«Es gibt keine Reststrukturen der RAF»

Netzeitung 5. März 2007

Linksextremistisch motivierte Gewalt ist noch immer ein Problem, meint Bundes- Verfassungschützer Fromm im Interview mit Netzeitung.de. Bei den jüngsten Äußerungen von Ex-RAF-Mann Klar sieht er aber «keinen terroristischen Bezug».

Netzeitung.de: Herr Fromm, ihr Stuttgarter Kollege, der baden-württembergische Verfassungsschutz-Präsident Johannes Schmalzl, hat im vergangenen Jahr davor gewarnt, die Gefahr von links zu unterschätzen. Man müsse mit weiteren linksterroristischen Anschlägen rechnen, zumal es noch «Reststrukturen der RAF» gebe.

Heinz Fromm: Wir unterschätzen den Linksextremismus keineswegs. Besonders im Hinblick auf den G8-Gipfel ist das Thema für uns von besonderem Interesse. Linksextremistisch motivierte Gewalt ist immer noch ein Problem, jedoch nicht mehr in der Ausprägung der 70er bis 90er Jahre, als die RAF aktiv war. Es gibt keine Belege dafür, dass noch aktionsfähige Reststrukturen der RAF existieren. Die Auflösungserklärung der RAF vom März 1998 war authentisch. Wir gehen davon aus, dass die RAF als terroristische Gruppierung nicht mehr existent ist.

Netzeitung.de: Die Geisteshaltung ist ja noch vorhanden, wenn man sich die jüngsten Äußerungen von Christian Klar ansieht. Es fehlt also nur noch der Aufruf zur Gewalt.

Fromm: Derartige Äußerungen hat es, unabhängig von Herrn Klar, immer wieder gegeben. Wir nehmen sie selbstverständlich zur Kenntnis, auch wenn sie keinen terroristischen Bezug haben.

Netzeitung.de: Die Ex-RAF-Terroristin Mohnhaupt wird bald auf Bewährung freigelassen, bei ihrem einstigen Mitstreiter Christian Klar geht es um eine mögliche Begnadigung. Steht zu befürchten dass die aktuelle Debatte darüber Linksextremisten Auftrieb geben könnte?

Fromm: Das sehe ich nicht.

Netzeitung.de: Aber Kapitalismuskritik in der Form, wie sie der Ex-Terrorist Christian Klar vortrug, dann noch von einem Prominenten bekräftigt, ist das nicht auch Anlass für den Verfassungsschutz, aktiv zu werden?

Fromm: Eine bloße Meinungsäußerung bietet grundsätzlich keine Anhaltspunkte für eine Beobachtung. Der Verfassungsschutz beobachtet verfassungsfeindliche Bestrebungen. Insofern prüfen wir, was Organisationen, Gruppierungen oder Personen tun, die wir als linksextremistisch einschätzen.

Netzeitung.de: Wann wäre Systemkritik ein Beobachtungsgegenstand?

Fromm: Es kommt im Einzelfall darauf an, wie die Kritik am «kapitalistischen System» zu bewerten ist. Oftmals ist damit die staatliche Ordnung gemeint, wie sie in unserem Grundgesetz geregelt ist. Wenn erkennbar ist, dass diese Ordnung durch zielgerichtete Aktivitäten beseitigt werden soll – wir sprechen von einer Bestrebung – ist die Zuständigkeit der Verfassungsschutzbehörden eröffnet.

Netzeitung.de: Der frühere Präsident des Bundeskriminalamtes, Hans-Ludwig Zachert, glaubt, die früheren RAF-Terroristen Mohnhaupt und Klar könnten in Freiheit eine Gefahr darstellen und sich «gegenseitig aufschaukeln».

Fromm: Die Frage einer Freilassung früherer RAF-Terroristen wird von den hierfür zuständigen Stellen geprüft und entschieden. Deshalb beteilige ich mich auch nicht an einer solchen Diskussion.

Netzeitung.de: Das Grußwort von Klar wurde bei einer Berliner Linkspartei/PDS-Veranstaltung verlesen und der Anwalt von Klar meinte, inhaltlich könnte das auch vom globalisierungskritischen Netzwerk Attac kommen. Zählen Sie die Linkspartei bzw. Attac zu den für den Verfassungsschutz interessanten Organisationen?

Fromm: Attac wird von uns nicht als extremistisch eingeschätzt und infolgedessen auch nicht beobachtet. Bei der PDS sieht das anders aus. Bei ihr sehen wir tatsächliche Anhaltspunkte für extremistische Bestrebungen. Deswegen wird die PDS vom BfV beobachtet – allerdings ohne den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel. Das heißt: Wir setzen keine V-Leute ein, wir observieren nicht, und wir hören schon gar keine Telefonate ab. Wir bewerten nur das, was öffentlich zugänglich ist.

Netzeitung.de: Der G8-Gipfel ist immer auch ein Ziel von Globalisierungskritikern. Wie sicher ist der Gipfel, der in Heiligendamm im Juni stattfindet?

Fromm: Wir haben keine Hinweise darauf, dass der Gipfel selbst gestört werden könnte, auch wenn bereits seit einiger Zeit Mobilisierungen im linken Spektrum festzustellen sind. Zum Protestpotenzial zählen Globalisierungsgegner aus dem nichtextremistischen Bereich, aber auch eine Reihe von unterschiedlichen extremistischen Gruppierungen. Inzwischen zweifeln die Veranstalter an der ursprünglich genannten Zahl von bis zu 100.000 Demonstranten. Stattdessen geht man von rund 50.000 Teilnehmern aus. Es ist nicht auszuschließen, dass es während des Gipfels bei Demonstrationen auch zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kommt.
Bislang hat es im Zusammenhang mit dem G8-Gipfel 16 Brandanschläge im norddeutschen und berliner- bzw. brandenburger Raum gegeben. Das macht uns Sorgen, weil bis zum Beginn des Gipfels mit weiteren Anschlägen gerechnet werden muss. Die Aktionen richten sich überwiegend gegen das Eigentum von Personen und Firmen, die von den Tätern für die negativen Folgen der Globalisierung verantwortlich gemacht werden.