiung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Ein von der Polizei vorgeschnittenes Video reichte (Hin-)Richter Findl und Staatsanwalt Stern als Beweis. Der Verteidigung in Gestalt von Rechtsanwalt Stephan Lucas
gelang es nicht als Pflichtverteidigung beigeordnet zu werden. Ebenso wurden in diesem politischen Schauprozeß nahezu sämtlichen anderen Anträge der Verteidigung abgelehnt.
Im Gegenzug wurde ein Deal vorgeschlagen, den der Angeklagte aufgrund seiner finanziellen Lage hinnehmen mußte. Dieser Beinhaltete eine 11-monatige Freiheitsstrafe, zu drei Jahren auf Bewährung ausgesetzt, sowie zusätzlich 150 Arbeitsstunden.
"Es wäre mit dem kompletten Video vielleicht noch ein oder zwei Monate weniger 'rausgekommen, falls die Gesamtsituation darauf einzuschätzen gewesen wäre.
Anderenfalls wahrscheinlich eine Strafe über einem Jahr. Wir hätten eventuell die Brutalität der Polizei gegen eindeutig minderjährige Demonstrationsteilnehmer beweisen können. Mehr aber auch nicht. Und es ist bekannt daß Polizeibrutalität selbst dann kaum geahndet wird. Wir mußten überelgen, ob es das Wert gewesen wäre, angesichts der dann sicherlich explodierenden Verfahrenskosten, die ich hätte schultern müssen. Der Richter
hat das angedeutet. Es blieb mir keine andere Wahl." So kommentiert Sedlmair selbst in einer Pause das Verfahren.
Armut immer mehr zur entscheidenden Frage der Rechtsprechung. Und politisch motivierte Polizeibrutalität, die sich in Bayern immer häufiger gegen minderjährige Demonstranten richtet, zum Gewohnheitsrecht. Nach Verlesung der Anklage, einer Präsentation des Videoschnittes, etlichen Pausen und Gesprächen
und schließlich dem Geständnis wurde zur Enttäuschung der Jura-Studentinnen und-Studenten im Publikum kurz und für Richter wie Staatsanwalt schmerzlos das Urteil verkündet. Politische Schnelljustiz aufgrund der mittellosigkeit des Angeklagten wird ihren wiederhall im Bewußtsein der zukünftigen Juristen haben.
Bei den Aktiven ist jedenfalls kaum noch etwas positives zu erwarten.
Im Prozeß hatte das Geständnis des Angeklagten kaum strafmildernde Wirkung.