Militante Globalisierungsgegner weichen auf Hamburg aus

Lagebericht des Verfassungsschutzes: Zum G-8-Treffen in Heiligendamm könnte die Hansestadt zum Zentrum der Protestaktionen werden

Von André Zand-Vakili

Hamburg könnte 2007 während des Gipfeltreffens der G-8-Staaten zum Zentrum der Demonstrationen werden. Das befürchtet der Verfassungsschutz in einem aktuellen Lagebericht, der der WELT vorliegt. Nach diesen Erkenntnissen sind globalisierungskritische Gruppen zu der Einschätzung gelangt, daß sie 2007 keine Möglichkeit haben werden, den Tagungsort in Heiligendamm zu erreichen. Deshalb werde Hamburg ausdrücklich als Zentrum für Protestaktionen favorisiert.

Es wird nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes nicht nur friedlicher Protest sein, der sich gegen das Treffen der Staatsmänner der führenden Industrienationen in Mecklenburg-Vorpommern richtet. Linksextremistische Gruppen hätten sich bereits zu einem "Hamburger Anti-G8-Bündnis" zusammengetan. In einem Flugblatt forderten sie dazu auf, "den G8 2007 anzugreifen, zu stören und zu verhindern".

Hinter dem Bündnis stehen, so der Verfassungsschutz, Einzelpersonen und Kleingruppen. Ihre Organisationsstruktur ist dezentral und autonom. Vorbild ist das 2005 von britischen Globalisierungsgegnern anläßlich des G8-Treffens im schottischen Gleneagles initiierte militante "Dissident!"-Netzwerk, als dessen deutscher Ableger sich das "Hamburger Anti-G8-Bündnis" versteht. Auf das Konto von Personen aus diesem Umfeld dürften die in Hamburg und im Umland seit Juli 2005 verübten vier Brandanschläge gehen, die der Verfassungsschutz in einen Zusammenhang mit dem G8-Treffen stellt. Betroffen waren Affi-Chef Werner Marnette, Werber Holger Jung, ein Tchibo-Manager und die Firma Imtech. In allen Fällen waren Fahrzeuge mit Hilfe von Brandsätzen angezündet worden. Es blieb bei Sachschäden. Die Täter vermutete der Verfassungsschutz im Umfeld der Hamburger linksautonomen Szene. Dabei stützt er sich auf Bekennerschreiben.

Einen Zusammenschluß mit den sogenannten "Interventionistischen Linken", die ein möglichst breites Bündnis mit Beteiligung kirchlicher Gruppen oder der Linkspartei anstreben, lehnt das "Hamburger Anti-G8-Bündnis" ab. "Ich gehe davon aus, daß das auch so bleiben wird", sagt Hamburgs Verfassungsschutzchef Heino Vahldieck. Denn durch ein breites Bündnis würde die Bandbreite der Aktionen durch die militanten Gegner des G8-Gipfels stark eingeschränkt. Vor allem Anschläge würden dann intern nicht toleriert.

"Das wird 2007 eine gewisse Herausforderung für die Sicherheitsbehörden", sagt Vahldieck. "Es ist sehr problematisch, an diese Kreise heranzukommen. Man ist sehr schweigsam. Es handelt sich um Kleinstgruppen und sogar nur um Einzelpersonen." Es sei sehr schwierig, mögliche Anschläge dieser Täter zu verhindern. "Es gibt einfach zu viele Menschen, die durch ihre Funktion zum Ziel werden könnten."

Artikel erschienen am 07.03.2006 (die welt)

für weitere lokale Infos zu Hamburg, siehe: www.bewegungsmelder.org

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