Bad Doberan will sich von „Altlast“ Hitler befreien

Ostsee Zeitung 14. März 2007

Bad Doberan (dpa) Bevor internationale Schlagzeilen größeren Schaden anrichten, will Bad Doberan Adolf Hitler aus der Liste der Ehrenbürger der Stadt entledigen. Der Name soll so rasch wie möglich gestrichen werden. Unabhängig davon, ob Hitler den Ehrenbürger-Status überhaupt noch hat. Knapp drei Monate vor dem G8- Gipfel der wichtigsten Staatschefs in Heiligendamm sorgt die vor rund 75 Jahren ausgesprochene Ehrung für reichlich Wirbel. Das Ostseebad Heiligendamm wird von der nahen Kreisstadt Bad Doberan verwaltet.

Die Stadtverordneten verfassten eilig einen überfraktionellen Antrag, wonach Hitler auch formell die Ehrenbürgerschaft aberkannt werden soll. Bei der nächsten Sitzung des Stadtparlaments am 2. April soll dieser verabschiedet werden. „Wir sind eine weltoffene Stadt und mit diesem Beschluss soll das auch noch einmal deutlich gemacht werden“, betont Bürgermeister Hartmut Polzin (SPD). Die Zeit drängt. Denn mittlerweile beschäftigt die Diskussion auch schon Medien in den USA und in Großbritannien.

Hitler und andere Nazi-Größen waren während der Zeit des Nationalsozialismus massenhaft zu Ehrenbürgern in Gemeinden und Städten ernannt worden. In den vergangenen Jahrzehnten wurde dies in den meisten deutschen Orten wieder rückgängig gemacht.

Auch Reichspropagandaminister Joseph Goebbels hatte sich früher im Ostseebad Heiligendamm entspannt. „Gefaulenzt. Palaver mit dem Führer“, schreibt er im Juli 1935 in sein Tagebuch. Adolf Hitler selbst wurde den Aufzeichnungen seines Ministers zufolge begeistert in dem Ort empfangen: „Die Leute sind rührend, die Frauen weinen vor Freude“, heißt es weiter. In Bad Doberan war die Hitler-Euphorie wohl besonders groß. Schon im August 1932, so ist sich Historiker Hermann Langer sicher, verlieh die Stadt als erste im Deutschen Reich Hitler die Ehrenbürgerschaft.

Die Frage ist nun, ob die Ehrenbürgerschaft mit dem Ende des NS- Regimes 1945 sozusagen automatisch endete, ob sie seitdem offiziell getilgt wurde oder ob sie immer noch fortbesteht. Die Stadtverordneten in Bad Doberan wollten offenbar nicht warten, bis diese Frage geklärt ist, und legten den Beschlussantrag vor.

Die jüngste Aufmerksamkeit und Diskussion wurde ausgelöst von Gegnern des G8-Gipfels. Die „Gipfelsoli Infogruppe“ wollte mit ihrem Hinweis auf die Ehrenbürgerschaft Hitlers nach eigenen Angaben der Vereinnahmung des Gipfels durch Rechtsextreme entgegenwirken. „Die NPD nutzt den G8-Gipfel für völkische, nationale und menschenverachtende Propaganda“, meint die Gruppe.

Dass die Ehrenbürgerschaft verliehen wurde, steht für Historiker Langer außer Frage: „Nach dem 31. Januar 1933 hat die Stadt Hitler zur Wahl zum Reichskanzler und gleichzeitig zur Ehrenbürgerschaft gratuliert. Im März hat er sich dafür bedankt.“ Die NSDAP-Mehrheit unter den Doberaner Stadtvertretern war im August 1932 offensichtlich der Meinung, dass die Ehrenbürgerschaft nicht ausreicht, um Hitler gerecht zu werden: „Eine Straße wurde nach ihm benannt und auf dem Rathaus wehte zwei Tage lang die Hakenkreuzfahne.“ Und das ein halbes Jahr vor der Machtergreifung im Reich. In Mecklenburg-Schwerin regierte die NSDAP allerdings schon seit der Landtagswahl am 14. Juli 1932 mit absoluter Mehrheit.

Der nationalsozialistische Bürgermeister Karl-Heinz Albrecht plante seinerzeit laut Langer eine weitere Demonstration der Ergebenheit. Heiligendamm, das älteste deutsche Seebad, sollte offiziell zum Sommersitz des Führers erkoren werden. „Der erste Besuch Hitlers ist für den Juni 1932 belegt, damals im Wahlkampf. Weitere Aufenthalte gab es im Mai 1933, Juli 1935 und im Sommer 1936.“ Auch Italiens Diktator Benito Mussolini zeigte Hitler die „weiße Stadt am Meer“. Doch aus den Plänen eines Heiligendammer Sommersitzes wurde nichts, Hitler zog den Obersalzberg bei Berchtesgaden der Ostsee vor.