- 48 Stunden Haft wegen Radfahren abseits der Radwege

- Anti-G8-Karawane protestiert aufs Schärfste gegen unverhältnismäßigen Polizeieinsatz und Mißhandlungen

- Juristisches Nachspiel für Festgenommene und Polizei

Auch nach 48 Stunden Haft wurde die letzte der 100 Anti-G8 FahrradaktivistInnen, die am Samstag in Utrecht (Niederlande) festgenommen worden waren heute, noch immer nicht freigelassen. In einer offenbar im Voraus geplanten Polizeiaktion waren die TeilnehmerInnen der Fahrradkarawane und UnterstützerInnen am Samstag festgenommen worden als sie die Stadt verlassen wollten. Die FahrradfahrerInnen waren ohne Vorwarnung plötzlich von einer polizeilichen Spezialeinheit mit gezogenen Schlagstöcken sowie berittener Polizei eingekesselt worden. Unter dem Vorwand, die RadfahrerInnen wären nicht auf dem Fahrradweg gefahren, begann die Polizei dann alle festzunehmen. Die Fahrräder wurden beschlagnahmt und abtransportiert, wobei Schlösser aufgebrochen und zahlreiche Fahrräder beschädigt wurden. Nach ihrer Freilassung berichteten DemonstrantInnen von unverhältnismäßiger Polizeigewalt während der Festnahmen.

Die Mißhandlungen setzten sich in den Zellen fort. Über Stunden wurden die GipfelgegnerInnen in überbelegten Zellen festgehalten - 25 Personen in einer 4x4m großen Zelle - wo sie wegen der fehlenden Belüftung unter Sauerstoffmangel litten und nicht mit Essen versorgt wurden. Als Nachts die ersten DemonstrantInnen freikamen, häuften sich Berichte über Einschüchterungsversuche der Polizei. "Sie sagten uns, was sie heute getan hätten sei tolerant gegenüber dem, was sie mit uns anstellen würden, wenn wir weitere Aktionen durchführen sollten" sagte Antje, eine Teilnehmerin der Karawane.

Für die internationalen Mitglieder der Karawane kamen die Festnahmen und das gewalttätige Vorgehen der Polizei ebenso überraschend wie niederländische AktivistInnen. "Das war für niederländische Verhältnisse eine sehr ungewöhnliche Polizeiaktion" sagte Antje. "Ich mache seit Jahren Fahrradaktionen und kann mich nicht erinnern, daß soetwas schonmal passiert ist." Andree Narres vom Infobüro der Fahrradkarawanen ist empört: "Ich finde keine andere plausible Erklärung, als daß Politik und Polizei alle Hebel in Bewegung setzen, um jeglichen Protest schon im Vorfeld des G8-Gipfels zu verhindern, zu schikanieren und zu kriminalisieren." Es bestehe die Befürchtung, daß die Aktion durchgeführt worden sei, um der Fahrradkarawane die Einreise nach Deutschland zu erschweren. "Die Polizei hat viele festgenommene Personen schließlich nicht wegen der bloßen Ordnungswidrigkeit des Radfahrens auf der Straße angezeigt, sondern wegen angeblichen Widerstandes gegen die Staatsgewalt, ein Straftatbestand, der vor Gericht verhandelt wird."

"Wir werden uns aber nicht einschüchtern lassen" sagt dazu Antje. Tatsächlich nahmen am Sonntag trotz der für die meisten bis tief in die Nacht andauernden belastenden Hafterfahrung auch freigelassene Mitglieder der Fahrradkarawane an den zuvor geplanten Aktionen teil; im nahegelegenen Zeist kam es zu einer antirassistischen Inspektion eines Abschiebelagers und in Utrecht versammelten sich 50 Personen zu einer lautstarken Demonstration vor der Polizeiwache. Ihren Zeitplan konnte die Karawane jedoch nicht einhalten - die politischen Gruppen in Nimwegen, die das Eintreffen der Karawane zum Auftakt der lokalen Anti-G8 Aktionstage nutzten wollten, mußten alleine beginnen.

Ein juristisches Nachspiel soll der Vorfall aber nicht nur für die Fetsgenommenen haben. Die Rechtshilfe Utrecht will zusammen mit vielen Betroffenen die Polizei wegen des unverhältnismäßigen Polizeieinsatzes und der Haftbedingungen zur Rechenschaft ziehen. Außerdem wird die Polizei wegen der beschädigten Fahrräder und aufgebrochenen Schlösser wegen Sachbeschädigung angezeigt. Die Rechtshilfegruppe hofft, daß auch die letzte Festgenommene im Laufe des Abends freigelassen wird. Solange das nicht der Fall ist, hat die Karawane zu Soliaktionen aufgerufen - "bis alle draussen sind und sämtliche Fahrräder zurückgegeben wurden", sagt Andree Narres.

für weitere lokale Infos zu Hamburg, siehe: www.bewegungsmelder.org

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