Samba gegen Transpi-Kondom

ND 16. März 2007

Der 1. Mai ist einer der Höhepunkte im linksradikalen Terminkalender Berlins. Aber auch in diesem Jahr war die Szene nicht in der Lage, sich auf ein gemeinsames Konzept zu einigen.

Eigentlich hätte alles so schön werden können: Anknüpfend an den Erfolg des letzten Jahres, als beim ersten »Mayday« in Berlin mehrere Tausend Menschen demonstrierten, lud die Gruppe FelS (Für eine linke Strömung) zu Bündnistreffen. Prekarität soll das bestimmende Thema des diesjährigen Mai sein. Und man wolle auch Menschen, »die sonst nicht mehr auf Demos gehen«, erreichen, betonte FelS in Abgrenzung zum klassisch autonomen Konzept den Charakter der Demo: »Zum Mitmachen animiert man nicht, wenn man schon durch einen Transparent-Kondom (wir meinen die kondommäßig um die Demospitze zusammengeknoteten Transparente) signalisiert: Wir wollen unter uns bleiben.«

Statt die autonome Demonstrationskultur zu pflegen, soll die Mayday-Parade »offen« und »bunt« sein und durch eine Sambagruppe angeführt werden. Auch in der Szene war in den Jahren zuvor die Skepsis gewachsen, ob die jährlichen Scharmützel mit der Polizei mit den revolutionären Zielen der aufrufenden Gruppen noch zu tun hätten oder längst zum entpolitisierten Ritual verkommen wären.

Immer weniger Menschen beteiligten sich an der traditionellen 18-Uhr-Demo. Im letzten Jahr fiel sie erstmals ganz aus – zu Gunsten des nachmittäglichen Mayday. Bei der diesjährigen Vorbereitung stieß neben der von FelS geforderten Zuspitzung auf das »Prekariat« aber gerade der bewusste Bruch mit der linksradikalen Tradition auf die Ablehnung vieler bei den Bündnistreffen anwesender Gruppen.

Seit 1987, als ein Kreuzberger Volksfest in Straßenschlachten mit der Polizei und die legendäre gemeinschaftliche Plünderung des Bolle-Kaufhauses mündete, mühen sich einige alljährlich um eine Neuauflage. Die 18-Uhr-Demonstrationen mit anschließendem Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei wurden um die Jahrtausendwende zum Großereignis der Szene – zu dessen Ritualen auch die Kampagne der Boulevardpresse gegen »Chaoten« und »Randalierer« gehörte.

Gerade am 20. Jahrestag des »Volksaufstands« in Kreuzberg in diesem Jahr wollen viele Gruppen auf eine militante Demo, die den Bruch mit den kapitalistischen Verhältnissen plakativ in den Vordergrund stellt, nicht verzichten. Inzwischen hat sich dieser Kreis, zu dem unter anderem auch die Antifaschistische Linke Berlin (ALB) gehört, auf eine eigene Demonstration um 18 Uhr verständigt. Mit der Spaltung ist allerdings auch die ALB unzufrieden. Es sei bedauerlich, so ein Sprecher, dass es ausgerechnet im G 8-Jahr »aus gruppenegoistischen Gründen« nicht gelungen sei, ein »Aufbruchsignal der Linken« auszusenden. Man werde aber nicht nur für die eigene Demo sondern auch für die Mayday-Parade mobilisieren.

http://berlin.euromayday.org
http://www.g8-2007.de

Von Marek Voigt
16.03.07