100 Jahre Weltmachtstreben

Deutsche Mitteleuropakonzepte vom Kaiserreich bis Joschka Fischer

Von Frank Pieper

Die sogenannte "europäische Einigung" ist eine der heiligen Kühe bundesdeutscher Ideologie. Sie und ihre Intentionen zu hinterfragen, fiele keinem Journalisten ein. Um so mehr erschütterte die abweichende, pro-US-amerikanische Erklärung für einen Irakkrieg von acht EU-Mitgliedsstaaten und -Anwärtern, darunter Großbritannien, Italien und Spanien. Am 6. Februar 2003 legten die östlichen Beitrittskandidaten mit einer Erklärung identischen Inhalts nach. Die angestrebte "gemeinsame europäische Außenpolitik" wurde dadurch nachhaltig in Frage gestellt, nachdem man sich gerade mit Müh' und Not mit der britischen und spanischen Kriegsbegeisterung abgefunden hatte.

Entsprechend harsch fiel die Kritik aus dem selbsternannten Zentrum Europas aus. Der französische Präsident Jacques Chirac wies seine Kritiker in einem in der Öffentlichkeit bis dato unvorstellbaren Ton zurecht: "Ich glaube, daß sie eine gute Chance verpaßt haben, den Mund zu halten. (...) Sie haben meines Erachtens zu lässig gehandelt, denn der Beitritt zur Europäischen Union erfordert ein Minimum an Verständnis für die anderen." Weiter sprach Chirac von mangelnden Manieren und fehlendem Verantwortungsgefühl.1 Der Stachel sitzt tief, die Führungsmächte der EU fühlen sich bei ihrem Treiben empfindlich gestört. Der Eklat macht schlaglichtartig deutlich, wie die Kräfteverhältnisse in der EU liegen und wie offensiv sie mittlerweile vorgetragen werden. Als wäre es ganz selbstverständlich, wird die Unterordnung unter die deutsch-französische Führung erwartet.

Bei diesem Streit geht es nicht nur um die Frage einer Beteiligung am Angriffskrieg auf den Irak, sondern hier positionieren sich die Kräfte in der EU, die sich nicht mit der deutsch-französischen Vorherrschaft abzufinden bereit sind, die auf ihre stärkere Berücksichtigung pochen und die US-Angebote, mit ihnen zu stimmen, gern nutzten, um den Führungsmächten Europas zu zeigen, daß sie ihre Vorhaben nicht ohne einen Ausgleich mit allen EU-Staaten werden durchsetzen können. Dahingehend äußerte sich der portugiesische Außenminister Antonio Martins da Cruz im Zusammenhang mit dem Streit um die "Erklärung der Acht": Berlin und Paris müßten sich daran gewöhnen, daß es neben der deutsch-französischen Achse auch andere "geometrische Variationen" geben könne.2 Peter Mandelson, Berater Tony Blairs und Stratege von New Labour, mahnte, "deutsch-französische Absprachen mit dem Ziel, ganz Europa festzulegen, würden das gesamte Beziehungsnetz in der EU gefährden". Die Pro-Kriegserklärung der Acht sei eine Reaktion auf diese Bemühungen. "Und wir könnten solche Reaktionen wieder erleben. (...) (Die Partner) wollen nicht, dass ihre Meinung als zweitrangig angesehen wird."3

Über den Aufbau eines europäischen Wirtschaftsraums unter deutscher Führung, gegebenenfalls im Bündnis mit unterschiedlichen Partnerländern, gibt es seit dem Kaiserreich immer wieder Denkschriften und strategische Modelle, im abstrakten verbleibende Konzeptionen wie auch sehr konkrete Planungen. Derzeitige Europastrategien vor allem aus dem deutschen Außenministerium stehen in historischer Kontinuität.

Das Kaiserreich

Die üblichen außenpolitischen Planungen während des Kaiserreichs verlangten einen "Platz an der Sonne" auch für Deutschland, worunter verstanden wurde, weitere Kolonien in außereuropäischen Territorien zu gewinnen, oder aber sie erwarteten sich die Erlangung einer Weltmachtposition durch die Ausweitung des deutschen Staatsgebiets und seiner Einflußsphären auf Kosten seiner (zumeist osteuropäischen) Nachbarn. Vor allem Vertretern der letztgenannten Option dienten völkische, nationalistische Ideologien als Grundlage, die statuierten, dem deutschen als dem überlegenen Volk komme es zu, seine Nachbarn zu dominieren und sich soviel Land anzueignen, wie es zu seiner Entfaltung bedürfe. Beide erwähnten Konzeptionen deutscher Eroberungspolitik zielten auf eine Ausdehnung des "deutschen Raums". Erst mit Walther Rathenau wurde eine außenpolitische Option in die Debatte eingeführt, die zwar die deutschen (vor allem wirtschaftlichen) Möglichkeiten in Europa stärken und Deutschlands Einfluß in der Welt vermittels einer Beherrschung Europas erhöhen wollte, dies aber nicht durch eine klassische Eroberungsstrategie anstrebte, wenn auch unter deutscher Dominanz. Vielmehr ging es Rathenau um einen Zusammenschluß Europas auf quasi freiwilliger Basis.

Diese erste explizite Ausformulierung des Mitteleuropagedankens legte der seinerzeitige AEG-Leiter und spätere Außenminister Rathenau noch vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs vor.4 Auf Handelsnationen wie Deutschland lauerten vor allem zwei Gefahren: Entweder die Welt wolle "unsere Waren" nicht mehr erwerben oder nur sehr billig einkaufen, dann fehle das Geld für die deutschen Importe, oder man bekomme von der Welt nicht mehr all das, was die deutsche Wirtschaft brauche. Darin zeige sich das deutsche Dilemma: Deutschland sei bezüglich der Rohstoffe unglücklich, die USA seien dagegen am glücklichsten. Einer der Gründe — neben den geologischen Bedingtheiten: Deutschland sei bei der "Aufteilung der Welt" zu kurz gekommen. "Wehe uns, daß wir so gut wie nicht genommen und bekommen haben!" Das Ergebnis sei absehbar: "Wir werden Käufer bleiben statt Produzenten eigenen Rechts zu sein (...)."

Dem gedachte Rathenau mit einem imperialistischen Programm gegenzusteuern: "Wir können nicht in einem Menschenalter hundert Millionen Deutsche mit den Produkten einer halben Million Quadratkilometer einheimischen Bodens und einer afrikanischen Parzelle ernähren und beschäftigen, und wir wollen nicht der Gnade des Weltmarktes anheimfallen. Wir brauchen Land dieser Erde."

Bis hierhin sind diese Ausführungen durchaus zeittypisch. Nur folgte anschließend Rathenaus Satz, "die Zeit der großen Erwerbungen" sei verpaßt! Er kaprizierte sich statt dessen auf die Entfaltung der deutschen Wirtschaft gegenüber den unmittelbaren Nachbarn. Die "wirtschaftliche Freizügigkeit" möchte er "den Ländern unserer europäischen Zone" verschaffen. In erster Linie störten hierbei die Zölle. Ziel müsse "eine wirtschaftliche Einheit" sein, "die der amerikanischen ebenbürtig, vielleicht überlegen wäre". Ein großer Wirtschaftsraum wird als Bedingung für eine weltweite Konkurrenzfähigkeit der deutschen Wirtschaft ausgemacht. "Verschmilzt die Wirtschaft Europas zur Gemeinschaft, und das wird früher geschehen als wir denken, so verschmilzt auch die Politik", heißt es abschließend prophetisch.

Der Einfluß, den Rathenaus Planung im Kaiserreich auszuüben vermochte, ist schwer abzuschätzen. Ist sein alternativ "zu altmodischen kolonialen Erwerbungen"5 stehendes Konzept zunächst ohne Einfluß geblieben und wurde erst während des Krieges aufgegriffen?6 Oder erhielten Rathenaus Ideen "noch vor 1914 volle Zustimmung weiter politischer und wissenschaftlicher Kreise"?7 Immerhin entstanden noch vor 1914 "Ansätze zu einer mitteleuropäischen Wirtschaftsvereinigung" mit Österreich-Ungarn8 (deren Ausdehnung auf weitere Länder geplant war), und die Kriegszieldenkschrift des Reichskanzlers Theobald von Bethmann Hollweg, die unmittelbar nach Kriegsbeginn entstand, enthielt ebenfalls eine Mitteleuropakonzeption (s. unten).

Rathenaus Plan war vorauschauend, eröffnete er doch eine weitere, vor allem aber eine flexiblere Strategie für den deutschen Imperialismus in Europa verglichen mit den traditionellen Ideologien, die mehr oder weniger alle auf schlichten Landraub hinausliefen. Stellvertretend für diese Standpunkte steht hier Friedrich Ratzel (1844—1904), ein Leipziger Geographieprofessor, Mitgründer des völkischen "Alldeutschen Verbandes", der als Vater der "Politischen Geographie" gilt. Seine Schöpfung, die sogenannte "Anthropogeographie", versucht, geschichtliche Entwicklungen aus geographischen Bedingungen abzuleiten. Ratzels Theorien laufen auf eine Art Geodarwinismus hinaus: "So wie der Kampf ums Dasein im Pflanzen- und Tierreich immer auch um Raum geführt wird, sind auch die Kämpfe der Völker vielfach nur Kämpfe um Raum."9

Für Deutschland hätte dies ein Ausgreifen auf seine Nachbarstaaten unter Nutzung sogenannter "Volksdeutscher" in diesen Ländern zur Folge haben sollen. Die "Alldeutschen Blätter" schrieben, der deutsche Nationalstaat sei "unvollendet", solange "Reichsdeutsche" noch außerhalb seiner Grenzen lebten. Man könne ihrer "zur Erringung einer Weltmachtstellung auf die Dauer nicht entbehren". Darüberhinaus müsse Deutschland mit Blick auf seine Konkurrenten Rußland und die USA mit ihren weiten Räumen seine "Machtsphäre in Europa mit Bezug auf Produktionsgebiet und Bevölkerungszahl" erweitern. Insbesondere der europäische Osten und Südosten seien die "naturgemäße() deutsche() Interessensphäre". Vielleicht deutlicher als gemeinhin üblich, aber zumindest in den herrschenden Schichten mehrheitsfähig, formulierten die "Alldeutschen" ihr Expansionsprogramm: "Der alte Drang nach Osten soll wieder lebendig werden. Nach Osten und Südosten hin müssen wir Ellbogenraum gewinnen (...)."10

Kriegszieldenkschriften

Unmittelbar nach Beginn des Ersten Weltkriegs formulierte Reichskanzler Bethmann Hollweg die deutschen Kriegsziele. Erobert werden sollten Kolonien in Übersee, insbesondere in Afrika, aber auch den eigenen Nachbarn wollte man Gebiete abnehmen. Und ein Mitteleuropa unter deutscher Führung steht unter Punkt 4 auf des Kanzlers Wunschzettel: "Es ist zu erreichen die Gründung eines mitteleuropäischen Wirtschaftsverbandes durch gemeinsame Zollabmachungen, unter Einschluß von Frankreich, Belgien, Holland, Dänemark, Österreich-Ungarn, Polen und eventuell Italien, Schweden und Norwegen. Dieser Verband, wohl ohne gemeinsame konstitutionelle Spitze, unter äußerlicher Gleichberechtigung seiner Mitglieder, aber tatsächlich unter deutscher Führung, muß die wirtschaftliche Vorherrschaft Deutschlands über Mitteleuropa stabilisieren."11

Nun handelte es sich bei den vorgesehenen "Vertragspartnern" um eigenständige Staaten, wie sollten sie also in diesen Staatenbund hineingezwungen werden? In der selben Kriegszieldenkschrift vom 9. September 1914 wird das geplante Vorgehen gegenüber einigen westeuropäischen Staaten nach dem (gewonnenen) Krieg umrissen. Gegenüber Frankreich sah man dessen "Abtretung der Erzbecken von Briey" an das Deutsche Reich vor, desweiteren seine militärische Entmachtung, es hätte hohe Kriegsentschädigungen zu zahlen, ferner "ein(en) Handelsvertrag, der Frankreich in wirtschaftliche Abhängigkeit von Deutschland bringt, es zu unserem Exportland macht", Ziel müsse sein, "daß deutsche Unternehmungen nicht mehr anders als französische behandelt werden können". Belgien sollte, nach einigen Gebietsabtretungen, "als Staat äußerlich bestehen" bleiben, würde aber "zu einem Vasallenstaat herabsinken" und "wirtschaftlich zu einer deutschen Provinz" degradiert werden. Zu Luxemburg heißt es lapidar: "Wird deutscher Bundesstaat".12

Das war nicht nur, wie konservative Historiker lange behaupteten,13 eine Konzession Bethmann Hollwegs an besonders aggressive Nationalisten. Eine Woche später, am 16. September, präzisierte und begründete er insbesondere das Mitteleuropakonzept seiner Kriegszieldenkschrift. Bisher hatte man ein Wirtschaftssystem, indem jeder Staat seine "nationale Arbeit" durch hohe Zölle schützte. Aber dies funktioniere nicht mehr, denn man kämpfe nunmehr "um die Herrschaft auf dem Weltmarkte, und den übermächtigen Produktionsmöglichkeiten der transatlantischen Welt kann nur ein zollgeeintes Europa mit dem nötigen Nachdruck gegenübertreten". Es gelte eine Wirtschaftszone "von den Pyrenäen bis zur Memel, vom Schwarzen Meer bis zur Nordsee" zu schaffen. Und: "wir danken Gott, daß der Krieg uns den Anlaß und die Möglichkeit gibt, ein wirtschaftliches System zu verlassen, das den Höhepunkt seiner Erfolge zu überschreiten im Begriffe steht".14

Das vielleicht bekannteste und elaborierteste Mitteleuropakonzept stammt indes von dem Reichstagsabgeordneten der liberalen Fortschrittlichen Volkspartei Friedrich Naumann — durch seine gleichnamige Schrift wurde der Begriff "Mitteleuropa" allgemein verbreitet.15 Es gehe ihm, schrieb Naumann, um das Erlangen einer weltpolitischen Machtposition, denn solange es keine "Vereinigten Staaten der Erdkugel" gebe, rängen "Menschheitsgruppen, die über das nationale Maß hinausgehen, um die Führung der Menschheitsgeschicke und um den Ertrag der Menschheitsarbeit". "Als eine solche Gruppe meldet sich Mitteleuropa, und zwar als eine kleine: kräftig aber mager!" Außer Mitteleuropa existierten nur wenige "Mittelpunkte() der Menschheit": London, New York, Moskau, eventuell Japan oder China. "Die Menschheitsgruppe Mitteleuropa spielt um ihre Weltstellung."16 Als erstes Ziel sollte Mitteleuropa als Staatenbund der vierte "Weltstaat" nach Großbritannien, den USA und Rußland werden.17

"Das wovon ich reden will", hob Naumann seinen Plan zu konkretisieren an, "ist das Zusammenwachsen derjenigen Staaten, die weder zum englisch-französischen Westbund gehören noch zum russischen Reiche (...)."18 Der Umfang seines Mitteleuropas war an die militärischen Entwicklungen des Ersten Weltkriegs und seine politischen Bündnislinien gebunden. Deswegen zählten Frankreich und auch Italien nicht dazu. Rußland und Großbritannien standen hingegen aus prinzipiellen Erwägungen außen vor: Sie bildeten nach damaligem Verständnis ihren eigenen Großraum. Naumann konstruierte ein Gebilde von mittleren und kleinen Staaten, die sich um Deutschland und Österreich-Ungarn gruppieren sollten, sein Mitteleuropa war somit durchaus kleiner als andere zeitgenössische Entwürfe: "(...) das mitteleuropäische Land (...), das von Nord- und Ostsee bis zu den Alpen, dem adriatischen Meere und dem Südrande der Donauebene reicht (...) zwischen Weichsel und Vogesen (...) zwischen Galizien und Bodensee (...). Diese Fläche sollt ihr als eine Einheit denken, als ein vielgegliedertes Bruderland, als einen Verteidigungsbund, als ein Wirtschaftsgebiet!"19 Zunächst sollten die "kleineren mitteleuropäischen Staaten" noch nicht eingegliedert werden, denn sie seien keine "feste Größe": Skandinavien und Finnland, Rumänien und Bulgarien, Serbien und Griechenland, die Schweiz und die Niederlande. "Sie wollen und müssen erst mit eigenen Augen sehen, ob der Kern von Mitteleuropa sich bildet, ob das Deutsche Reich und Österreich-Ungarn sich finden."20 Von späterer "Angliederung" war allerdings schon die Rede.21

Naumann geht behutsamer als andere vor, beinah spürbar sucht er zu vermeiden, seine erwählten "Partner" vor den Kopf zu stoßen, verkündet wiederholt, regionale Besonderheiten in Religions- oder Verfassungsfragen akzeptieren zu wollen. Der Zusammenschluß sollte nur in Wirtschafts- und Militärangelegenheiten greifen. Sein erklärtes Ziel war es, die "richtige MiDie Weimarer Republikschung von Einheitszwang und Freiheitsgewährung" zu finden.22

Kein Mißverständnis bei seinen deutsch-nationalen Lesern läßt Naumann allerdings bezüglich der Führung der neuen Staatengemeinschaft aufkommen: "Und wie jedes Kunstwerk bestimmt wird durch den Künstler und den Stoff, so erwächst der Großstaat aus der führenden Nation und den begleitenden Völkern, aus den Ideen und Sitten der Herrschenden und den Qualitäten der Beherrschten (...)."23

Mit ihren Plänen und Denkschriften lagen Bethmann Hollweg und Naumann auf einer Linie mit den aggressiven Nationalistenverbänden und den Militärs, mit bügerlichen Parteien wie auch mit den Industrieverbänden. Der "Alldeutsche Verband" stellte schon zwei Wochen vor Bethmann Hollweg ein Eroberungsprogramm auf, das dem des Kanzlers in nichts nachsteht. Deutschland, Österreich-Ungarn und die Territorien, die beide "als Siegespreis gewinnen" würden, verschmölzen zu einem einheitlichen Wirtschaftsgebiet. Diesem "Kern" würden weitere angeschlossen: die Niederlande, die Schweiz, Dänemark, Schweden, Norwegen, Finnland, Italien, Rumänien und Bulgarien.24

Für die deutsche Industrie steht stellvertretend ein Papier Gustav Krupps von Bohlen und Hallbach vom November 1914. Das "Deutschtum" sei der "Kern von Europa", um es herum sei ein "Mitteleuropa" zu schaffen zusammengesetzt aus Österreich-Ungarn, den Niederlanden, der Schweiz und Skandinavien. Frankreich sei auszuschalten, einige seiner Landesteile zu annektieren genauso wie ganz Belgien, im Osten sei zu "germanisieren".25 Großadmiral Alfred von Tirpitz schilderte nachträglich, nach welchen Kriterien er seine Annexionsforderungen aufgestellt hatte. Auch unter seinem vorwiegend militärischen Blickwinkel erschien ein deutsch beherrschtes Mitteleuropa als wünschenswerte Zukunftsvision. Er habe davon ausgehen müssen, "wie ein Kriegsende beschaffen sein mußte, welches dem deutschen Volk in seiner schwierigen Erdlage Gleichberechtigung mit den andern, natürlichen Weltmächten sicherte? Unsere Weltmacht hörte erst dann auf eine künstliche zu sein, wenn wir die mitteleuropäische Stellung als primus inter pares erreichten, in welcher die Mehrheit der europäischen Völker die Sicherung ihrer eigenen vollen Freiheit erblickt hätte."26

Allerdings, auch dies ist zu betonen, war die Errichtung eines deutschen Mitteleuropas eine unter mehreren Forderungen, die der Krieg erfüllen sollte. Ganz allgemein standen Erwartungen nach Annexionen in Europa deutlich im Vordergrund.27 Mitteleuropa spielte beispielsweise bei einem Vertreter der Junker, Graf Kuno von Westarp, keine Rolle, Kolonien nur eine geringe. Er verwandte sich vielmehr für die Ausdehnung des Reichsgebiets nach Osten und forderte den "Erwerb von Kurland und die Befreiung der deutschen Balten", um das "praktische Bedürfnis nach Siedlungsland" zu befriedigen. Gebietserorberungen im Westen sollten hingegen nur der militärischen Sicherheit Deutschlands dienen.28 Die Hamburger Kaufmannschaft demgegenüber wollte aus den ganz spezifischen Interessen einer Hafenstadt zwar auch kein Mitteleuropa, dafür aber ein möglichst ausuferndes Kolonialreich in Übersee.29

Dennoch blieb ein deutsches Mitteleuropa in seinen unterschiedlichen Varianten, deren Minimalkonsens immer das Zusammengehen Deutschlands, Österreich-Ungarns und der eroberten Gebiete vorsah, während des Krieges eine der stets wiederholten deutschen Kriegsforderungen. Erst Ende 1917 wurde es überlagert durch die Strategie der "Ostraumbeherrschung". Mit der Kriegszieldenkschrift Bethmann Hollwegs war "Mitteleuropa" erstmals zum strategischen Konzept einer deutschen Regierung erhoben worden. Von nun an tauchte es in unterschiedlichen Ausprägungen immer wieder in der deutschen Außenpolitik als ein Leitmotiv auf.

Die Weimarer Republik

Nach dem verlorenen 1. Weltkrieg waren deutsche Politiker weniger mit strategischen Planungen einer neuerlichen Expansion beschäftigt, sondern bemühten sich auf internationalen Konferenzen zur Regelung der Nachkriegsordnung, die Gebietsabtretungen Deutschlands so gering wie möglich zu halten. Aufgrund der krisenhaften innenpolitischen Entwicklung in den ersten beiden Jahren der Weimarer Republik spielte die Außenpolitik in der öffentlichen Debatte zunächst nur eine nachgeordnete Rolle, obwohl Nationalisten schon früh Revancheforderungen verbreiteten. Mit der allmählichen Eingliederung Deutschlands in die internationalen Gremien wurden wieder verstärkt außenpolitische Debatten geführt, die sich im wesentlichen um die auferlegten Entschädigungsleistungen und Souveränitätsbeschränkungen drehten.

Einig waren sich bürgerliche Politiker, daß Deutschland die "verlorenen Gebiete" wiederhaben müsse und ihm eine Machtrolle zumindest auf dem europäischen Kontinent zustehe. Die Konzepte, dahin zu gelangen, differierten indes. Neben die "offizielle" Politik, die zwar die Versailler Nachkriegsordnung durch die Bank ablehnte, sich aber überwiegend an deren Bestimmungen hielt,30 traten die verschiedenen völkischen Strömungen, vertreten u.a. durch die "Deutsch-Nationale Volkspartei" (DNVP) und die NSDAP, organisiert in zahllosen deutschnationalen Vereinen. Sie negierten "Versaille" nicht nur, sondern setzten die Regierungen unter Druck, sich an dessen Bestimmungen nicht zu halten — unter Inkaufnahme eines neuerlichen Krieges, dessen Ausbruch man sowieso für unvermeidlich hielt. Ohne daß in diesem Spektrum ein Mitteleuropakonzept ausdrücklich formuliert worden wäre, konnte sich ein damit kompatibler Raumbegriff etablieren. Es wurde ein "deutscher Raum" definiert, der neben einem erheblich erweiterten "Reich" "natürliche" Einflußgebiete vorsah. Insbesondere deutsche Minderheiten in den Nachbarländern waren in diese Konzepte eingebunden. Deutschland sollte so wieder zur vorherrschenden Macht Europas werden. "Raum" wurde zur Metapher für deutsche Eroberungssehnsüchte und Gebietsansprüche, seine Implementierung als politischer Kampfbegriff war das Ergebnis erheblicher ideologischer und propagandistischer Anstrengungen von Geographen und Politikern, "Völkerrechtlern" und Revanchisten. Geopolitiker — wie der Kreis um Karl Haushofer — versuchten nachzuweisen, daß die imperialistischen Folgerungen aus ihrer "Wissenschaft" einem objektiv waltenden Raumgesetz entsprängen. "Raum" wurde zu einer selbständig handelnden Instanz erklärt.31

Die der neuen weltpolitischen Lage angepaßten eigentlichen Mitteleuropa-Konzepte nehmen sich in dieser Gemengelage wenig bedeutend und in ihrem Tonfall vergleichsweise harmlos aus. Bereits 1923 veröffentlichte Richard Graf Coudenhove-Kalergi das "Paneuropäische Manifest", das Gründungsdokument der auch heute noch tätigen reaktionären "Paneuropa-Union" (PEU).32 "Europas Schicksalsstunde schlägt!", schrieb der Graf mit zeittypischem Pathos, meinte aber mehr die unerquickliche Lage Deutschlands, das am Boden liege und wirtschaftlich ruiniert sei. In Europa drohe ein Krieg und für Deutschland die Eroberung durch "Rußland". Daraus gebe es "nur eine Rettung: der europäische Zusammenschluß". Europa solle einen Zollverband und damit ein paneuropäisches Wirtschaftsgebiet bilden, allerdings ohne Rußland und England. Obleich Coudenhove-Kalergi dies als Defensivbündnis bezeichnet, steht dahinter deutsches Weltmachtstreben. Das Ziel des geeinten Europas sei es, eine "gleichberechtigte Weltmacht" zu werden. Der europäische Verband sollte sich gegen den einheitlichen Wirtschaftsraum der USA positionieren.

Diese Idee fand zunächst kaum Anhänger. Erst 1927 wurde die Gründung eines Mitteleuropainstituts in Dresden vorbesprochen. Der Vorschlag kam von der Mitteleuropäischen Wirtschaftstagung. Das Ziel war die Vereinigung, mindestens aber die Annäherung der mitteleuropäischen Länder. "Dieses Mitteleuropa, wie wir es uns vorstellen, kann aber nur in Etappen erreicht werden":33 1. wirtschaftspolitische Angliederung Österreichs, 2. Ungarn schlösse sich "alsbald" an, 3. "Die Tschechoslowakei, wirtschaftspolitisch (...) fast vollständig eingekesselt, müsste notgedrungen folgen." Dieser "Kernblock" werde randständige Staaten anziehen. Genannt werden Jugoslawien, Bulgarien und Rumänien.

Mitteleuropa sollte für Deutschland zwei Zwecke erfüllen; zum einen hätten darüber Revanchegelüste befriedigt werden sollen, zum anderen sollte es Deutschland eine Rückkehr auf die politische Weltbühne ermöglichen. Der ehemalige Innen- und Justizminister der "Deutschen Demokratischen Partei" (DDP) und Mitglied der Paneuropa-Union, Erich Koch-Weser, entwickelte 1929 ein entsprechendes Konzept. Die USA, so Koch-Weser, hätten einen großen ökonomischen Vorteil: "Jeder Rohstoff ist unmittelbar zu erhalten. Jeder Absatz wendet sich an 140 Millionen Menschen (...)."34 Europa müsse sich dagegen zu einem Zollverein zusammentun. Für den Liberalen sollte, anders als für Coudenhove-Kalergi, England unbedingt dabei sein, einzig die Sowjetunion als nichtkapitalistischer Staat wurde auch von ihm außen vor gehalten. Bedingungen sollte Deutschland aber gleichwohl stellen: Die Minderheiten müßten sich frei entfalten können (denn: "In 21 europäischen Staaten siedeln Deutsche. Kein europäisches Volk ist an der Minderheitenfrage so stark interessiert wie Deutschland."), Österreich müsse an Deutschland angeschlossen werden und die deutschen Ostgebiete seien zurückzugeben. Auch dies ist ein aggressives, expansionistisches Programm, das sich mittels eines mitteleuropäischen Bündnisses einen nach Gleichberechtigung strebenden Anstrich geben möchte. Koch-Weser hat das ausgesprochen: "(...) so bietet Paneuropa, richtig verstanden und richtig durchgeführt, für Deutschland die Möglichkeit, den Umstand wieder gutzumachen, daß dieses Volk in Grenzen siedelt, die für seine Begabung, seine Bildung, seinen Unternehmungssinn und seine Arbeitskraft viel zu eng sind." Mitteleuropa wäre besonders für Deutschland von Vorteil: "In einem friedlichen Europa ist Deutschland das begünstigte Kernland." Es wäre ein ungleiches Bündnis geworden, in das insbesondere kleinere Staaten hätten hineingezwungen werden sollen: "Wenn sich zwei oder mehrere große oder größere europäische Länder erst einmal zu einer Kooperation entschließen, so wird die Macht der Verhältnisse die anderen zwingen nachzukommen."

Auch wenn die hier dargestellten Mitteleuropakonzepte kaum über das Stadium eines Modells hinauskamen, stellen sie doch eine außenpolitische Option dar, die mit ihrer Verbindung aus einem zu vergrößernden wirtschaftlichen und politischen deutschen Einflußgebiet mit tradierten revanchistischen Forderungen durchaus hätte Regierungspolitik werden können, wäre mit dem deutschen Faschismus nicht eine andere Variante des deutschen Vorherrschafts- und Expansionsstrebens an die Macht gekommen. Allerdings sind die in "Weimar" entwickelten Konzepte, insbesondere da, wo sie auf eine deutsche Großraumwirtschaft oder einen von Deutschland wirtschaftlich beherrschten "Markt Zentraleuropa" hinausliefen, durchaus mit nationalsozialistischer Politik nicht nur vereinbar, sondern von dieser auch aufgenommen und in ihren eigenen strategischen Planungen für eine Nachkriegsordnung weiterentwickelt worden.

Die nationalsozialistische Großraumwirtschaft

Mit der Machtübertragung auf die Hitler-Regierung am 30. Januar 1933 hatten sämtliche expansionistischen außenpolitischen Konzeptionen einen rapiden Aufschwung genommen. Das galt für revanchistische und völkische Raubkriegsapologeten genauso wie für Mitteleuropa- und Großraumwirtschaftsstrategen, deren Modelle sich jetzt kaum noch den Anschein geben mußten, ein gleichberechtigtes Miteinander der europäischen Staaten anzustreben. Daß Deutschland die Führungsmacht in Europa werden müsse, war die ideologische Klammer zwischen sämtlichen Imperialisten und Herrenrassenvisionären.

Werner Daitz, Chemieindustrieller und Leiter der Abteilung Außenhandel im Außenpolitischen Amt der NSDAP, analysierte, andere Weltmächte verfügten über ihre eigenen, exklusiven ökonomischen Räume — das britische Empire, der amerikanische Block, das "chinesisch-japanische Wirtschaftsreich". Kontinentaleuropa müsse sich "ebenfalls zu einer europäischen Großraumwirtschaft zusammenfinden". Zunächst handelte es sich dabei um ein Wirtschaftsprojekt. Rohstoffe und Nahrungsmittel sollten künftig nicht mehr aus anderen Wirtschaftsräumen bezogen, der europäische Binnenhandel aber gestärkt werden. Deutschland könne und müsse dafür die treibende Kraft sein: "Deutschland in der Mitte des europäischen Kontinents gelegen, ist an erster Stelle verpflichtet, diese Aufgabe der Errichtung einer kontinentaleuropäischen Großraumwirtschaft nicht nur zu verkünden, sondern auch handelspolitisch-praktisch zu betätigen."35 Anders als die militärischen Eroberungs- und Raubpläne und die daraus folgenden Vernichtungsfeldzüge boten Konzepte, wie das von Daitz, mehr Möglichkeiten die künftigen Opfer einer deutschen Machtausdehnung mit Versprechungen zu einer Beteiligung zu bewegen. Das ging bis hin zur Behauptung, es werde die Gleichberechtigung der Völker angestrebt, getreu der von Daitz vorgegebenen taktischen Prämisse, man solle "grundsätzlich immer nur von Europa sprechen, denn die deutsche Führung ergibt sich ganz von selbst aus dem politischen, wirtschaftlichen, kulturellen, technischen Schwergewicht Deutschlands und seiner geografischen Lage".36

Die Planer einer Großraumwirtschaft gingen von einem fest umrissenen Territorium aus — Kontinentaleuropa, aus dem Großbritannien stets und die Sowjetunion in den meisten Modellen ausgeschlossen blieben —, auf das die wirtschaftlichen Abläufe weitestgehend beschränkt werden sollten, das sich also gegen alle Staaten außerhalb dieses "Raums" scharf abgrenzte. Solch ein geschlossener Wirtschaftsraum werde, so Reichswirtschaftsminister Walther Funk, Schutz vor den "internationale(n) Finanzmächte(n)" bieten. Die "zentral-" oder "kerneuropäischen" Staaten seien als "Schicksalsgemeinschaft" zur Zusammenarbeit gezwungen, die außer-kontinentaleuropäischen Staaten sollten ausgeschlossen und eine "überspitzte() internationale() Arbeitsteilung" abgelehnt werden. Arbeitsteilung habe ausschließlich innerhalb des Großwirtschaftsraumes stattzufinden.37 Der NS-"Völkerrechtler" Carl Schmitt sprach in diesem Zusammenhang von einem "Interventionsverbot für raumfremde Mächte". Jedes "Reich" müsse um sich herum einen Großraum schaffen, "in den seine politische Idee ausstrahlt und der fremden Interventionen nicht ausgesetzt sein darf".38 Jede Nation müsse sich "auf die Produktionskraft ihrer näheren und weiteren europäischen Nachbarn stützen". Für das Deutsche Reich gelte es mittels des Großraumes seinen "Kampf um die nationale Nahrungs- und Rohstofffreiheit" zu bestehen.39

Kontinentaleuropa wurde in fünf Regionen, sog. "Räume", unterteilt. Folgendermaßen sah beispielsweise das Modell des Leiters der Volkswirtschaftlichen Abteilung der I.G. Farben Berlin, Anton Reithinger, aus: 1. die "zentraleuropäische Mitte", die Deutschland, Österreich, den nordöstlichen Teil Frankreichs, Tschechien und Teile Polens umfaßte, alles Industriegebiet, das sich durch eine hohe Bevölkerungsdichte auszeichne. Dieser Raum sei wirtschaftlich hochaktiv und Träger der europäischen Entwicklung. 2. Westeuropa (weite Teile Frankreichs, Belgien, die Niederlande und die Schweiz) fände lediglich in seinen nordöstlichen Teilen Anschluß an Zentraleuropa. Das französische "Kernstück" sei überwiegend agrarisch geprägt, wodurch dieser Raum sich als passiv erweise, Entwicklungsimpulse seien von hier nicht zu erwarten. 3. Südosteuropa. Hierzu wurden die Slowakei, Ungarn, Kroatien, Serbien, Bulgarien und Rumänien gerechnet. Durch eine hohe Geburtenrate habe dieser Raum einen "hochübervölkerten Agrarstatus (mit) Drang zur Verstädterung und Industriealisierung". 4. Südeuropa mit Italien, Spanien, Portugal und Griechenland sei ganz ähnlich wie Südosteuropa zu bewerten, von beiden Räumen sei die Entwicklung industrieller Kräfte zu erwarten. 5. Nordeuropa mit Dänemark, Norwegen, Schweden und Finnland entspreche mehr Westeuropa, sei also kein Entwicklungsträger.40

So oder ähnlich pflegten deutsche Großraumwirtschaftler Europa einzuteilen. Die Unterschiede zwischen einzelnen Autoren sind relativ gering. Andernorts wurde der "Südraum" zum "italienischen Raum" bzw. wurden Spanien und Portugal dem "Westraum" zugeschlagen. Zugleich tauchte auch mal ein "sowjetischer Raum" auf.41 Aber immer war Deutschland das Zentrum, um das sich die anderen Wirtschaftsräume zu gruppieren hatten. Die einzelnen Nationalökonomien sollten auf die Bedürfnisse Deutschlands ausgerichtet werden. Eine gemeinsame europäische Ordnung könne entweder durch "Unterwerfung unter einen einheitlichen, einzigen staatlichen Willen" oder durch "freiwillige() Zusammenarbeit selbständiger Nationen, freilich unter Anerkennung der politischen Führung eines Volkes und Staates" entstehen, so Horst Jecht, Professor an der Berliner Wirtschaftshochschule.42

Die Unterordnung unter deutsche Wirtschaftsinteressen wurde selbstverständlich erwartet. Der "großdeutsche() Raum (steht) im Zentrum der Kraftlinien", behauptete z.B. Alfred Oesterheld.43 Deutschland befände sich "inmitten einer großzügigen Industrieplanung, die den einzelnen Räumen des Kontinents Aufgaben zur gemeinschaftlichen Versorgung zuweist". "In konzentrischen Kreisen sind Westen, Norden und Südosten die Vorfelder der großdeutschen Wirtschaftspolitik, der sich nach Süden die Achse zum italienischen Raum bietet." Der "Periphere" sollte die Aufgabe zukommen, Deutschland mit Nahrungsmitteln und Rohstoffen zu versorgen, während sich die ökonomische Überlegenheit des Deutschen Reichs insbesondere durch die Übernahme des Großteils der Industrieproduktion ausdrücken sollte.44

Für die Wirtschaftsstrategen ergab sich beispielsweise der Beitrag des (germanischen) Schwedens zur Großraumwirtschaft aus dessen natürlichen Ressourcen, insbesondere Erze, Wasserenergien und Holz. Die industrielle Verarbeitung sollte sich auf Vorprodukte beschränken, Leichtmetallhütten und Stickstoffabriken seien das den wirtschaftlichen Gegebenheiten angemessene.45 Schweden sollte Rohstofflieferant mit allenfalls industrieller Vorverarbeitung werden, ja, eine Deindustriealisierung war vorgesehen. Funk erwartete von den sogenannten rückständigen Ländern Europas, "daß jeder Staat sich die Industrie aufbaut, die sowohl seinen natürlichen Produktionsbedingungen als auch den Bedürfnissen des europäischen Marktes am besten entspricht".46 Und Oesterheld kündigte an: "Die Zeiten, in denen industrieschwache Staaten aus rein politischen Motiven künstlich eine Großindustrie zu züchten versuchten, sind vorüber."47 Die verlangte "Absage an jeden übersteigerten Sonderegoismus" bedeute, daß die "Gemeinwirtschaft des Kontinents (...) vorgehen (muß) wie eine Flurbereinigung einer ländlichen Gemeinde (...). Eine wirtschaftliche Neuordnung Europas kann unmöglich den in einem Zustand der bisherigen Zersplitterung vielfach unorganisch und unzweckmäßig gewordenen Einzelwirtschaften auf alle Zeiten Unvergänglichkeit versprechen."48

Mit dem Krieg wurde aus den Großraumphantasien eine konkrete Option der Nachkriegsplanung. Aber auch schon während des Krieges sollte mit dem "Neuaufbau einer europäischen Kontinentalwirtschaft unter deutscher Führung" (Wirtschaftsminister Funk an Hermann Göring) begonnen werden. Es gelte, "die europäischen Volkswirtschaften so vollkommen und eng wie möglich mit der großdeutschen Wirtschaft zu verflechten", konkret bedeute das, die Sicherung und Erweiterung "der europäischen Warenproduktion für den deutschen Bedarf". Mittel dazu seien ein auf der Reichsmark basierendes "europäische(s) Zahlungssystem", die Kontrolle des Warenverkehrs "unter Einsatz deutscher Machtmittel", europäische Wirtschaftsverbände "unter deutscher Führung", Einbeziehung europäischer Wirtschaftszweige "in die deutschen marktregelnden Verbände (Kartelle), wobei die deutsche Führung zu verankern ist", die "(k)apitalmäßige Beherrschung der wichtigsten europäischen Wirtschaftsunternehmungen" und die "Durchdringung der europäischen Wirtschaftspositionen mit deutschen Fachleuten".49

Im September 1943 entwarf das Auswärtige Amt eine Denkschrift zur Nachkriegsordnung. Die Neuordnung gehe "natürlich" von den Siegern, den Achsenmächten, aus. Auch jetzt noch hielt man an der Daitzschen Parole fest, "immer nur von Europa (zu) sprechen", da der "Rest", die deutsche Vorherrschaft, sich von allein ergebe. So heißt es auch noch 1943 (!), die europäischen Staaten "sollen sich aus freiem, der Einsicht in die Notwendigkeit entsprungenem Entschluß zu einer Gemeinschaft souveräner Staaten zusammenschließen". Wer das sagen in diesem "Staatenbund" hätte, wird nur nebenbei angedeutet: Eine Führung nämlich brauche es schon, diese aber sei das "Vorrecht der stärksten Mächte". Da Großbritannien und Rußland als Teilhaber nicht vorgesehen waren, sei die "Führung der Achsenmächte in Europa eine Tatsache". Auch die Freiwilligkeit der Mitwirkung wird relativiert: "Das Schwergewicht der im Europäischen Staatenbund vereinigten europäischen Nation und der Zwang der politischen und wirtschaftlichen Verhätnisse muß unausweichlich dazu führen, daß auch (die abseits stehenden, F.P.) Staaten (...) ihren Anschluß (...) vollziehen."50

Auffallend an den geschilderten Großraummodellen, die häufig aus Industriellenkreisen stammen,51 ist das weitgehende Fehlen jedweder Bezüge zur "gemeinsamen Abstammung", "Rasse" etc. In der Tat richteten sich die Beurteilungen der einzubeziehenden nationalen Wirtschaften vor allem nach ihrer ökonomischen Struktur und ihren Ressourcen, wobei insbesondere Wert auf in Deutschland nicht oder kaum vorhandene Rohstoffe und Nahrungsmittel gelegt wurde. Hierbei fällt allenfalls auf, daß Staaten, die mit Deutschland verbündet waren, positiver beurteilt wurden, als es ihrem tatsächlichen wirtschaftlichen Potential zukam und die industriealisierteren Staaten Nord- und Westeuropas negativ eingeschätzt wurden. Insofern sind die "Raumbeschreibungen" zwar ideologisch geprägt, jedoch stärker an den aktuellen bündnispolitischen Notwendigkeiten und weniger an sogenannten "Rasse"-Kriterien orientiert. Demgegenüber zeigte die unterschiedliche deutsche Besatzungspolitik in den verschiedenen Ländern und gegenüber deren Bevölkerungen stark ideologische Prägung. Die Ideen vom "Lebensraum im Osten", das heißt Eroberung weiter Teile Osteuropas, deren Besiedlung durch Deutsche und die Vernichtung, Vertreibung oder Versklavung der dortigen Bevölkerung, stellen ein anderes Konzept als das der Großraumwirtschaft dar. Es bestand mithin ein "Konzeptionen-Pluralismus" (Wolfgang Michalka), ein Nebeneinander unterschiedlicher Vorstellungen über die Zukunft Europas unter deutscher Herrschaft an Stelle von einheitlicher Planung. Allerdings ließen sich diese Konzeptionen und Planspiele durchaus miteinander verknüpfen, dies belegen die sehr konkreten Pläne, die mit der fortschreitenden Kriegsentwicklung entworfen wurden.

Originär nationalsozialistische Ideologie, wie Alfred Rosenbergs "Nordische Schicksalsgemeinschaft",52 spielte in den Planungen zur Großraumwirtschaft nach dem — wie vorausgesetzt wurde — gewonnenen Krieg nur eine untergeordnete Rolle. Großraumwirtschaft war eine Frage nüchterner Kalkulation zur Erreichung eines maximalen ökonomischen Gewinns und einer dauerhaften politischen Herrschaft über Europa. Die germanentümelnde Rosenbergsche Konzeption konnte sich bei wesentlichen Teilen der wirtschaftlichen, aber auch der politischen Entscheidungsträger nie durchsetzen. Die Besatzungsherrschaft Nazideutschlands insbesondere in Ost- und Südosteuropa stellte gleichwohl eine Kombination aus Elementen der Großraumwirtschaftskonzeption und der völkischen Herrenrassenideologie dar. Ein Irrtum wäre es, den Anteil der vorwiegend ökonomisch durchkalkulierten Modelle aus den deutschen Konzernleitungen am Völkermord geringer zu veranschlagen als den der rassenideologischen Planungen.

''' Die Bundesrepublik und die europäische Integration'''

Die "europäische Zusammenarbeit" diente in ihrem Anfangsstadium der Stabilisierung der westeuropäischen Staaten — ökonomisch wie politisch. Die USA brauchten Westeuropa im Kalten Krieg gegen die Sowjetunion und deren Verbündete. Europa befand sich, darüber herrschte einvernehmen, "in einem Zustand der Lähmung und Entkräftung" und konnte daher "nicht entscheidend in den Lauf der Dinge" eingreifen (Adenauer).53 Die "Europäische Wirtschaftsgemeinschaft" (EWG) war bis in die 70er Jahre hinein weit davon entfernt, den USA eine Konkurrenz auf dem Weltmarkt zu sein. "Arbeiten Sie daran", will Bundeskanzler Ludwig Erhard von US-Präsident Lyndon B. Johnson aufgefordert worden sein, an der westeuropäischen Einigung auf politischem, militärischem und wirtschaftlichem Gebiet weiterzuwirken, "das dient auch den Interessen Amerikas".54 Ja, mit dem "Marshall-Plan" hätten die USA die "Europäer" geradezu zu wirtschaftlicher Kooperation gezwungen: "Die Vereinigten Staaten weckten das europäische Verantwortungsgefühl nicht zuletzt dadurch, daß sie ihre Hilfe von einer Einigung der Europäer untereinander über ein Wiederaufbauprogramm, über den Abbau der Handelshemmnisse abhängig machten."55

Westeuropa als Türöffner

Umgekehrt ging es der bundesdeutschen Regierung bei ihrer Europapolitik um die Reintegration ins weltpolitische Geschehen. Die internationale Ächtung — politisch, aber auch wirtschaftlich, militärisch absolut — konnte nicht im Alleingang aufgehoben werden. Darum fand die "europäische Idee (...) ihren stärksten Rückhalt in der Bundesrepublik und im ganzen deutschen Volk", wie Ludwig Erhard es ausdrückte.56 Deshalb war die Bundesrepublik auch stets eine treibende Kraft, wenn es um "europäische Projekte" ging. 1952 bereits, zu einem Zeitpunkt, zu dem es Erhard vor allem um die Beseitigung lästiger Zollschranken ging und ein Jahr vor Gründung der Montanunion, betonte der seinerzeitige Bundeswirtschaftsminister, "daß es in Europa wenige Länder geben kann, deren ursprünglichstes Lebensinteresse so sehr darauf gerichtet sein dürfte, europäische Politik zu treiben wie gerade Deutschland". Deutschlands Interesse sei deshalb so groß, weil Europa ermögliche, "der übrigen Welt zu zeigen, daß wir von einem Wahn geheilt sind und unsere ganze Sehnsucht danach geht, uns wieder friedlich einzugliedern in den Kreis der demokratischen und gesitteten Welt".57 Die Integration in einen westeuropäischen Wirtschaftsverband und in das transatlantische Militärbündnis wurde als Bedingung für die schrittweise Rückerlangung der staatlichen Souveränität erkannt. Die Mitgliedschaft im Europarat verfocht Konrad Adenauer ebenfalls mit diesem Argument: Er sei überzeugt, "daß, wenn wir Mitglied des Europarates sind, (...) wir auf dem gesamten Gebiete der Überwachung, des Besatzungsregimes, wesentliche Erleichterungen schon in Bälde erwarten können."58

Es war Westdeutschland nur wenige Jahre nach der Zerschlagung des Faschismus gelungen, als Partner (wenn auch zunächst nicht völlig gleichberechtigt) in die westliche Front gegen die Sowjetunion eingebunden zu werden. Die Gegnerschaft zum "real existierenden Sozialismus" war der Bundesregierung ein vorrangiges Anliegen, zugleich aber wußte sie den Wunsch der Westalliierten, das Potential der BRD in die antisowjetische Front einzugliedern, als Argument zu nutzen, um den eigenen Handlungsspielraum gegenüber den Besatzungsmächten zu vergrößern. In einem integrierten (West-) Europa und dem Aufbau einer Europaarmee sah der Bundeskanzler "die einzige Möglichkeit, den starken Damm zu errichten, den wir gegenüber dem sowjetrussischen Druck brauchen (...). Deutschland ist ein notwendiger Bestandteil eines integrierten Europas. (...) Der Teilhaber einer solchen Gemeinschaft wird aber nur dann seine ganze Kraft für sie einsetzen, wenn er den anderen Partnern gleichberechtigt ist. Gleiche Pflichten haben gleiche Rechte zur Voraussetzung."59

Die ersten Schritte Westdeutschlands auf internationalem Parkett bemühten sich um die Erlangung von Gleichberechtigung gegenüber den westlichen Vertragspartnern. Obgleich einige besatzungsrechtliche Beschränkungen vor allem im militärischen Bereich aufrechterhalten wurden, war Adenauers Strategie in zügigem Tempo und erstaunlich reibungslos von Erfolg gekrönt. Insbesondere durch die wirtschaftliche Erholungsphase — das sogenannte "Wirtschaftswunder" — war Westdeutschland rasch in den Rang einer europäischen Macht gerutscht. Sein in erster Linie ökonomisches Potential galt es nun nach und nach in politischen Einfluß umzumünzen. Die Montanunion 1953 und die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) 1958 boten dafür die bündnispolitische Tribüne.

"treibende Kraft" der EWG Schon früh betrachtete sich die Bundesregierung als treibende Kraft einer zu vertiefenden europäischen Integration. 1961/62 wurde auf deutsche Anregung ein erster Versuch unternommen, eine "europäisch-politische() Union" zu bilden. Die sechs Gründungsstaaten der EWG (neben der BRD waren dies Frankreich und Italien, die Niederlande, Belgien und Luxemburg) sollten "im Bereich der auswärtigen Politik, der Verteidigungspolitik und der Kulturpolitik" eng zusammengeschlossen werden. Als dies scheiterte, wurde ein entsprechendes Bündnis mit Frankreich allein geschlossen; der Vertrag über die deutsch-französische Zusammenarbeit, bekannter als "Elysee-Vertrag", trat am 1. Januar 1963 in Kraft. Spätestens jetzt war die Achse Paris—Bonn aus der Taufe gehoben. "Deutschland und Frankreich, aber nicht nur diese beiden Länder, haben einen geschichtlichen Auftrag. Der Auftrag ist (...) auf den ganzen Kontinent" gerichtet. Auf Dauer müsse "Europa" zum "ebenbürtigen Partner" der USA werden — auch dieses Ziel war in der EWG angelegt. "Für eine so ausgerichtete europäische Politik bietet unsere Freundschaft mit Frankreich eine feste Ausgangsposition."60

Gefahren sah Erhard allerdings darin, daß in der EWG nur ein Teil des "freien Europas" zusammengeschlossen war, während andere Staaten abseits standen oder sich in der "European Free Trade Association" (EFTA) ebenfalls zusammengetan hatten. Die Gefahr sei eine wirtschaftliche Abschottung dieser beiden Gemeinschaften gegeneinander. Erhard ging immer davon aus, daß alle (kapitalistischen) Länder Europas in der EWG oder etwas Vergleichbarem vereinigt werden müßten. Ein Voranschreiten einzelner — solange es für die gesamteuropäische Integration nicht dysfunktional würde — befürwortete er allerdings.61 (Dieser Gedanke sollte Jahrzehnte später als "Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten" wieder auftauchen.) Dennoch formulierte Erhard noch kein Europa unter deutscher (oder deutsch-französischer) Kuratel. Mehr deutscher Einfluß — ja, aber für eine Dominanz in der EWG war die Zeit noch nicht reif. Dies belegt auch ein kurzer Rückblick Erhards auf die vergangene deutsche Großraumpolitik: "Daß in weltweiter Betrachtung ein wirtschaftlicher 'Großraum' nicht nur seine ökonomische, sondern auch seine sittliche Rechtfertigung vornehmlich in einer befriedigenden Ordnung seiner Beziehungen zu seinen Partnern findet, sollte gerade uns Deutschen in der Rückbesinnung auf eine tragische Vergangenheit bewußt sein, in deren Zeichen auch das Ziel eines 'deutschen' Großraumes stand. Wir sollten wirtschaftliche Kraft nicht mit wirtschaftlicher und politischer Macht gleichsetzen oder gar vermengen wollen (...)."62 ''' wachsender Einfluß Westdeutschlands'''

Die sozialliberale Außenpolitik übernahm diesen Grundsatz: "Die Europäische Gemeinschaft muß eine Gemeinschaft gleichberechtigter und gleichrangiger Staaten sein",63 wurde man zu betonen nicht müde. In der Tat dominierten Sonderinteressen einzelner Staaten, einseitig durchgedrückt gegen die anderen Mitglieder, nicht in solch einem Ausmaß die EG wie heutzutage die Wünsche Frankreichs und Deutschlands in der EU. Die Gleichberechtigung der Partnerländer war zu diesem Zeitpunkt noch unumstritten — die EG bestand erst aus einer Handvoll Staaten und konnte bei weitem noch nicht so einen starken Druck auf andere Staaten ausüben, sie in die EG zu zwingen. Die einzige Möglichkeit, neue Mitglieder zu gewinnen, war das Angebot einer Mitwirkung zu beiderseitigem Vorteil mit den gleichen Rechten wie die anderen. Noch 1976 betonte der Außenminister Hans-Dietrich Genscher: "Ein Versuch, rechtliche Abstufungen unter den Mitgliedern einzuführen oder ein Direktorium der Großen zu errichten, müßte Zusammenarbeit und Lebenskraft dieser Gemeinschaft aufs Schwerste gefährden."64

Einen größeren Block zu bilden hatte man sich zum Ziel gesetzt, um, wie Genscher mitteilte, international Interessen durchsetzen zu können: "Gleichzeitig mit dem inneren Ausbau der Gemeinschaft müssen wir auch die Handlungsfähigkeit der Gemeinschaft nach außen stärken und weiterentwickeln. (...) Nur gemeinsam kann Europa seine Interessen in der Welt wahrnehmen (...)."65 Dabei strebte man nach einem Platz im Rang einer Großmacht. Helmut Schmidt zitiert Valery Giscard d'Estaing zustimmend: "Entweder wir setzen die Streitigkeiten und Kämpfe fort, in denen wir seit tausend Jahren so große Meister sind, und wir verzehren unsere Kräfte in Rivalitätskämpfen unter den höhnischen und bald verachtungsvollen Blicken der Supermächte — oder wir organisieren uns, um zusammenzuarbeiten und damit an der Spitze des menschlichen Fortschritts die Lebensart, die politischen und gesellschaftlichen Prinzipien sowie die Zivilisation und die Geistigkeit des Westens aufrechtzuerhalten."66 Insoweit wurde die bestehende Politik aus Adenauers und Erhards Zeiten nicht verändert. Geopolitische Argumente standen nicht im Vordergrund politischer Debatten, ganz verschwunden waren diese Gedankengänge aber nicht, so wenn Helmut Schmidt behauptete, Deutschland brauche die EG "noch nötiger als andere Völker Europas", wegen seiner "exponierte(r) geopolitische(n) Situation im Herzen Europas".67

Die BRD gewann seit Ende der 60er Jahre nicht mehr nur an wirtschaftlicher Kraft, sondern auch ihr politischer Einfluß wuchs. "Seit Beginn der siebziger Jahre ist die Bundesrepublik nicht länger mehr ein politischer Zwerg." Nicht nur eine "der großen, der leistungsfähigsten Volkswirtschaften der Welt" sei aufgebaut worden, man habe "auch gelernt, eine (dem eigenen) Gewicht und (der) geographischen und geschichtlichen Situation entsprechende politische Rolle in der Welt zu spielen".68 Wer da so jubelte war kein anderer als der Bundeskanzler der Jahre 1974 bis 1982, Helmut Schmidt. Zunehmend wurde eine eigenständige Außenpolitik verfolgt, wofür nicht zuletzt die "Ostverträge" Zeugnis ablegen. 1970 traten Grenzanerkennungverträge mit der UdSSR und Polen in Kraft, 1972 wurde der Transitverkehr mit der DDR geregelt, 1973 folgte der Grundvertrag zwischen BRD und DDR. Im selben Jahr wurde die BRD in die UNO aufgenommen. Die EG war der BRD dabei ein Mittel, ihren politischen Einfluß weiter auszubauen. Auch hier sah man die Chancen einer Kräftebündelung als entscheidende Voraussetzung, um international mitzuspielen.

Die EG wurde nicht mehr allein auf wirtschaftliche Kooperation beschränkt, sondern bemühte sich um eine gemeinsame Außenpolitik — diese Neuerung fiel in die sozialliberale Ära. Die Haager EG-Gipfelkonferenz beschloß im Dezember 1969 auch die politische Vereinigung der EG-Staaten anzustreben. Als vorläufige Institution wurde parallel zum "Wirtschaftsverein" EG die "Europäische Politische Zusammenarbeit" (EPZ) ins Leben gerufen. Allerdings sollte es bis zu ersten konkreten Ergebnissen noch dauern. Erst die Wirtschaftskrise von 1973 bis 1975 habe, so Genscher, die "ersten Ansätze zu einer gemeinsamen europäischen Außenpolitik" gebracht.69 Von da an ging die politische Integration beschleunigt voran. Insbesondere gelang es, etliche Abkommen mit Staaten der "Dritten Welt" zu schließen, sich auf eine gemeinsame Nahost-Politik zu verständigen und die Politik auf den "Konferenzen für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa" (KSZE) abzustimmen; die EG trat der Welt immer öfter als einheitlicher Block gegenüber. Die zunehmend vereinheitlichte und unabhängigere Außenpolitik der EG wurde in Washington als Bedrohung wahrgenommen. Der EG warf US-Präsident Richard Nixon im Streit um die Nahost-Politik im März 1974 vor, "sich gegen die Vereinigten Staaten zusammenzurotten".70 Zum höheren Gewicht der EG in der Welt trug im übrigen der Beitritt Großbritanniens, Dänemarks und Irlands 1973 bei.

Von einem deutschen Dominanzstreben in der EG kann für diesen Zeitraum eher noch nicht gesprochen werden, jedoch waren erste Töne zu vernehmen, die in diese Richtung weisen. Schon war wieder von der treibenden Kraft (Bundesrepublik) Deutschland zu hören, vom Rückgrat der EG, bestehend aus BRD und Frankreich,71 von einer besonderen deutschen Verantwortung. "Dem gestiegenen Gewicht der Bundesrepublik Deutschland entspricht eine gestiegene Verantwortung und insbesondere eine gestiegene Verantwortung für die europäische Einigung."72 Und ein "Argument" trat damals seinen Siegeszug durch deutsche Wohnstuben und an Stammtischen an: Deutschland sei der Zahlmeister der EG,73 woraus nach und nach mehr Rechte für die BRD abgeleitet wurden. Anläßlich der Beitrittsverhandlungen mit Portugal, Spanien und Griechenland schlug Genscher dann dem Europaparlament erstmals Mehrheitsentscheidungen im EG-Rat vor, denn die Neuen wollten "einer starken handlungsfähigen Gemeinschaft" angehören.74 Helmut Schmidt wiederum teilt mit, daß sich der deutsch-französische Block Gedanken über ein gemeinsames taktisches Vorgehen in diese Richtung gemacht hat. Giscard d´Estaing und er seien sich einig gewesen, "daß Mehrheitsentscheidungen gegen einzelne Mitgliedsstaaten der EG oder gar supranationale Entscheidungen durch das Europäische Parlament oder die Brüsseler Hohe Kommission der EG nur schrittweise und vorerst nur auf weniger wichtigen Feldern eingeführt werden konnten".75

Vertiefte Integration und Blockbildung gegen die USA

Zunehmend wurde die europäische Einigung unter dem Gesichtspunkt, den USA weltpolitisch Paroli bieten zu können, betrieben. Die EG war insbesondere ökonomisch zwar stets stärker geworden, konnte aber zu Beginn der Ära Helmut Kohl US-Interessen noch nicht offensiv in entgegentreten, deswegen wurde jeder Reibungsverlust bei der Stärkung "Europas" als Gefahr wahrgenommen. Dies brachte der "Atlantiker" Helmut Schmidt noch fünf Jahre nach seinem Ausscheiden aus dem Kanzleramt zum Ausdruck: "Solange Westeuropa sich nicht zu einem gesamtstrategischen Entwurf durchringen und diesen geschlossen vertreten kann, wird es immer wieder mit amerikanischen Alleingängen konfrontiert werden."76 Ferner: "Weil in den achtziger Jahren der (west-) europäische Einigungsprozeß ins Stocken geraten ist, schrumpfte auch das weltweite Gewicht Europas. (...) Wenn es dabei bleiben sollte, werden die Weltmächte uns auch weiterhin dominieren."77

Damit sind die Aufgaben der bundesdeutschen Europa-Politik, wie sie sich auch der CDU/FDP-Koalition gestellt haben, formuliert: Erweiterung der EG und Vertiefung der Kooperation. Die "europäische Einigung" ging Schritt für Schritt voran. Besonders die Sitzungen des Europäischen Rats im Juni 1983 in Stuttgart und im Juni 1984 in Fontainebleau brachten die Vertiefung der Integration in Richtung auf eine Europäische Union voran. Als Absicht wurde erklärt, die außenpolitische Zusammenarbeit ausbauen, im Bereich Justiz und Innerer Sicherheit kooperieren, den EG-Institutionen mehr Entscheidungsrechte zubilligen und im Rat häufiger Mehrheitsentscheidungen treffen zu wollen. Aber erst der mehrheitliche Beschluß des Europäischen Rats vom Juni 1985 in Mailand für eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik gilt als die Weichenstellung zum Maastricht-Vertrag von 1992 und damit zur Gründung der Europäischen Union.78

Wesentliche Veränderungen in der EG wurden also schon vor dem Zusammenbruch des "Ostblocks" in die Wege geleitet. Insbesondere die Umwandlung der EG in die EU, die eine Vertiefung und Festigung des Staatenbundes bedeutete, wurde seit längerem aus Kapitalkreisen vehement gefordert. Es gelte "den Binnenmarktprozeß unumkehrbar zu machen", meinte der "Bundesverband der Deutschen Industrie" (BDI) 1989. Siemens-Chef Kaske erklärte: Die EG müsse die "europäische Antwort auf die Herausforderungen der Weltwirtschaft" sein. Der Markt müsse fester und geschlossener werden: "Die idiotischen Binnengrenzen müssen weg."79 Um weltweit in der Konkurrenz bestehen zu können, brauchten die großen Konzerne eine Heimatbasis, teilte der seinerzeitige Vorstandsvorsitzende von Daimler-Benz, Edzard Reuter, mit. Aber: "Diese Heimatbasis kann auf keinen Fall ein so kleines Land wie die Bundesrepublik sein, die muß mindestens aus Europa bestehen."80

Das entscheidende Ereignis für die folgenden Kräfteverschiebungen, für gewandelte außenpolitische Paradigmen, für den gewachsenen deutschen Vormachtsanspruch aber war der Zusammenbruch der Sowjetunion und des um sie herum errichteten Staatensystems. Die BRD schluckte die DDR — ein neues Deutschland erschien auf der Bildfläche. Auch Mitteleuropastrategien hatten durch Wegfall des "Eisernen Vorhangs" wieder realere Grundlagen, gab es doch wieder ein Osteuropa, das deutsch dominiert werden konnte. Hierzu sei auf den Beitrag von Holger Kuhr in dieser Broschüre verwiesen. Die Veränderungen und Radikalisierungen der deutschen Europapolitik seit 1990 sind nicht mehr Thema dieses Beitrags. Es ist aber darauf hinzuweisen, daß der Zusammenbruch der RGW-Staaten eine vollkommen neue Situation ergab, die als Hintergrund, vor dem sich ganz neue deutsche Ansprüche auftaten, verstanden werden muß. Dies wird deutlich an dem Strategiepapier von Wolfgang Schäuble und Karl Lamers von 1994 und Joschka Fischers programmatischer Rede aus dem Jahr 2000, die sich in teilweise erstaunlicher Übereinstimmung mit wesentlich älteren deutschen Mitteleuropastrategien befinden.

Deutsches Hegemoniestreben

Das Lamers/Schäuble-Papier

1994 veröffentlichten Karl Lamers und Wolfgang Schäuble ein Strategiepapier zur Weiterentwicklung der EU.81 Die beiden CDU-Politiker sprachen seinerzeit von der besonderen Lage Deutschlands, die, um nicht in alte Fehler zurückzufallen, dazu zwänge, "ein Auseinanderdriften Europas zu verhindern". Als alte Fehler wurden die deutschen Versuche ausgemacht, seine "Lage im Zentrum aller europäischen Konflikte durch die Errichtung einer Hegemonie zu überwinden". Deutschland habe erkennen müssen, "daß seine Kräfte hierzu nicht ausreichen". Eine Alternative zum Weg der europäischen Integration habe Westdeutschland wegen "der Ost-West-Konfrontation und wegen seiner totalen Niederlage 1945" nicht gehabt.

Bereits damals sprachen Lamers und Schäuble vom Aufbau eines staatsähnlichen Gebildes EU, es gehe um das "Modell eines föderativen Staatsaufbaus" und "die Kommission (der EU — F.P.) (müsse) Züge einer europäischen Regierung" annehmen. Zunächst einmal gelte es aber, das "Einstimmigkeitsprinzip" durch "ein noch näher zu bestimmendes Quorum" zu ersetzen. Und: "Entscheidend ist, daß die Länder, die in ihrer Kooperation und in der Integration weiter zu gehen willens und in der Lage sind als andere, nicht durch Veto-Rechte anderer Mitglieder blockiert werden dürfen." Dies ist die Geburtsstunde des "Europas der unterschiedlichen Geschwindigkeiten", worunter zu verstehen ist, daß Projekte, die nicht von allen EU-Staaten gewollt werden, von einigen Mitgliedern dennoch innerhalb der EU betrieben werden können. Welche Länder dies sind, geben die beiden auch an: Es gebe einen "feste(n) Kern von integrationsorientierten und kooperationswilligen Ländern" bestehend aus Deutschland und Frankreich, ferner aus den Niederlanden, Belgien und Luxemburg. Die deutsch-französische Zusammenarbeit habe dabei eine "unerläßliche() Motor-Funktion" für die fünf "Kernländer". Anders gesagt: "Den Kern des festen Kerns bilden Deutschland und Frankreich."

Daß eingangs eine deutsche Hegemonie über Europa abgelehnt wurde, wird durch die Funktionen, die Lamers und Schäuble dem von ihnen herausgeschälten Kern zuweisen, konterkariert: Er habe etwaigen "zentrifugalen Kräften in der immer größer werdenden Union ein starkes Zentrum entgegenzustellen". Also, erstens, brauche es einen festen Kern und, zweitens, sei dieser das Zentrum der Union. Damit wird klar, worauf die Ersetzung des Konsensprinzips durch Mehrheitsentscheidungen hinausliefe: auf die Hegemonie Deutschlands und Frankreichs, des nach eigenem Verständnis "Motors", "Kerns" und "Zentrums" der EU.

Dieses Papier verfolgt die selbe Strategie wie Fischer im Jahre 2000, zwischen der CDU/FDP-Regierung und Rot-Grün besteht bezüglich der Europa-Politik kein feststellbarer Unterschied. Fischer wird allenfalls deutlicher; wo Lamers und Schäuble noch immer den demokratischen, nichthegemonialen Charakter ihrer Ideen behaupten (obgleich sie anders ausgestaltet werden), scheint Fischer solche Rücksichten nicht mehr nötig zu haben. Seine Ausführungen sind konkreter. Aber auch darin ist keine wirkliche Differenz zu erblicken, vielmehr konnte Fischer bereits anders auftreten, weil sechs Jahre Entwicklung dazwischen liegen und ein enger aneinandergebundenes EU-Europa unter deutsch-französischer Vorherrschaft realistischer geworden ist.

Die Fischer-Rede

Außenminister Fischers "Vision" des zukünftigen Europa82 ist in Deutschland auch von einer kritischen Öffentlichkeit kaum wahrgenommen worden. Zu Unrecht, denn Fischers Ausführungen stellen den bis dato von einem Regierungspolitiker geäußerten unverblümtesten deutschen Herrschaftsanspruch über Europa seit 1945 dar.

In seiner Rede vom 12. Mai 2000 in der Berliner Humboldt-Universität bewertete Fischer die bisherigen Stufen der "europäischen Einigung" und sann über weiterreichende Schritte nach. Die Ausdehnung der EU liege "gerade für Deutschland im obersten nationalen Interesse". "Deutschlands Dimension und Mittellage" wird einmal mehr bemüht. "Gerade die deutsche Wirtschaft wird von der Erweiterung einen hohen Gewinn für Unternehmen und Beschäftigung davontragen." Hierzu bedürfe es aber weiterer Festigung und Vertiefung der zwischenstaatlichen Kooperation.

Die künftigen EU-Strukturen seien in die Richtung zu reformieren, die die Einführung von Mehrheitsentscheidungen weist: zunehmende Übertragung staatlicher Kompetenzen an EU-Gremien, die über den Willen eines nationalen Souveräns hinweg entscheiden sollen. Ist eine derartige Struktur einmal durchgesetzt, steht nur noch die Frage im Raum, wer die Entscheidungen der Gremien zu bestimmen vermag. Da wird klar, was mit der auch von Fischer bemühten Phrase, es komme "ganz entscheidend auf Frankreich und Deutschland" an, gemeint ist.

Jetzt bereits gehöre zu den europäischen Kernfragen die "Stimmgewichtung im Rat" (der EU) und die "Ausweitung von Mehrheitsentscheidungen". Was letztlich heißt, daß sich der deutsch-französische Block immer mehr Kompetenzen anderer Staaten anzueignen gedenkt. Das aber genüge nicht, auf die europäischen Probleme gebe es "eine ganz einfache Antwort (...): den Übergang vom Staatenverbund der Union hin zur vollen Parlamentarisierung in einer Europäischen Föderation (...), ein europäisches Parlament und eine ebensolche Regierung, die tatsächlich die gesetzgebende und die exekutive Gewalt innerhalb der Föderation ausüben".

Diese Konzeption geht deutlich weiter, als die Vorgaben von Maastricht, in denen es in der Präambel heißt, man sei "entschlossen, den Prozeß der Schaffung einer immer engeren Union der Völker Europas, in der die Entscheidungen entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip möglichst bürgernah getroffen werden, weiterzuführen".83 Von einer de facto Abschaffung der Nationalstaaten ist dort indes keine Rede. Auch deshalb meinte Fischer andernorts, der Einigungsprozeß Europas sei mit "Maastricht" an seinen vorläufigen Endpunkt gelangt.84

Wie aber zu einem "Staat EU" kommen? Immerhin dürften insbesondere die kleineren Teilnehmerstaaten kein Interesse an einer Begrenzung oder gar Aufhebung ihrer Souveränität haben. Fischer: Entweder machen die meisten Staaten freiwillig mit, oder "eine kleine Gruppe von Mitgliedstaaten als Avantgarde (wird) diesen Weg vorausgehen, d.h. ein Gravitationszentrum aus einigen Staaten bilden (...)." Auch an dieser Stelle taucht die "engste deutsch-französische Zusamenarbeit" auf. Das Gravitationszentrum (oder der "Gravitationskern") würde dann "einen neuen europäischen Grundvertrag schließen, den Nukleus einer Verfassung der Föderation". Diese "Avantgarde" wäre "die Lokomotive der politischen Integration", die — und das sagt Fischer nicht — die unwilligen Staaten in die Gemeinschaft zwingt oder sie ins Abseits stellt.

Der hier formulierte Hegemonieanspruch Deutschlands (in einem Bündnis mit Frankreich) ist erstaunlich unbemäntelt ausgedrückt worden. Deshalb kann die teils barsche Ablehnung von Seiten der europäischen Partner auch nicht verwundern. Jacques Chirac sprach von einem "eitle(n) Unterfangen"85, sein Außenminister Védrine sagte gar, die Völker hätten in der Vergangenheit genug gelitten unter den falschen Versprechen von Flötenspielern.86 Und der britische Premier Tony Blair kündigte an, sich der Entwicklung eines harten Kerns in der EU oder eines 2-Ligen-Europas zu widersetzen.87 Diese Kritik, wie sie in dieser Tonart unter "Partnern" und Diplomaten nicht üblich ist, bringt auch zum Ausdruck, wie groß noch immer das Mißtrauen ist, wenn ein deutscher Politiker vom Auflösen bestehender Grenzen und Staaten zur Schaffung eines geeinten Kerneuropas fabuliert.

Doch diese lautstarke Ablehnung von Fischers "Vision" sollte nicht darüber hinwegtäuschen, daß die EU sich schrittweise in Richtung der Ideen des deutschen Außenministers entwickelt. Es darf vor allem nicht übersehen werden, daß Frankreich zu dem angebotenen Bündnis mit Deutschland durchaus bereit ist. Und sogar Blair schob seiner Kritik nach, daß es für Großbritannien darauf ankomme, selbst als partner in leadership anerkannt zu werden.88

100 Jahre deutsches Hegemoniestreben

Mit der Reichseinigung 1871 trat Deutschland in das Ringen um die Beherrschung der Welt ein. Der Erwerb eigener Kolonien war der sichtbarste Ausdruck dessen. Mit einer gewissen Notwendigkeit wurden jetzt aber auch Konzepte für eine internationale Stärkung des Deutschen Reiches entworfen. Ein großer deutsch beherrschter Wirtschaftsraum galt dafür als besonders wichtig — hierauf weisen die zahlreichen neidvollen Blicke auf die internationale Konkurrenz mit ihren "weiten Räumen" hin: die USA und Rußland mit einem enormen Staatsgebiet, Großbritannien mit einem riesigen Kolonialreich.

Wie dieser größere Binnenmarkt zu erreichen wäre, dazu gab es unterschiedliche Vorschläge. Zahlreich waren die Anhänger einer deutschen Kolonialausdehnung nach britischem Vorbild, aber genauso auch die aggressiven Nationalisten, die Deutschland auf Kosten seiner Nachbarn ausdehnen wollten. Das Mitteleuropakonzept, das Deutschland den größeren Binnenmarkt bescheren sollte, ohne sich Gebiete der Nachbarstaaten einzuverleiben, die das Weiterbestehen ihrer politischen Eigenständigkeit vorsah, spielte in den außenpolitischen Debatten des Ersten Weltkriegs ebenfalls eine Rolle. In den verschiedenen Kriegszieldenkschriften sprachen sich alle drei Konzepte in den unterschiedlichsten Varianten und Kombinationen aus. Rathenaus und Naumanns Pläne waren durchaus anerkannt, ohne daß sie die einzig tragende außenpolitische Zielsetzung des Kaiserreichs gestellt hätten.

Nach dem Krieg hätte das Mitteleuropakonzept bei dem deutschen Versuch, in den internationalen Gremien wieder eine Rolle zu spielen und Souveränität zurückzuerlangen, seine vielseitige Verwendbarkeit unter Beweis stellen können. Aber seinerzeit beherrschten die Revancheforderungen gegen die Sieger des Ersten Weltkriegs die Weimarer Außenpolitik. Die Mitteleuropastrategen tauschten sich in Studien- und Debattierzirkeln aus, mit deren Hilfe sie ihre zeitwelige Einflußlosigkeit zu überwinden trachteten.

Mit Antritt der Hitlerregierung war die Zeit aller imperialistischen Ideologen gekommen. Auch das Mitteleuropakonzept spielte eine Rolle; zunächst bei den Bestrebungen, vor allem Südosteuropa ökonomisch zu dominieren (Clearing-System),89 vor allem aber eingebunden in die rassistischen Eroberungs- und Vernichtungsstrategien. Bei den Planungen für eine Nachkriegsordnung unter deutscher Führung erwiesen sich die Mitteleuropakonzepte als geeignet und gut ausgearbeitet, denn nicht umsonst hatten Wissenschaftler und Wirtschaftsexperten jahrelang an ihnen gefeilt.

Nach 1945 waren Pläne für ein deutsches (Mittel-) Europa undenkbar geworden. Anders als ausgangs des Ersten wurde nach dem Zweiten Weltkrieg (west-) deutscherseits eine geschicktere, kompromißorientierte Außenpolitik verfolgt, die sich insbesondere den Kalten Krieg zu nutze zu machen verstand. Es gelang rasch, in die westlichen Bündnisstrukturen eingebunden zu werden. Bezweckten Adenauer und Erhard bei den (west-) europäischen Einigungbestrebungen zunächst eine deutsche Teilhabe am weltpolitischen Geschehen,90 so wandelte sich dies im Laufe der Jahrzehnte insbesondere aufgrund der ökonomischen Erstarkung der BRD zugunsten eines deutschen Führungsanspruchs (im Verbund vornehmlich mit Frankreich) in der EWG/EG erst in wirtschaftlichen Fragen, später auch in politischer Hinsicht.

Mitteleuropakonzepte waren mal mehr, mal weniger virulent, sie standen mal im Zentrum und mal am Rande deutscher Außenpolitik, sie kamen mal friedlich und bündnisorientiert, mal als brutale Zwangsherrschaft daher. Stets aber ging es um den maximalen deutschen Vorteil, zumeist aber auch um wirtschaftliche und politische Hegemonie, immer war "Mitteleuropa" das Programm für einen imperialistischen Block.

Diese Entwicklung hat mit Fischers unverblümter Propagierung eines altbekannten Mitteleuropakonzepts einen momentanen Höhepunkt erreicht. Das sieht in seinem Zentrum ein Deutschland vor, das die "natürliche" Vormacht des Kontinents ist. Eine vertiefte europäische Integration, eine EU, die eine gemeinsame Außenpolitik betreibt, wäre in der Tat ein ernsthafter Konkurrent der USA um die politische Vormacht in der Welt. Ökonomisch ist die EU den USA längst gleichrangig gegenübergetreten. Beispielsweise betrug der Anteil der EU (ohne Binnenhandel) an den weltweiten Ausfuhren 19,5 %, der der USA aber nur 15,7 %. Bei den Einfuhren ergibt sich ein umgekehrtes Bild (19,0 % zu 23,7 %). Das Außenhandelsbilanzdefizit der USA ist beinahe 12 mal so groß wie das der EU-Staaten. Noch 1960 bis 1970 war die Außenhandelsbilanz der USA positiv.91

Die politische Einigung Europas aber, dies hat der innereuropäische Streit um die Haltung zum Irakkrieg und die Uneinigkeit über den europäischen Konvent — die künftige Verfassung der EU — gezeigt, ist noch lange nicht erreicht. Zu unterschiedlich sind die Interessen der Beteiligten, zu sehr beharren etliche der kleineren Staaten auf ihrer Souveränität. Beispielsweise betonte der Ministerpräsident des Beitrittslandes Tschechien, Vladimir Spidla, daß "die Gleichheit der Staaten und Völker" die Grundlage der EU bleiben müsse. Eine weitere Ausdehnung von Mehrheitsentscheidungen halte er für falsch. Und: "Ein Europa der unterschiedlichen Gruppen oder der unterschiedlichen Geschwindigkeiten lehne ich ab. Das wäre der Anfang der Desintegration."92 Wo soll da der Kompromiß mit Fischers Vorschlägen liegen? Der Ausgang ist ungewiß.

Eine EU, die nur danach trachtet, die Kapitalverwertungsbedingungen zu verbessern und dafür die Lebensbedingungen der überwiegenden Mehrheit der Menschen in ihren Mitgliedsstaaten verschlechtert, eine EU, die bei der Ausbeutung der Welt nicht nur mitmischt, sondern zunehmend die Führung übernimmt und auch militärisch eine Weltmachtrolle anstrebt, eine EU, die weltweit für Hunger und Kriege verantwortlich ist, die aber die daraus entstehenden Migrationsbewegungen an ihren Grenzen mit Polizei- und Militärgewalt aufzuhalten gedenkt, kann niemals eine Alternative zum "Weltpolizisten" USA sein. Die EU muß bekämpft werden.

So zügig und geradlinig wie Fischer und Chirac sich die "europäische Integration" vorstellen, wird sich ihr Modell nicht durchsetzen. Die Entwicklung verläuft in Brüchen. Nicht nur zwischenstaatliche Streitereien und innereuropäische Konkurrenzen und Interessenwidersprüche behindern die Stärkung der imperialistischen Weltmacht EU, sondern auch der Widerstand von Globalisierungsgegnern, Friedensbewegten und Antiimperialisten kann zu einem störenden Moment werden. Umgekehrt sind Positionen, die sich ausschließlich gegen die US-Politik wenden, die sich eine starke EU als Contrepart zu den USA wünschen, komplett unbrauchbar. Nötig ist vielmehr eine verschärfte Kritik an der EU — an der EU als Ganzes, als politisches Projekt, nicht mehr nur an Einzelaspekten wie dem Wirtschaftsliberalismus oder der Abschottung gegenüber den Migrationsströmen —, weil nur dadurch ein massiver und inhaltlich klarer Widerstand entstehen kann. Der auch in der Lage ist, sich von reaktionärer, nationalistischer Kritik deutlich abzugrenzen.

Quelle: Frank Pieper (Hg.), Holger Kuhr, Christiane Schneider: Die EU, "Kerneuropa" und Osterweiterung, Hamburg 2003

1 Welt vom 19.2.2003.

2 jw vom 3.2.2003.

3 Tagesspiegel vom 6.4.2003.

4 Walther Rathenau: Deutsche Gefahren und neue Ziele (1913), in: ders.: Gesammelte Schriften in 5 Bdn., 1. Bd., Berlin 1918, S. 265-278. Frühere, ähnlich klingende Theorien, wie jene Friedrich Lists, gehören nicht hier her, da sie es nicht mit einem bereits entfalteten monopolkapitalistischen System zu tun hatten und die Reichseinheit noch nicht erreicht war. Somit fußen Lists Arbeiten bei aller Analogie auf anderen Grundlagen als jene, die im frühen 20. Jahrhundert forciert propagiert wurden.

5 Wolfgang J. Mommsen: Triebkräfte und Zielsetzungen des deutschen Imperialismus vor 1914, in: ders.: Der autoritäre Nationalstaat. Verfassung, Gesellschaft und Kultur des deutschen Kaiserreiches, S. 182-213.

6 Ders.: Innenpolitische Bestimmungsfaktoren der deutschen Außenpolitik vor 1914, in: ebd., S. 316-357.

7 Fritz Fischer: Griff nach der Weltmacht. Die Kriegszielpolitik des kaiserlichen Deutschland 1914/18, Düsseldorf 1961, S. 20.

8 Ebd.

9 Zit. nach Werner Köster: Die Rede über den "Raum". Zur semantischen Karriere eines deutschen Konzepts, Heidelberg 2002. In diesem Band findet sich mehr zu Ratzel, insbes. S. 59-71.

10 Deutschlands Weltstellung und der Weiterbau am deutschen Nationalstaat, Alldeutsche Blätter vom 7.1.1894, in: Europastrategien des deutschen Kapitals 1900-1945, hrsg. von Reinhard Opitz, Bonn 1994 (2), S. 96-100.

11 Zit.n. Fischer: Griff nach der Weltmacht, S. 111/112. Das Buch Fischers ist, obwohl schon 1961 erschienen, der wichtigste Wegweiser zur Kenntnis der deutschen Kriegsziele des I. Weltkriegs.

12 Zit.n. ebd.

13 Einige Beispiele dafür in: Erster Weltkrieg. Ursachen, Enstehung und Kriegsziele, hrsg. v. Wolfgang Schieder, Köln/Berlin 1969.

14 Zit.n. Fischer: Griff nach der Weltmacht, S. 305/306.

15 Friedrich Naumann: Mitteleuropa, Berlin 1915.

16 Ebd., S. 165.

17 Ebd., S. 167.

18 Ebd., S. 1.

19 Ebd., S. 3.

20 Ebd., S. 2.

21 Ebd., S. 177.

22 Ebd., S. 167.

23 Ebd., S. 167.

24 Heinrich Claß, Vorsitzender der Alldeutschen, am 28.8.1914, zit.n. Fischer: Griff nach der Weltmacht, S. 114.

25 Vgl. ebd., S. 197/198.

26 Alfred von Tirpitz: Deutsche Denkwürdigkeiten. Erinnerungen, Leipzig 1919, S. 282.

27 So die "6 Verbände" (ein Zusammenschluß von sechs großen Wirtschaftsverbänden) in einer Denkschrift vom 20.5.1915, in: Fischer: Griff nach der Weltmacht, S. 194/195, oder der "Unabhängige Ausschuß für einen deutschen Frieden am 15.11.1915, in: ebd., S. 200/201.

28 Graf Kuno von Westarp (Deutsche Konservative Partei, später DNVP): Konservative Politik im letzten Jahrzehnt des Kaiserreiches, 2. Bde., 1914-1918, Berlin 1935, S. 68. Kurland ist heute ein Teil Lettlands.

29 Vgl. Dietrich Kersten: Die Kriegsziele der Hamburger Kaufmannschaft im Ersten Weltkrieg. Ein Beitrag zur Frage der Kriegszielpolitik im kaiserlichen Deutschland 1914-1918, Diss., Hamburg 1963.

30 Ausnahme waren nicht geleistete Reparationslieferungen, in deren Folge Belgien und Frankreich am 11.1.1923 das Ruhrgebiet besetzten. Für die damalige Politik mag beispielhaft Gustav Stresemann stehen, Außenminister von 1923 bis 1929, "Deutsche Volkspartei" (DVP). Er erwirkte die Aufnahme Deutschlands in den Völkerbund durch Annahme des Dawesplans und des Locarnopakts. Dafür erhielt er 1926 den Friedensnobelpreis. Neben diesem "offiziellen" Auftreten, vertrat er aber auch weit weniger völkerverständige Ansichten, so in einem Brief an den ehemaligen Kronprinzen vom 7.9.1925: Zu den Hauptaufgaben der deutschen Außenpolitik zählte er neben der "Lösung der Reparationsfrage" den "Schutz der Auslandsdeutschen, jener zehn bis zwölf Millionen Stammesgenossen, die jetzt unter fremdem Joch in fremden Ländern leben", die "Korrektur der Ostgrenzen: die Wiedergewinnung Danzigs, des polnischen Korridors und eine Korrektur der Grenze in Oberschlesien" sowie den "Anschluß von Deutsch-Österreich". In: Europastrategien, S. 507/508.

31 Vgl. auch Köster: Die Rede über den "Raum".

32 Richard Nikolaus Graf Coudenhove-Kalergi: Das Paneuropäische Manifest (1923), in: Anton Schäfer (Hg.): Die Verfassungsentwürfe zur Gründung einer Europäischen Union. Herausragende Dokumente von 1930 bis 2000, Dornbirn 2001, S. 19-24. Zur PEU — einer "politische(n) Variante zur Erringung deutscher Vorherrschaft in Europa" — vgl. Ernst Kovahl/Jörg Kronauer: Die Paneuropa-Union, in: Grenzen auf für Deutschland? Hrsg. von VVN-BdA NRW, Hartmut-Meyer- und Georg-Herde-Archiv, Wuppertal 2002, S. 60-67.

33 Reichsminister a.D. Georg Gothein (Schatzminister 1919, Deutsche Demokratische Partei), in: Europastrategien, S. 535-538.

34 Erich Koch-Weser: Deutschlands Außenpolitik in der Nachkriegszeit 1919-1929, in: ebd., S. 557-563.

35 Werner Daitz: Denkschrift über die Errichtung einer Zentralstelle für europäische Großraumwirtschaft (1936), in: ebd., S. 629-633.

36 Werner Daitz: Denkschrift betr. die Errichtung eines Reichskommissariats für Großraumwirtschaft vom 31.5.1940, in: Deutsche Geschichte 1933-1945. Dokumente zur Innen- und Außenpolitik, hrsg. von Wolfgang Michalka, Frankfurt a.M. 1993, S. 227/228.

37 Walther Funk: Das wirtschaftliche Gesicht des neuen Europa, in: Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, hrsg. vom Verein Berliner Kaufleute und Industrieller und von der Wirtschafts-Hochschule Berlin, Berlin 1942, S. 17-41.

38 Carl Schmitt: Völkerrechtliche Großraumordnung mit Interventionsverbot für raumfremde Mächte, Vortrag vom 1.4.1939, in: Europastrategien, S. 641-648.

39 Walther Funk: Das wirtschaftliche Gesicht des neuen Europa.

40 Anton Reithinger: Europäische Wirtschaft, in: Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, S. 94-116.

41 So bei Alfred Oesterheld: Wirtschaftsraum Europa, Oldenburg/Berlin 1943 (2), S. 165.

42 Horst Jecht: Die Entwicklung zur europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, in: Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, S. 42-65.

43 Oesterheld: Wirtschaftsraum Europa, S. 165.

44 Ebd., S. 177.

45 Ebd., S. 176. In diesem Sinne äußerte sich u.a. auch Ferdinand Friedensburg, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung: Die Rohstoffe und Energiequellen im neuen Europa, Oldenburg/Berlin 1943, S. 160: "Vor allem verdient der besonders große Erzreichtum Skandinaviens, namentlich Schwedens, in eine europäische Gesamtwirtschaft einbezogen zu werden (...)." Zur Rolle Schwedens in den deutschen Großraumwirtschaftsplänen siehe auch Klaus Wittmann: Schwedens Wirtschaftsbeziehungen zum Dritten Reich 1933-1945, Diss., München 1977, S. 204-241.

46 Funk: Das wirtschaftliche Gesicht des neuen Europa.

47 Oesterheld: Wirtschaftsraum Europa, S. 174.

48 Friedensburg: Die Rohstoffe, S. 13.

49 Brief Walther Funks an Hermann Göring vom 6.8.1940, in: Deutsche Geschichte 1933-1945, S. 228-230. Über das "Clearing-System und über die Diskussion, wie insbesondere die Währungspolitik für diese Aufgaben zu nutzen wäre, vgl. Marc Buggeln: Währungspläne für den europäischen Großraum. Die Diskussion der nationalsozialistischen Wirtschaftsexperten über ein zukünftiges europäisches Zahlungssystem, in: Europäische Integration. Deutsche Hegemonialpolitik gegenüber Westeuropa 1920-1960, Beiträge zur Geschichte des Nationalsozialismus, H. 18., Göttingen 2002, S. 41-76.

50 Entwurf einer Denkschrift des Auswärtigen Amtes über die Schaffung eines "Europäischen Staatenbundes" vom 9.9.1943, in: Europastrategien, S.957-966.

51 Zahlreiche Beispiele finden sich in: Europastrategien, z.B. vom Textilindustriellen Hans Kehrl ein Vortrag über Großraumwirtschaft vom 9.9.1940, S. 777-789.

52 Ganz anders als die bislang zitierten Wirtschaftsplaner argumentierten NS-Ideologen einer überlegenen "germanischen Rasse". Alfred Rosenberg sah Deutschland im Zentrum aller wirtschaftlichen Entwicklung Europas, da es der Verbindungspunkt Skandinaviens und des Ostseeraumes mit Südosteuropa sei. Bei ihm zählte nicht der ökonomische Nutzen, sondern nur seine germanisch-völkische Ideologie. Das "gemeinsame Kulturerbe der artverwandten Völker" Deutschlands und Skandinaviens verlange die "große() germanische() Schicksalsgemeinschaft". Alfred Rosenberg: Nordische Schicksalsgemeinschaft (Rede vor der "Nordischen Gesellschaft" am 9.7.1940), in: ders.: Tradition und Gegenwart. Reden und Aufsätze 1936-1940, Blut und Ehre IV. Bd., München 1941, S. 422-432.

53 Konrad Adenauer: Deutschlands Stellung und Aufgabe in der Welt. Rede auf dem CDU-Bundesparteitag in Goslar am 20.10.1950, in: ders.: Reden 1917-1967. Eine Auswahl, hrsg. von Hans-Peter Schwarz, Stuttgart 1975, S. 181-193. Was nicht heißt, daß es nicht schon längst strategische Planungen gegeben hätte, wie Deutschland international wieder mitmischen könnte. Zu einigen ökonomischen Kaderschmieden mit NS-Vergangenheit vgl. Olaf Breker: Ordoliberalismus — Soziale Marktwirtschaft— Europäische Integration. Entwicklungslinien einer problematischen Beziehung, in: Europäische Integration, S. 99-126.

54 Ludwig Erhard: Die Europa-Politik der Bundesregierung, Rede am 12.7.1964, in: ders.: Wirken und Reden. 19 Reden aus den Jahren 1952 bis 1965, Ludwigsburg 1966, S. 73-86.

55 Ludwig Erhard: Europäische Missverständnisse (1959), in. ders.: Deutsche Wirtschaftspolitik. Der Weg der sozialen Marktwirtschaft, Düsseldorf u.a.1992 , S. 450-455.

56 Ludwig Erhard: Die Europa-Politik der Bundesregierung, Rede am 12.7.1964, in: ders.: Wirken und Reden. 19 Reden aus den Jahren 1952 bis 1965, Ludwigsburg 1966, S. 73-86.

57 Ludwig Erhard: Die deutsche Wirtschaftspolitik im Blickfeld europäischer Politik, in: ders.: Wirken und Reden. 19 Reden aus den Jahren 1952 bis 1965, Ludwigsburg 1966, S. 273-300.

58 Konrad Adenauer: Erklärung zum Schuman-Plan am 9.5.1950, in: ders.: Reden 1917-1967, S. 175-181.

59 Konrad Adenauer: Deutschland und der Friede in Europa, Ansprache in vor den Nouvelles Equipes Internationales am 15.9.1951, in: ebd., S. 224-232.

60 Ludwig Erhard: Die Europa-Politik der Bundesregierung.

61 Vgl. Ludwig Erhard: Europäische Missverständnisse.

62 Ludwig Erhardt: Darf man über "Europa" sprechen, Artikel im Handelsblatt vom 17.1.1961, in: ders.: Deutsche Wirtschaftspolitik, S. 533-537.

63 Hans-Dietrich Genscher: Das Europa der Freiheit — Schwerpunkt unserer Außenpolitik. Rede am 14.5.1976, in: ders.: Deutsche Außenpolitik. Ausgewählte Grundsatzreden 1975-1980, Bonn 1981, S. 117-137.

64 Hans-Dietrich Genscher: Rede am 5.9.1976, zit. n.: Hans-Dieter Lucas: Politik der kleinen Schritte — Genscher und die deutsche Europapolitik 1974-1983, in: ders. (Hg.): Genscher, Deutschland und Europa, Baden-Baden 2002, S. 85-113.

65 Hans-Dietrich Genscher: Das Europa der Freiheit.

66 Helmut Schmidt: Der Kurs heißt Frieden, Düsseldorf/Wien 1979, S. 126.

  Ebd., S. 129.

67 Helmut Schmidt: Menschen und Mächte, Berlin 1988 (5), S. 12.

68Hans-Dietrich Genscher: Notwendigkeit und Möglichkeit einer euopäischen Außenpolitik. Rede am 1.7.1976, in: ders.: Deutsche Außenpolitik, Bonn 1981, S. 138-164.

69 Das berichtet Genscher in: ebd..

70 Hans-Dietrich Genscher: Deutsche Außenpolitik für die achtziger Jahre. Rede am 20.5.1980, in: Deutsche Außenpolitik, S. 306-332. Bei Hans-Dieter Lucas: Politik der kleinen Schritte, finden sich weitere Genscher-Zitate zum deutsch-französischen Block. Da ist u.a. vom "Kernstück", von "Schlüsselfunktion", von "dynamische(m) Element" und wieder vom "Motor" der EG die Rede.

71 Hans-Dietrich Genscher: Das Europa der Freiheit.

72 Ebd.

73 Hans-Dietrich Genscher: Die Europäische Gemeinschaft vor den Herausforderungen einer sich wandelnden Welt. Rede am 4.7.1978, in: ders.: Deutsche Außenpolitik, S. 165-206 .

74 Helmut Schmidt: Die Deutschen und ihre Nachbarn. Menschen und Mächte II, Berlin 1990, S. 187.

75 Helmut Schmidt: Menschen und Mächte, S. 335.

76 Ebd., S. 451.

77 Vgl. Hans-Werner Lautenschlager: Auf dem Wege zur Einheit Europas: ein Jahrzehnt entscheidender Weichenstellungen europäischer Integrationspolitik (1983-1992), in: Hans-Dieter Lucas (Hg.): Genscher, Deutschland und Europa, S. 297-321. Lautenschlager war von 1979-1984 und von 1987-1993 Staatssekretär im Auswärtigen Amt.

78 Zit. nach Europäische Großraumwirtschaft. Menschenverachtende Konzernstrategien, hrsg. von der Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg, Köln 1989, S.6.

79 Zit. nach Faschisten kandidieren für Neuordnung Europas, hrsg. von der Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg, Köln 1989, S. 25.

80 Karl Lamers/Wolfgang Schäuble: Überlegungen zur europäischen Politik vom 1.9.1994.

81 Joschka Fischer: Vom Staatenverbund zur Föderation — Gedanken über die Finalität der europäischen Integration, Rede am 12.5.2000 an der Humboldt-Universität Berlin.

82 Vertrag über die Europäische Union (EU) vom 7.2.1992, in: Der Vertrag. Europäische Gemeinschaft — Europäische Union. Der Vertragstext von Maastricht mit den deutschen Begleittexten, Bonn 1993, S. 173.

83 NZZ vom 31.5.2000.

84 Ebd.

85 NZZ vom 27.11.2000.

86 NZZ vom 29.6.2000.

87 junge welt vom 1./2.7.2000.

88 Vgl. Buggeln: Währungspläne.

89 Übrigens wurde die Bedeutung, die die EWG bekommen sollte, bei ihrer Gründung kaum erkannt. Zur Unterzeichnung des EWG-Vertrags berichtete der SPIEGEL (H. 14, 11. Jg. (1957), S. 36/37) unter dem bezeichnenden Titel "was man so alles unterschreibt" vor allem über das Wetter in Rom. Es regnete!

90 Die selbe Tendenz ergibt sich bei den Aus- und Einfuhrbilanzen über die Jahrzehnte (die Zahlen beziehen sich auf die 15 heutigen EU-Staaten): Anteil an den weltweiten Ausfuhren in %

		1960	1970	1980	1990	2000	2001

EU 28,7 24,3 20,7 20,7 17,6 19,5

USA 24,4 20,4 15,6 16,3 15,6 15,7

Anteil an den weltweiten Einfuhren in %

EWG 29,7 25,5 24,9 22,0 18,1 19,0

USA 17,6 18,7 17,1 20,3 23,6 23,7

Während der Anteil beider Blöcke an den Weltexporten etwa um 9 % sank, nahmen die Einfuhren der heutigen EU-Staaten ebenfalls um 10 % ab, die der USA stiegen hingegen um 6 %. Das ist der Grund für das enorme Außenhandelsdefizit der USA. An dem US-Defizit von 2001 483 Mrd. Euro hatte die EU übrigens einen Anteil von 44 Mrd. Euro. Zahlen nach: eurostat: Außen- und Intrahandel der Europäischen Union — Statistisches Jahrbuch, Luxemburg 2002, S. 12-26.

91 Berliner Zeitung vom 15.6.2003.

für weitere lokale Infos zu Hamburg, siehe: www.bewegungsmelder.org

» dissent-archive